Folgender Beitrag stellt zunächst eines seiner Bücher vor. Anschließend berichtet der Autor selbst von dem, was er mit seinen Geschichten erlebt und bewegen möchte:
In einem seiner Kinderbücher mit dem Titel „Die Heimat der Noon“ beschreibt der Familienvater, der seit 1991 in Deutschland lebt, die Wahrnehmungsweise eines siebenjährigen Mädchens auf der Flucht und beim Entdecken der neuen Umgebung. In 25 kurzen Kapiteln, jeweils illustriert durch Aquarelle des sudanesischen Illustrators Eihab Elhassan, nimmt er Kinder ab Grundschulalter wie auch Erwachsene mit auf eine lange Reise. Er schildert vor allem die kindliche Suche nach Sicherheit, das Empfinden und Beobachten wechselnder Situationen und Gefühle. Die Wahrnehmung der „zweiten Heimat“, wie der Autor es nennt, wirkt bereits etwas erwachsener: Diese zweite Hälfte des Buches ist dem Ankommen gewidmet, weiterhin beschreibend, aber auch erklärend: Was bedeuten Demokratie und Meinungsfreiheit?
„Das Gesicht meiner zweiten Heimat“
Wie alle Bücher von Hassan Humeida ist auch dieses zweisprachig erschienen und lässt sich deutsch wie – von hinten nach vorn – in arabischer Sprache lesen oder vorlesen! Diese Zweisprachigkeit gehört zu seinem Buchkonzept, das zur interkulturellen Kommunikation und Verständigung beitragen soll.
Besonders spannend kann es werden, wenn verschiedene Erfahrungen und Eindrücke nach der Lektüre des Buches einen Austausch in Gang bringen: Das „Gesicht meiner zweiten Heimat“, wie es das Kind im Buch sehr positiv beschreibt – ist das ein Bild, das Kinder in Deutschland ähnlich sehen? Oder vielleicht ganz anders? Dort wo die Geschichte im Buch endet, fangen neue Fragen an …
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Und auch der Autor selbst ist offen für einen Austausch… Für das „Flüchtling-Magazin“ beantwortet er gern ein paar Fragen zu seinem Schreiben und Erzählen mit und für Kinder:
Herr Humeida, wenn Sie Kindern aus verschiedenen Ländern hier in Deutschland Ihre Geschichten vorlesen oder erzählen – welche Reaktionen erleben Sie bei den Kindern? Gibt es Fragen oder Bemerkungen zu Ihren Geschichten, an die Sie noch gute Erinnerungen haben, weil sie für Sie vielleicht besonders schön oder überraschend waren?
Es werden viele Fragen nach jeder Lesung gestellt und es finden kleine Unterhaltungen am Schluss auf Deutsch und Arabisch statt. Die Fragen und Reaktionen sind sehr unterschiedlich und interessant. Ich erinnere mich an Fragen wie z.B.: Was bedeuten Namen wie beispielsweise „Noon“? Sind Sie auch aus Ihrer Heimat geflüchtet? Haben Sie manchmal Heimweh? Wann schreiben Sie Ihre Geschichten? Wann haben Sie Arabisch gelernt?
„Wer weiß, was diese Kinder erlebt haben?“
Einige Kinder erkennen sich in den Geschichten wieder und finden, dass die Geschichten ihre eigene Situation beschreibt und wollen unbedingt gleich das Buch erwerben. Andere Kinder verfolgen die Erzählungen still und sorgfältig, zeigen aber keine Reaktion. Ich merke hier aber eine versteckte Neugierde und auch Entspannung bei solchen Kindern. Wer weiß, was diese Kinder erlebt haben? Vielleicht drücken die Kinder damit im Unterbewusstsein aus, dass sie einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich haben, und dass sie endlich in Sicherheit sind.
Ihr Schreiben ist geprägt von einer afrikanischen Erzähltradition. Was zeichnet diese Erzähltradition Ihrer Meinung nach besonders aus?
Meine Erzählungsweise ist geprägt von der afrikanischen Erzähltradition, da ich dort geboren und aufgewachsen bin. Die afrikanische Erzähltradition basiert im Grunde auf einer mündlichen Überlieferung von Fakten und Gegebenheiten. Das läuft in den meisten Fällen ohne lange Dialoge ab, und wenn überhaupt, sind die Gespräche kurz. Hier bestimmen meistens der Ort, die Räumlichkeit oder die Charaktere das Geschehen.
„Bildlich, tiefgehend, zeitunabhängig“
All das prägte mein sprachliches Verhalten und meinen erzählerischen Schreibstil früh aus. Ich kann sagen, dass die afrikanische Erzähltradition bildlich, tiefgehend, zeitunabhängig und teilweise sehr emotional ist. Sie baut auf Weisheiten und Wiederholungen auf. Manchmal ist es nicht klar, wie eine Geschichte zu Ende geht.
Wenn Sie speziell an das Erzählen für Kinder mit Fluchterfahrungen denken: Können Geschichten nach Ihrer Erfahrung helfen, mit dieser Lebenssituation besser zurecht zu kommen? Worauf kommt es dabei Ihrer Meinung nach besonders an?
Meine Geschichten sollen dazu dienen, den Kindern für ihre Umgebung, die Umwelt und den Reichtum der Natur zu sensibilisieren. Wie können Kinder Bedingungen optimal nutzen, um das Beste für sich und für ihre Mitmenschen zu erreichen? Einige Geschichten sollen helfen, um traumatische Erlebnisse von Kindern, die eine Flucht hinter sich haben, auf lange Hinsicht besser zu verarbeiten. Die Geschichten dienen letztendlich auch dazu, die deutschen Kinder in den Schulen auf die neuen Mitschüler vorzubereiten. Dadurch können sie den Hintergrund ihrer Flucht verstehen und auch warum sie überhaupt in Deutschland sind. Aus diesem Grund schreibe ich alle meine Bücher auf Arabisch und Deutsch.
„Aufzeigen, was Anteilnahme bedeutet“
Am Schluss kommt es meiner Meinung nach auf eine vernünftige Ausländerpolitik in Deutschland und Europa an. Die Umsetzung soll unabhängig von parteiischen politischen Interessen möglich sein. Vielleicht sind die Flüchtlinge von heute die Verantwortungsträger von morgen. Wir sollen die kommenden Generationen besser auf ihre Zukunft vorbereiten und aufzeigen, was Respekt, Toleranz, Zusammenhalt und auch Anteilnahme in einer Gesellschaft bedeuten.
Die deutsch-arabischen Kinderbücher von Hassan Humeida sind u.a. erschienen bei Bush Bear Publishing, bush-bear@outlook.com. Weitere Informationen, auch zu seinen anderen Veröffentlichungen, sind dort zu erfragen.
Das Interview mit Hassan Humeida führte Susanne Brandt