Kürzlich berichteten wir über die katastrophale Lage der Geflüchteten auf den griechischen Inseln. Laut Tagesschau vom 07.07.2020 drängen sich immer noch über 15.000 Menschen in Europas größtem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos — nicht nur im Hinblick auf Abstandsregeln und Infektionsrisiko ein untragbarer Zustand. Verantwortliche der Europäischen Union wälzen die Einhaltung des Völkerrechts aufeinander ab. Die Initiative #leavenoonebehind, die NGO Sea Watch und das Unternehmen Ben & Jerry’s rufen zur sofortigen Evakuierung der griechischen Camps durch die Politik auf.
Bildung als Hoffnungsschimmer
Diese Forderung erhält visuelle Unterstützung durch den Moria Monitor. Das Online-Format gewährte von Ende Mai bis Ende Juni tagesaktuelle Einblicke in den Alltag der Campbewohner. Bei der Produktion der Storytelling-Inhalte half ReFOCUS Media Labs. Die Mediaschool bietet seit 2017 auf Lesbos kostenfreie Kurse an. Newcomer erfahren Bildung in verschiedenen Themenbereichen wie Journalismus, Photographie, Videoproduktion und Podcasts. Für die Konzeption der Inhalte des Moria Monitors zeichnen 20 Geflüchtete verantwortlich.
Auffällig dabei: das Hauptaugenmerk liegt nicht primär auf der Vermittlung von Elendsbildern. Vielmehr erhalten sportliche Aktivitäten, Meditation oder Religionsausübung Raum. Gerade in den prekären Verhältnissen der Camps sei die Entwicklung von Skills für die moderne Arbeitswelt schwierig, meint der Co-Founder des Projekts Douglas Herman. Er möchte humanitären Support leisten, welcher den Bewohnern komplett fehle. Der High School-Lehrer kam 2016 nach Lesbos und fasste schnell den Entschluss, ein Bildungsangebot einzurichten. Bis heute besuchten 120 Teilnehmerinnen die dortigen Lehrveranstaltungen von ReFOCUS Media Labs.
Umgehende Evakuierung gefordert
Bei der Erarbeitung des Konzepts des Moria Monitors erfuhr RFML Unterstützung von u.a. der NGO Sea Watch. Dazu Doreen Johann, politische Öffentlichkeitsbeauftragte der Seenotretter: „Der Moria Monitor zeigt die unbequeme Realität europäischer Migrationspolitik. Die Bewohner*innen im Camp Moria berichten über ihre alltäglichen Herausforderungen und die menschenunwürdigen Zustände, denen sie Tag für Tag ausgeliefert sind. Diese Art der Berichterstattung untermauert die Forderung nach der sofortigen Evakuierung der Lager.“ Sea Watch gibt den Inhalten auf Instagram-Channel sowie Website eine reichweitenstarke Plattform. Die Resonanz in den sozialen Medien fällt laut Johann mit aktuell mehr als 2 Mio. Views überwiegend positiv aus.
Mail-Flut gegen das Vergessen
Als weiteres Druckmittel für die schnellstmögliche Räumung agiert das von Ben & Jerry’s erdachte E-Mail-Tool. Das sozial engagierte Unternehmen entwickelte es bereits 2017 für die Durchsetzung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Sea Watch entstand eine modifizierte Version auf der Website der Initiative #leavenoonebehind. Bundesland- bzw. wahlkreisspezifisch besteht die Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit zuständigen Politikern und die Forderung nach Aufnahme Geflüchteter aus den überfüllten Lagern Griechenlands. Bisher erreichten mehr als 22.600 Mails Bundes- und Landtagsabgeordnete verschiedener Fraktionen, gibt Doreen Johann bekannt (Stand Juli 2020). Volker von Witzleben, Social Mission Activist bei Ben & Jerry’s, bezeichnet das Tool als „gute Grundlage, um politische Veränderungen zu schaffen.“
Das Mitwirken des Eiscreme-Herstellers an Mailkampagne und Moria Monitor und die Verbreitung des Contents in einer heterogenen Käuferinnenmasse sieht er als gewaltigen Mehrwert. Ein Unternehmen könne seinen großen ökonomischen Einfluss nutzen, um gesellschaftliche Probleme zu lösen oder zu betiteln. Mit 1,5 Mio. Instagram-Followern trägt Ben & Jerry’s essentielle Themen wie Humanität in sämtliche gesellschaftliche Blasen hinein und forciert baldige Veränderung der Lage Geflüchteter auf den griechischen Inseln. Moria Monitor als tagesaktuelle Kampagne sei zwar mittlerweile beendet. In den nächsten Wochen solle allerdings zahlreiches, bisher unveröffentlichtes Material den Weg online finden, kündigt Doreen Johann an. Außerdem können Unterstützerinnen weiterhin Hilfebedürftigen durch Nutzen des E-Mail-Tools eine Stimme verleihen.
Mit Sahar Reza hat diese Bericht geschrieben.