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Amjad Nasser: Wohin kein Regen fällt – eine Rezension

Der jordanische Autor Amjad Nasser war Dichter und Schriftsteller. Er hat nach seiner Flucht nach Beirut für ein Magazin der PLO, das von Ghassan Kanafani herausgegeben wurde, gearbeitet. In Aden war er Dozent für Politikwissenschaft und auf Zypern und in London widmete er sich journalistischen Tätigkeiten. Amjad Nasser starb 2019

Amjad Nasser: Wohin kein Regen fällt

Weitere Rezensionen von Almut Scheller- Mahmoud findet ihr hier und hier

Amjad Nasser hat diesen Roman 2010 geschrieben. Er nimmt in kurzen Zügen ein Ereignis voraus, das gerade jetzt Europa und die gesamte Menschheit weltweit betrifft. Die Heimsuchung durch eine Seuche und den damit verbundenen Konsequenzen: Entsetzen und Furcht. Zügellose Enthemmung. Zusammenbruch von Recht und Ordnung. Die Suche nach einem Sündenbock. Urzeitliches brodelt an die zivilisationslackierte menschliche Oberfläche.

Die Hauptfiguren im Roman

Adham Jaber kommt nach 20 Jahren zurück in die Heimat, in das fiktionale Harmiya. Er ist krank und hat nicht mehr lange zu leben. Halb vergessen, fast ein alter Mann. Seine Ideen, für die er kämpfte, hatten nichts verändert. Aber es gibt immer noch eine bis ins kleinste Detail ausführliche Akte über ihn: Die Behörde für Nationale Sicherheit ist ein perfektes System, mit Techniken, die aus dem Ausland importierten waren.

Aber es ist nicht nur Adham Jaber, sondern auch Junis al Khattat, der einstige kommunistische Poet, der nach einem misslungenen Attentat auf den militärischen Führer der Nation ins Ausland floh. Junis al Khattat liebte Rula und seine Erinnerungen an sie sind berührend, sind poetisch und sind „orientalisch“. Ohne dass ich damit dem von Edward Said kreierten Begriff „Orientalismus“ Nahrung geben möchte. Ebenso „orientalisch“ sind die Beschreibungen der Gassen und Märkte mit ihrer Farbenfreudigkeit, mit ihren Sinfonien von Düften und Gerüchen.

Was ist Erinnerung? Eine Black Box?

Adham Jaber und Junis al Khattat sind sich fremd und doch vertraut. Tasten sich einander an, sind zwei miteinander verschränkte Entitäten. Mit ganz eigenen und ganz persönlichen Erinnerungen: An die Zeit der Kämpfe, an die Zeit in den Städten des Exils: Beirut, Zypern, London. Die Leben und die Erinnerungen von Adham und von Junis mäandern, sind nie gradlinig, zeigen ein zweigeteiltes Selbst, das sich im Text reflektiert. Da stellen sich die Fragen, wie weit Erinnerungen verblassen oder vergoldet werden. Sind die Wahrnehmungen von damals die gleichen wie die in der Erinnerung? Was macht das exilierte Leben, das gelebte Exil aus den Erinnerungen? Was macht das Alter mit ihnen? Gibt es da auch die Frage nach Erinnerungen, die man gern gehabt hätte, also die nach einen anderen Lebensverlauf?

Das sind Fragen, die uns alle angehen, auch wenn wir nicht im Exil leben. Und in seinem Roman geht Amjad Nasser diesen Fragen nach. Findet er auch Antworten? Das sollte der Leser selbst herausfinden. Unbedingt.

Überall in der Lektüre schimmert Politisches durch, Kritisches zu politischem Engagement und den dazugehörigen Enttäuschungen sowie zum Einheitsbrei der Globalisierung.

Persönlicher Eindruck

Mir persönlich haben, ganz unabhängig von dem sonstigen Text, die Seiten über die arabische Kalligraphie gefallen. Sie gestatten  ein Eintauchen in eine andere Welt, die sich nur von spiritueller Kreativität nährt, verbunden mit sufistischen Lehren. Labyrinthe von Buchstaben und Zitaten: Fürwahr ein wunderbarer Ersatz für die westliche Form der bildlichen Darstellung. Geheimnisvoller. „Orientalischer“?

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