Seit dem 10. Juni 2020 widmet sich das Museum in einer Sonderausstellung den Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung flüchten bzw. auswandern müssen. „Die Sonderausstellung Fluchtursache: Liebe gibt einem wichtigen Thema, welches auch schon in der Hauptausstellung der BallinStadt Erwähnung findet, mehr Raum“, so der Geschäftsführer Volker Reimers. Unterstützt wird das Projekt von Deutschlands bekanntester Drag-Queen Olivia Jones und der offiziellen „Familienbotschafterin“, Veuve Noire. Jones musste selbst ihr Leben lang mit Anfeindungen und Diskriminierung kämpfen, deswegen sei die Ausstellung für sie eine Herzensangelegenheit. „Unsere Freiheiten sind nicht selbstverständlich. Das muss man sich immer wieder bewusst machen“, erklärt sie.
Auf ca. 320 Quadratmetern gibt die Ausstellung einen Überblick über die LGBT-Rechte weltweit. Zunächst geht es um den Begriff der Freiheit und um seine konkrete Bedeutung. Anschließend halten riesige Daten, Zahlen und Statistiken eindringlich vor Augen, was homosexuellen, bi- oder transsexuellen Menschen in vielen Ländern auch heute noch droht: In zwölf UN-Mitgliedstaaten steht auf einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehr die Todesstrafe, in 56 von ihnen gelten hohe Gefängnisstrafen. Konfrontiert werden diese „hard facts“ aber auch mit den „Errungenschaften“ der LGBT-Bewegung.
Acht Gesichter, eine Geschichte
Im Mittelpunkt stehen acht erschütternde, aber auch sehr bewegende Biographien von Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität ihr Heimatland verlassen mussten. Zusammengestellt wurden diese von der Initiative Rainbow Refugees (Stories), die auch Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Herkunftsländern präsentiert, um das Erzählte in einen gesellschaftspolitischen Kontext zu setzen.
Da ist zum Beispiel das Transgender-Paar Ragni und Anmol aus Pakistan, dass von ihren Familien verstoßen wurde. Obwohl der pakistanische Staat das „dritte Geschlecht“ seit 2009 offiziell anerkennt, sind die sogenannten „Hijras“ extremer Diskriminierung ausgesetzt. Die Nigerianerin Kehinde flieht aus ihrer Heimatstadt, um den Misshandlungen ihrer eigenen Familien zu entgehen und gerät dabei an einen Menschenhändlerring. In Libyen verliert sie den Kontakt zu ihrer einzigen Freundin und Partnerin und wird von einem Freier schwanger. Heute lebt sie mit ihrem Sohn in Bayern und wartet seit vier Jahren auf ihren Asylbescheid. Ihr Leben ist geprägt von Zurückweisung und Enttäuschung, Gewalt, aber auch von der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Migration — so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst
Zwischen 1850 und 1934 war Hamburg das „Tor zur Welt“. Über fünf Millionen Menschen, die aus Europa über den Hamburger Hafen in die neue Welt nach Amerika emigrierten, fanden hier einen Zufluchtsort, bevor sie die beschwerliche Schiffsreise über den Ozean antraten. In den ehemaligen Gebäuden der HAPAG Reederei öffnete im Juli 2007 das Auswanderermuseum BallinStadt seine Türen und erinnert seit jeher daran, dass Migration schon immer ein Teil der Menschheitsgeschichte war. Seinen Namen verdankt das Museum dem berühmten jüdischen Reeder Albert Ballin, seiner Zeit Generaldirektor der HAPAG Reederei. 1901 ließ er auf der Elbinsel Veddel auf etwa 55.000 tausend Quadratmetern die BallinStadt errichten, einschließlich Schlaf- und Speisesälen, Musikpavillon, Krankenstation, Kirche und Synagoge.
In seiner Dauerausstellung thematisiert das Auswanderermuseum heute die Geschichte der Migration exemplarisch anhand von vier Epochen. Angefangen bei der Kolonialisierung durch Auswanderer, über den Boom der europäischen Überseewanderung im „langen“ 19. Jahrhundert und die Massenflucht während der beiden Weltkriege bis hin zur Binnenmigration im Nachkriegsdeutschland. Dabei laden die zahlreichen Zeitzeugenberichte aus verschiedenen Jahrhunderten auf eine interaktive Zeitreise ein und gewähren Einblick in die unterschiedlichen Umstände und Beweggründe der Ein- und Auswander*Innen. Zugleich wird der Bogen in die Gegenwart gespannt: An mehreren Computerterminals können Besucher*Innen mittels digitalisierter Passierlisten auf Spurensuche ihrer ausgewanderten Vorfahren gehen.
Auswanderermuseum BallinStadt
Veddeler Bogen 2
20539 Hamburg
Telefon: (040) 31 97 91 60
Die Sonderausstellung ist im Eintrittspreis des Auswanderermuseum enthalten. Der reguläre Preis für Erwachsene beträgt 13 Euro, mit Ermäßigung 11 Euro. Für Kinder zwischen 5 und 12 kostet der Eintritt 7 Euro.