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Wie Tandems Brücken bauen

Der Aktionskreis „Patenschaften für Hamburg“ innerhalb des Bündnisses Hamburger Flüchtlingsinitativen (BHFI) unterstützt die Pateninitiativen der Stadt Hamburg. Umgesetzt hat der Arbeitskreis zum Beispiel die Plattform Open Hamburg, auf der sich zahlreiche Organisationen und Initiativen versammeln, die sich für die Integration geflüchteter Menschen engagieren. Dort können Hamburger*innen ein Ehrenamt finden, das zu ihnen passt, beispielsweise als Patin oder Pate für eine geflüchtete Person. So entstehen auch Tandems. 

In einer Kolumne greift der Arbeitskreis jeden Monat eine Geschichte von Weggefährten, Tandems und Patenschaften auf – aktuell in der Form von Interviews mit Tandems, die sich über Patenschaftsorganisationen gefunden haben. Sie machen Mut, denn sie bestätigen: Treffen sich zwei (oder drei) innerhalb eines Tandems, gewinnen Alle! Im Flüchtling-Magazin zeigen wir euch ein paar dieser Gespräche. Dieses Mal die des Tandems Ebrahim, Adam und Ehsan.

DAS TANDEM

Mein Name ist Ebrahim, ich bin 27 Jahre alt und komme ursprünglich aus Afghanistan. Vor ungefähr  20 Jahren bin ich mit meiner Familie nach Deutschland geflüchtet und wir sind in Hamburg-Bergedorf heimisch geworden. Ich habe Politikwissenschaften studiert. Seit etwa einem Jahr arbeite ich bei dem Verein „Bergedorfer für Völkerverständigung“ und koordiniere dort das Patenschaftsprojekt. Ich engagiere mich seit 2013 für geflüchtete Menschen.

Mein Name ist Adam, ich komme aus Eritrea und bin 25 Jahre alt. Vor drei Jahren bin ich nach Deutschland geflüchtet und ich mache eine Ausbildung als Maler und Lackierer.

Mein Name ist Ehsan, ich bin 26 Jahre alt, ich bin Afghane und im Jahr 2015 nach Deutschland geflüchtet. Ich mache auch eine Ausbildung als Maler und Lackierer, aber in einer anderen Firma als Adam. Wir drei sind also Teil des Tandems.

BHFI: Wie habt Ihr Euch kennengelernt?

Ehsan: Kann man einen Unfall nennen (Ehsan lacht und korrigiert sich – er meinte Zufall). Ich war zu Hause, es hat geklingelt und da stand Ebhrahim vor der Tür. Eigentlich suchte er meinen Nachbarn, und so haben wir uns kennengelernt.

Ebrahim: Ich war sozusagen „offiziell“ unterwegs und habe ihm erzählt, dass ich für den Verein „Bergedorfer für Völkerverständigung“ arbeite, und wenn er Lust hätte, könne er gerne bei uns ins Programm kommen. Er erschien relativ schnell, und irgendwann dachte ich: supersympathisch, der Typ. Bei ihm ist es ja so, er hat genau wie Adam keinen Deutschkurs besucht, sondern sich sofort in die Ausbildung hineingekämpft. Das hat mir total imponiert. Ich dachte, da kann ich doch einmal die Woche hin und gucken, wie ich ihn noch weiter unterstützen kann.

BHFI: Und wie ist Adam dazugekommen?

Adam: Ich habe Eshan vor drei Jahren in einem Flüchtlingsheim kennengelernt. Jetzt wohnen wir hier beide am Gleisdreieck in Bergedorf. Das ist auch Glück. Ehsan hat mir erzählt, dass er Ebrahim kennt und wie gut das ist und dass ich ihn doch auch kennenlernen soll. Ebrahim ist sehr o.k. Hat mir Mathe beigebracht und andere viele gute Sachen.

Ebrahim: Im Jahr 2015 gab es ein Projekt von der Handwerkskammer „Hoffnung Handwerk – Ausbildung für Flüchtlinge im Hamburger Handwerk“. Man konnte direkt in die Ausbildung gehen, ohne Bedingungen. Da haben sich in Hamburg über achtzig Geflüchtete gemeldet. Nach und nach haben ganz viele aufgehört. Wahrscheinlich zu anstrengend. Jetzt sind noch sechs Geflüchtete in Arbeit, und die beiden gehören dazu. Die beiden machen ihre Arbeit richtig gut. Beide haben von ihren Chefs das Versprechen bekommen, selbst wenn sie die Prüfung nicht bestehen, bekommen sie auf jeden Fall als Gehilfe eine feste Stelle.

BHFI: Hattet Ihr denn schon eine Ausbildung begonnen, als Ihr noch in Eurem Heimatland wart?

Ehsan: Ich habe gearbeitet als Metallschweißer.

Adam: Ich habe einen Realschulabschluss gemacht und bin dann nach Deutschland. Ich habe als Bäcker, Maurer und alles Mögliche gearbeitet.

BHFI: Ich bin zutiefst beeindruckt, dass wir nach knapp drei Jahren so ein Interview führen können, wie gut Ihr beide die deutsche Sprache beherrscht.

Adam: Als wir bei der Ausbildung anfingen, wir konnten nicht ein Wort. (Adam sagt das mit Nachdruck) Wenn man mich gefragt hat, einfache Dinge wie Essen und Trinken, ich wusste nicht, was ich antworten soll. Ich habe ganz viel auf der Baustelle gelernt mit Kollegen, und ich bin jetzt sehr zufrieden. Die Firma hat mir viel beigebracht, sie haben mich sehr gut behandelt. Wir sind im Juni 2015 nach Deutschland gekommen und haben am 1. November mit der Ausbildung angefangen. Ohne Sprachkurs, ohne alles. Die ersten Monate waren schwer, aber so viele Kollegen haben uns geholfen. Wir wollen nur lernen und arbeiten. Deswegen müssen wir verstehen, wie das hier funktioniert. Am Anfang haben wir überhaupt nicht verstanden, was Ausbildung ist, wie das Schulsystem geht. Also haben wir einfach angefangen, als die Leute kamen, wir haben uns einfach gemeldet, denn wir wollten überhaupt nicht nur zu Hause sitzen. Wir wollten Deutsch lernen und jetzt sind wir schon bald fertig mit der Ausbildung. 2019 kommt die Prüfung.

BHFI: Gibt es noch etwas, was Ihr gerne erzählen würde, was ich nicht gefragt habe?

Ehsan: Ich will erzählen, wie ich nach Deutschland gekommen bin. Ich hatte kein Geld, bin von der Türkei mit dem Boot nach Griechenland gekommen und dann bis nach Deutschland zu Fuß gelaufen. Ca. 20 Tage alleine im Wald, es gab zwar Wasser, aber 20 Tage ohne Essen. Ich war ungefähr sieben oder acht Tage alleine, dann habe ich zwei Kumpel gefunden, einer aus Ghana und einer aus dem Irak. Bis Serbien war ich ganz allein. Ich hatte einen Freund, der 20 Tage früher nach Deutschland gekommen war und ich hatte Kontakt mit ihm über whatsapp. Der hat mir die Kennzeichen des Weges gesagt, und dann bin ich an den Schienen entlanggelaufen. So habe ich Deutschland gefunden. Das war wirklich schwer, ich werde das nie im meinem Leben vergessen.

Adam: Ich bin von Eritrea in den Sudan geflohen. Von meiner Stadt, in der ich wohnte, sind es 350 Kilometer bis zur Grenze. Die ersten Tage war ich alleine, unterwegs habe ich auch zwei andere Männer gefunden, bis wir angekommen waren. Ich habe anschließend vier Monate als Bäcker gearbeitet, keinen Platz gehabt zum Schlafen. Dann bin ich nach Libyen gezogen und mit einem kleinen Boot nach Italien übergesetzt. Das war sehr gefährlich. Wir waren ca. 280 Leute in einem Boot. Wir waren drei Boote. Einen ganzen Tag und eine Nacht gefahren, und dann Italien. Ich weiß es gar nicht mehr so ganz genau wieviel Tage, ich will nicht mehr so daran denken. Und dann nach Deutschland. Teilweise war es schwierig, aber wenn man sich für diesen Weg entscheidet, dann weiß man, dass es schwierig ist.

BHFI: Wenn dies hier ein Life-Interview wäre, was würdet ihr anderen Geflüchteten sagen, was ihnen raten? Was ist gut, wie man hier vorankommt?

Adam: Wenn man in einem fremden Land Erfolg haben will, muss man Geduld, Geduld, Geduld haben. Nicht aufhören immer weiter zu lernen und immer das Ziel vor Augen haben. Wenn Du hier bleiben willst, gucke auf Dein Ziel und gehe Schritt für Schritt. Die Sprache zu verstehen, das ist der Schlüssel von allem. Immer mit Geduld und Durchhalten.

Ehsan: Am Anfang ist alles schwer. Aber wenn man ein Ziel hat, dann kann man kämpfen. Es ist keine gute Idee, nur herumzusitzen, sondern man muss kämpfen. Wir hatten sehr schwierige Tage am Anfang. Wir waren 16 Leute in einem Zimmer, alle arbeitslos, keiner wollte schlafen und das Licht ausmachen. Ich habe trotzdem weitergemacht und nicht aufgegeben. Und darüber bin ich dankbar und ich freue mich.

Adam: Wir waren 15 Leute auf 40 qm Raum, das war zum Start unsere Situation im ersten Lehrjahr. Ich wurde gefragt: „Was machst Du, warum strengst Du Dich so an?“ Viele sagten: „Hör auf, Du musst Dich doch erst einmal ausruhen von der Flucht.“  Ich war der einzige der 15 Leute, der das nicht wollte. Das erste Lehrjahr war deshalb schwierig. Man muss kämpfen, so wie Ehsan sagt. Niemand schenkt Dir etwas, Du musst etwas dafür tun. Jetzt staunen viele Freunde und sagen: „Du hast es durchgehalten.“ Und mein Chef sagt: „Bleib dabei, lerne weiter, lerne weiter.“

Ebrahim: Adam hat recht, man muss am Ziel festhalten. Wir sind ja alle drei Fußballer. Wenn man spielt, muss man auch Tore machen wollen. Die beiden sind voller Potenzial, die machen irgendwann einen Betrieb auf. Trotzdem gibt es auch Sachen, die mich nicht nur traurig, sondern auch wütend machen. Dass Menschen mit migrantischem Hintergrund, die hier geboren sind, die sich deutsch nennen, den beiden sagen: „Ihr könnt ja nicht richtig Deutsch.“ Ich habe Politik studiert, ich rede über Globalisierung, und die beiden leben das. Ich muss danke sagen zu Euch, dass Ihr das so schafft.

Das Interview wurde von Rose-Marie Hoffmann-Riem (BHFI) geführt. Wer Interesse an einer Patenschaft hat oder wissen möchte, wie Tandems entstehen, kann sich an Rose-Marie Hoffmann-Riem unter paten@bhfi.de wenden.

Hintergrundinformation

Menschen, die hier kein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, aber aus diversen Gründen nicht abgeschoben werden können, erhalten eine Duldung. Mit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 hat der Bundesgesetzgeber daher die Voraussetzungen geschaffen, diesen Menschen eine Perspektive zu vermitteln, wenn sie eine Ausbildung beginnen und anschließend in dem erlernten Beruf arbeiten. Sie heißt ‘3 + 2-Regelung’, weil sie einen gesicherten Aufenthalt für drei Jahre Ausbildung und die zwei folgenden Jahre als Angestellte*r sichern.

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Rose-Marie ist Unternehmensberaterin, aber vor allem beim Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitativen engagiert. Für den Blog des BHFI schreibt sie regelmäßig Tandemgeschichten (TandemTalks) auf, die sich aus dem Projekt ergeben haben.

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