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Alltag in Corona-Zeiten – eine illustrierte Tagebuch-Geschichte

Sahar und Tilla sind seit zwei Jahren ein Schreibtandem. Darüber hinaus sind sie Freundinnen geworden. Sie treffen sich regelmäßig und sind per WhatsApp in Kontakt. Sahar arbeitet als Angestellte in einer großen internationalen Firma im Büro und Tilla ist freiberufliche Autorin und Künstlerin. Sahar plant ihren Umzug in die erste eigene kleine Wohnung in Deutschland. Hier tauschen sie sich im Tagebuchformat über ihr Leben in der Corona-Krise aus. Die Künstlerin Eugenia Longinova hat ihre Tagebuchgeschichte illustriert.

Zeichnungen: Eugenia Loginova

Von Sahar Reza & Tilla Lingenberg

10. März 2020 Tagebuch Sahar

Bei der Arbeit wurde der Workshop gecancelt. Ich war auch krank. Kopfschmerzen und Halsschmerzen, aber ich war im Homeoffice und hatte den Teilnehmerinnen des Workshops Bescheid gesagt, dass der Workshop später für diesen Tag und den ganzen Monat abgesagt würde. Später Email vom Office: wir bleiben im Homeoffice bis nächste Woche Montag.

11. März 2020 WhatsApp Tilla & Sahar

Tilla:  Corona? Bei dir auf der Arbeit?

Sahar:  YeahFoto: Eugenia Loginova.:

Tilla:  Oh je. Musst du jetzt zu Hause bleiben?

Sahar:  Ich bin im Homeoffice seit letztem Freitag. Und noch bis Ende dieser Woche.

Tilla:  Aha. Und du bist aber gesund?

Sahar:  Keine Ahnung

Tilla:  Fieber, Husten?

Sahar:  Ich habe kein Fieber. Oder Husten.

Tilla:  Und alle aus deiner Firma arbeiten jetzt zu Hause?

Sahar:   Ja alle ab heute bis nächste Woche.

12. März 2020 Tagebuch Sahar

War bei meinem Hausarzt: Ich hatte Angst, ob ich das Corona-Virus bekommen habe. Dann hat er mir 10 Minuten lang erklärt, dass alles bei mir in Ordnung ist. War ich glücklich am Ende des Termins!

13. März 2020 Tagebuch Tilla

Foto: Eugenia Loginova.:

In den Regional-Nachrichten haben sie berichtet, dass der erste Corona-Fall in Hamburg in der Firma von Sahar aufgetreten ist. Puh! Heute rief mein Freund K. zurück, den ich gestern zu seinem Geburtstag nicht erreichen konnte. Sie waren im Elsass in Urlaub und mussten sofort in Quarantäne. Zum Glück bringen ihre Kinder ihnen die Einkäufe an die Tür.

Meine Tochter hatte gestern mit ihrer Band ein Live-Konzert bei einem Internet-Radio in der Nähe von Brüssel. Es wurde nicht gesendet, weil sie eine Sondersendung zu Corona hatten. Es wird nachgeholt. Irgendwann.

13. März 2020 Tagebuch Sahar

Immer noch Kopfschmerzen und ich war total müde. Was soll ich tun, bis die Quarantäne vorbei ist? Aber dann machte ich einen Spaziergang in der Nähe und ging ein bisschen einkaufen. Hamsterkauf, besonders für Klopapier, hahaha, nein ich hatte nur ein paar Sachen zum Essen gekauft.

Foto: Eugenia Loginova.:

16. März 2020 WhatsApp Tilla & Sahar

Tilla:  Hallo. Wie geht es dir? Bist du gesund?

Sahar:  Hallo, danke mir geht es gut. Kopfschmerzen, sonst alles gut. Wie geht es euch?

Tilla:  Auch alles gut. Wie weit bist du mit der Vorbereitung für deinen Umzug? Hast du jetzt einen Stromanbieter ausgewählt?

Foto: Eugenia Loginova.:

 

Sahar:  Habe mich bis jetzt nicht entschieden. Bis Ende dieser Woche entscheide ich mich.

Tilla:  Anderes Thema: Bekommst du Geld für Möbel? Oder Gutscheine für Möbel 2nd Hand?

Sahar:  Nein, bekomme ich nicht.

Tilla:  Es ist toll, dass du jetzt arbeitest und dein Geld selbst verdienst, aber es ist 1. noch nicht lange so und 2. nicht so viel, dass du davon gleich alles kaufen kannst. Das musst du am besten mit einem Menschen live besprechen, nicht per Mail fragen.

Sahar:  Ja, aber ab heute sind alle Job-Center zu. Muss ich noch warten, was Corona sagt.

Tilla:  Mist.

16. März 2020 Tagebuch Tilla

Foto: Eugenia Loginova.:

Letzte Woche Freitag habe ich zu einem Mann beim Sport gesagt: „Wir halten die Stellung, was?“ Er hat gegrinst und genickt, denn das Sportstudio war für diese Tageszeit extrem leer.

Von wegen Stellung halten: jetzt ist alles zu. Kein Sport mehr. Kein Theater mehr. Kein Kino & Konzert mehr. Keine Schule, keine Kita, keine Uni. In den Cafés und Restaurants bleibt jeder 2. Tisch gesperrt und es ist sowieso alles nur bis 18 Uhr geöffnet.

17. März 2020 Tagebuch Tilla

Eigentlich ist es kein so großer Unterschied zu meinem bisherigen Leben, meinem Alltag: Ich schreibe zu Hause meine Texte und mache zwischendurch den Haushalt, gehe einkaufen, sehe fern oder lese etwas. Aber trotzdem ist alles anders. Ich kann nicht schreiben. Kein Wort. Dabei habe ich jetzt alle Zeit der Welt. Ich hasse das. Lasst mich doch alle in Ruhe da draußen, ihr blöden Coronas.

Später: Ich muss eine Haltung finden zu der Welt da draußen, zu dieser ganzen merkwürdigen Zeit. Wenn ich meine Haltung gefunden habe, klappt das auch wieder mit dem Schreiben… also … hoffentlich … ich habe den Blues.

17. März 2020 Tagebuch Sahar

Foto: Eugenia Loginova.:

Bei mir gibt es einen großen Unterschied zwischen der Zeit vor dem Lockdown und jetzt im Homeoffice zu sein und niemanden zu treffen. Ich kann nicht zu Hause arbeiten. Ich kann nicht mehr sitzen. Bei mir im Office gibt es einen hochstellbaren Tisch. Ich stehe im Office lange Stunden, aber zu Hause muss ich immer sitzen, weil ich keinen Stehtisch habe. Den ganzen Tag wiederhole ich immer nur einen Satz: Ich hasse das CORONA-Virus.

18. März 2020 Tagebuch Tilla

Foto: Eugenia Loginova.:

Wir sind Anarchisten! Wir haben Besuch gehabt. Aber wir haben uns nicht umarmt. Und wir haben tatsächlich über andere Themen gesprochen. Ich hatte Corona zwischendurch VERGESSEN. Das war so schön. Und es war sehr lustig. Wir waren einfach zwei Ehepaare, die sich unterhalten haben und Spaß hatten. Wie besonders das Normale plötzlich ist.

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Shiloe Mokay-Rinke ist Migrationsforscherin und lebt in Gambia, wo sie aktuell Filme über die Ausbreitung des Corona-Virus im Land…

Schreiben für ein Miteinander.

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Autorengruppe
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

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