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Von der Wahl ausgeschlossen

Am 24. September ist Bundestagswahl. Doch etwa 10 Millionen in Deutschland lebende Ausländer sind von dieser Wahl ausgeschlossen, sie dürfen Ihre Stimme nicht abgeben. Warum ist das so? Eine Analyse.

Whalen in Deutschland. Foto: Hussam Al Zaher.

Wer darf in Deutschland überhaupt wählen?

Der 24. September 2017 ist ein wichtiger Tag für Deutschland: an diesem Datum findet die nächste Bundestagswahl statt. Diese Wahl erfolgt laut Artikel 39 des Grundgesetzes alle vier Jahre und dient der Bestimmung der Abgeordneten des deutschen Bundetages. Insgesamt stehen in diesem Jahr 42 Parteien zur Wahl. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 waren nur 34 Parteien zugelassen. 2017 gibt es insgesamt 4828 Kandidaten und 299 Wahlkreise. Alle deutschen Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei Monaten in Deutschland leben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden, sind bevollmächtigt, zu wählen. Das sind rund 61, 7 Millionen Menschen. Für die deutschen Staatsbürger ist es eine Selbstverständlichkeit, zu dieser Wahl zu gehen und ihre Stimme abzugeben.

Etwa 10 Millionen in Deutschland lebende Ausländer sind nicht wahlberechtigt

Doch etwa 10 Millionen in Deutschland lebende Ausländer dürfen die politische Zukunft des Landes nicht mitbestimmen. Sie kommen vor allem aus Krisengebieten wie Syrien, dem Iran, dem Irak, Afghanistan oder auch aus Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan.
Nach Artikel 20 des Grundgesetzes sind Ausländer, die nicht in Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, grundsätzlich nicht wahlberechtigt in Deutschland. Und das, obwohl in Deutschland derzeit so viele Migranten wie noch nie leben. Gut jede fünfte, in Deutschland lebende Person, hat Migrationshintergrund. Das sind in Zahlen ausgedrückt in etwa 17,1 Millionen Menschen.
Da sie jedoch keinen deutschen Pass besitzen, dürfen sie auch ihre Stimme nicht abgeben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die aktuelle gesellschaftliche Situation in Deutschland maßgeblich mitbestimmen. Viele der Betroffenen leben schon sehr lange in Deutschland, beherrschen die deutsche Sprache, gehen einer Arbeit nach und sind gut integriert.

Eugenia Loginova / Photo E. Loginova

So geht es auch Eugenia Loginova, Künstlerin aus Russland: „Es ist schon ungerecht. Ich zum Beispiel wohne schon lange Zeit mit meiner Familie hier, ich habe ein Kind. Ich möchte mich gerne am politischen Leben beteiligen, aber ich darf es nicht. Das finde ich unfair.“ Eugenia fühlt sich in Deutschland angekommen, es ist ihre Heimat geworden. Und doch lässt das deutsche Grundgesetz es nicht zu, ihr das aktive Wahlrecht zur Bundestagswahl einzuräumen. Eugenia hat Kunst und Theater in St. Petersburg studiert, bekam dann ein Stipendium, welches sie nach Deutschland führte.
Hier lebt sie mittlerweile seit über 20 Jahren.

Das aktive und passive Wahlrecht gehört mit zu den wichtigsten politischen Rechten. Denn es verschafft Zugang zur Bildung politischer Macht. Gerade für Zuwanderer hat die Erlaubnis zu wählen eine große Bedeutung. Denn dies symbolisiert, dass sie als gleichwertige Mitglieder der Bürgerschaft angesehen werden und das gesellschaftliche Leben maßgeblich mitbestimmen dürfen.
Und Eugenia ergänzt: „Für mich bedeutet Wahl, mich an der Gestaltung der Zukunft meiner Tochter zu beteiligen. Wenn man ein Kind hat, möchte man schon gerne wissen, was in Zukunft passiert, also in 20, 30 Jahren. Daher möchte ich durch die Wahl die politische Zukunft aktiv mitgestalten.“

Bürger aus der europäischen Union

Nur für EU-Ausländer gibt es eine Ausnahme: sie dürfen an den Kreis- und Kommunalwahlen teilnehmen, nicht jedoch an den Bundes- oder Landtagswahlen. Dieses Ausländerwahlrecht existiert nur in sehr wenigen Staaten. Es gestattet den ausländischen Bürgern, politische Rechte wie das Stimmrecht oder aber das aktive und passive Wahlrecht auszuüben, ohne dabei jedoch einen deutschen Pass zu besitzen. Dies wurde 1992 im Vertrag von Maastricht geregelt.

Babette Hnup / Photo Kathrin Ahäuser

„Ich würde es sehr begrüßen, wenn EU-Bürger auch auf Landtags- und Bundestagebene wählen dürften“, sagt Babette Hnup, freie Journalistin aus Österreich. „Denn in dem Land, in dem ich lebe, arbeite und Steuern zahle, in dem ich meine Familie habe, möchte ich auch mitbestimmen. Das Recht zu wählen, ist ein demokratisches Grundrecht und auch eine Bürgerpflicht. In Österreich nehme ich dieses Recht wahr und gehe selbstverständlich wählen. Aber 80 Prozent meiner Zeit befinde ich mich hier in Deutschland und es fühlt sich komisch an, hier, wo mein Lebensmittelpunkt ist, nicht wählen zu dürfen. Für das Wahlrecht, gerade für   Frauen, haben viele Menschen vor uns hart gekämpft. Deswegen sollte es auf jeden Fall genutzt werden. Ich kann daher diejenigen, die nicht wählen gehen, überhaupt nicht verstehen.“

Warum werden Migranten von der Wahl ausgeschlossen?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen soll die Bildung ethnischer Parteien verhindert werden. Denn wenn Zuwanderergruppen ihre eigenen, politischen Parteien gründen, kann dieser Prozess die bereits etablierten Parteien massiv schwächen. Hinzu kommt, dass das Ausländerwahlrecht bestehende Machtverhältnisse durcheinanderbringen kann, denn gewisse Parteien könnten stärker von den Stimmen der Zuwanderer profitieren als andere. Und viele befürchten, dass wenn erst einmal die Zustimmung für die Stimmenabgabe für die Kommunalwahlen erfolgt ist, dass dann die Argumente, die Migranten bei den Landes- und Bundestagswahlen weiter auszuschließen, schwächer werden.

Warum es dennoch wichtig ist, dass auch Migranten wählen

Die Erlaubnis zu wählen, fördert maßgeblich die Teilhabe der Zuwanderer am politischen Leben und somit auch ihre Integration in die deutsche Gesellschaft. Denn sie sind dauerhafte Mitglieder der Gesellschaft. Durch das Wahlrecht werden sie als zukünftige Staatsbürger wahrgenommen, der Weg zur Staatsbürgerschaft wird geebnet. Denn wenn die Migranten an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, dann ermutigt sie dies, sich einbürgern zu lassen, um dann auch bei den nationalen Wahlen teilnehmen zu können. Integration wird also in hohem Maße gefördert.

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2 Antworten

  1. Also erst einmal die die länger hier leben und sich zum Grundgesetz bekennen, können sich einbürgern lassen. Und dann kann man auch wählen.

    Ich kann auch nicht einfach in ein anderes Land gehen und dort mal wohnen und dort als Ausländerin wählen. Die Bürger dort wären empört.

    Ein Wahlrecht für jeden der gerade im Land ist, würde doch zu einem führen. Andere Länder die mit der Politik des Landes, das so ein Wahlrecht hätte unzufrieden wären, würden kurz vor der Wahl Personengruppen in dieses Land schicken, um dort mit den Stimmen die Wahlen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Nicht gerade erstrebenswert.

  2. Ich muss Ivi recht geben. Wer lange in Deutschland lebt und politisch mitbestimmen möchte kann sich einbürgern lassen.

    Ich persönlich kenne kein Land in der Welt, in dem Ausländer wählen dürfen. Warum sollte es in Deutschland anders sein?

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