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„Auch ich habe Privatsphäre verdient.“

Als Nada nach Deutschland kam, wurde von ihr erwartet, dass sie sich anpasst und sich "integriert". Doch bedeutet Integration, dass man nicht mehr sein darf, wer man ist? Die Autorin erzählt im Rahmen unserer Reihe „Frieden zwischen Hier und Dort“ von den Erwartungen der deutschen Gesellschaft an sie und ihrem Wunsch nach Privatsphäre.

Zwischen dem Hier und Dort habe ich eine Reise hinter mich gebracht, die mit vielen Gefahren verbunden war. In der Hoffnung, dass ich eines Tages an einem sicheren Ort ankomme, an dem ich meine Träume verwirklichen kann. Meine Sicherheit war aber nicht die einzige Bedingung, um diese Träume zu realisieren.

Als ich als Flüchtling in Deutschland ankam, in diesem sicheren Land, schickte man mich zunächst, wie alle anderen Flüchtlinge, in eine weit abgelegene Gegend. Ich hatte das Gefühl, ich wäre im Exil. Ich dachte mir zunächst, ich hätte nicht das Recht wie die anderen in einer Stadt zu leben. Und darüber hinaus dachte ich, ich hätte nicht das Recht über mein Schicksal mitzubestimmen. In meinem Heimatland zwang mich der Krieg, das Land zu verlassen. Und so habe ich es getan. Hier legten die zuständigen Behörden meinen Aufenthaltsort fest und trugen mir auf, den Ort nicht zu verlassen. Ich fügte mich der Vorschrift.

„Sich fügen“ für die Integration

Ich versuchte mich zu akklimatisieren. Aber wie kann das gehen? Und wie sollte ich mich akklimatisieren? Jeder wollte aus mir eine Kopie von selbst sich machen, mit der Begründung, ich solle mich integrieren. Und jeder definiert den Begriff Integration auf seine eigene Art und Weise. Ich ging dabei zwischen den verschiedenen Bedeutungsfeldern verloren.

Man sagte mir: Integration ist Sprache lernen. Ich lernte die Sprache. Und man sagte: Integration ist Respekt gegenüber den Gesetzen. Ich machte mich mit den Gesetzen dieses Landes vertraut und respektierte sie, so wie ich denjenigen respektierte, der mir das sagte. Dann sagten sie zu mir: Integration ist Respekt vor sozialen Bräuchen und Normen. Schön. Wir haben auch unsere sozialen Bräuche und Normen, dann respektieren wir auch diese. Am Ende stellte ich fest, dass ich nur eine einzige Möglichkeit hatte: Auf die Art zu leben, wie man es mir vorschreibt. Ich sollte mir den Lebensstil zu eigen machen, der mir auferlegt wurde: Ihre Musik hören, ihre Gerichte essen und mich nach ihrem Geschmack kleiden. Das Wichtigste für sie aber ist, dass ich auf meine Kopfbedeckung verzichte, denn sie passt ihnen nicht.

Ein undankbarer Flüchtling

Das wollte ich nicht, denn ich habe meinen eigenen Lebensstil und ich bin glücklich damit. Ich lehnte ihre Beschlüsse ab und somit wurde ich als „nicht-integriert“ bezeichnet. Man nannte mich einen undankbaren Flüchtling. Es verbreitete sich die Nachricht, dass ich eine nicht integrationsfähige und kranke Frau sei, die nicht in der Lage ist, sich mit anderen zu verstehen. Das alles nur, weil ich nicht das tat, was mir nicht passte. Ich liebe die anderen und freue mich, mit ihnen zu kommunizieren. Aber ich habe es nicht gern, mich in die Privatsphäre und Lebensweise anderer einzumischen, weil ich es nicht gern habe, dass jemand sich in meinen privaten Lebensbereich einmischt und meine Freiheit einschränkt.

Alles was ich erwarte ist, dass sie mich wie einen gleichwertigen Menschen behandeln. Wie sie ihre Privatsphäre haben, die ich respektiere, möchte auch ich meine Privatsphäre haben.

„Frieden zwischen Hier und Dort“ ist ein Schreibworkshop-Projekt des Friedenskreis Syrien. Der Verein tritt für einen friedlichen und kooperativen Austausch zwischen Menschen ein und schafft Austauschplattformen für einen konstruktiven Dialog.

Die Texte sind bereits in veränderter Form in der taz erschienen. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Bi´bak, Start with a Friend (SwaF) und Multaka (Treffpunkt Museum) in Berlin durchgeführt und ist durch das Frauen ID Projekt im Rahmen des Kultur macht Stark Förderprogramms / PB und BMBF gefördert.

In sieben Workshop-Tagen setzten sich die Teilnehmerinnen unter Leitung der syrischen Autorin Kefah Ali Deeb mit der Methode des Schreibens auseinander. Teil des Projekts waren Besuche in einigen Berliner Museen, die sich teilweise in den Geschichten der Frauen widerspiegeln. Entstanden sind Texte über das neue Lebensumfeld Berlin, über Heimat und eben über den “Frieden zwischen Hier und Dort”. Wir veröffentlichen sie nach und nach hier.

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