Die Zahl der syrischen Staatsangehörigen, die in Deutschland leben, ist seit 2011 stark angestiegen und hat im Jahr 2020 fast 800.000 Syrer erreicht. Damit sind sie, nach Türken und Polen, die drittgrößte Gruppe von Ausländern in Deutschland. Syrische Geflüchtete stehen vor mehreren großen Herausforderungen, von denen die wirtschaftliche Integration eine der wichtigsten ist – aber auch eine der schwierigsten. Dies gilt insbesondere in einem Land mit einer neuen Kultur, einer neuen Sprache und einem neuen politischen System.
Positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
Der Integrationsprozess der syrischen Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt hat sich gemessen an den Fluchtbedingungen überaus schnell und positiv entwickelt. So ergab eine bundesweite Befragung, dass im Jahr 2018 insgesamt 32% aller syrischen Geflüchteten, die zwischen Anfang 2013 und 2018 nach Deutschland geflohen waren, beschäftigt waren. Außerdem haben ca. 27% der jüngeren syrischen Geflüchteten in Deutschland an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen: Sie besuchten eine allgemeinbildende Schule, eine berufsbildende Einrichtung, eine Hochschule oder eine Universität.
Darüber hinaus arbeiteten 63% der erwerbstätigen syrischen Geflüchteten in Voll- oder Teilzeit. 19 Prozent befanden sich in einer bezahlten Ausbildung und 18 Prozent waren geringfügig beschäftigt. Bei der Erwerbstätigkeit klafft zwischen geflüchteten Männern und Frauen jedoch noch eine erhebliche Lücke: Zwischen drei und fünf Jahren nach dem Zuzug nach Deutschland waren 48 Prozent der Männer und nur 14 Prozent der Frauen erwerbstätig. Diese Diskrepanz könnte mit der Familien- und Kinderkonstellation sowie mit der Betreuungssituation von (Klein-)Kindern zusammenhängen. Gerade Frauen mit kleinen Kindern sind nur in sehr geringem Umfang erwerbstätig. Die Lücke zwischen Frauen und Männern nimmt allerdings mit zunehmender Aufenthaltsdauer etwas ab.
Berufsstellung
Die Mehrheit der syrischen Geflüchteten arbeitete in (mittel-)qualifizierten Berufen. Hierzu gehören Berufe wie Fachangestellte, Verwaltungsberufe, Verkäufer und Pflegekräfte. Nach der deutschen Klassifikation für den Beruf waren 30 % der syrischen Geflüchtete in un- oder angelernten Tätigkeiten (Helfer), 61 % in spezialisierten Tätigkeiten (Fachkräfte), 3 % in komplexen spezialisierten Tätigkeiten (Spezialisten) und 6 % in hochkomplexen Tätigkeiten (Experten) tätig.
Verdienst
Der Verdienst von syrischen Geflüchteten war beim Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt im Durchschnitt eher niedrig. Man kann jedoch beobachten, dass der Verdienst im Laufe der Zeit anstieg: Im ersten Jahr in Deutschland betrug der durchschnittliche monatliche Bruttolohn für alle erwerbstätigen syrischen Geflüchtete ca. 800 Euro. Nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland stieg der durchschnittliche Monatslohn auf ca. 1300 Euro an.
Bei den vollzeitbeschäftigten syrischen Geflüchteten erreichte der durchschnittliche monatliche Bruttolohn nach 5 Jahren in Deutschland 2.150 Euro. Der deutlich stärkere Lohnzuwachs für alle erwerbstätigen Geflüchteten hing auch damit zusammen, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten, geringfügig Beschäftigten und Auszubildenden im Laufe der Zeit abgenommen hat.
Corona zieht die Bremsen an
Aus diesen Daten kann man sehen, dass die Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland noch nicht optimal ist. Jedoch verfügt die Gruppe der syrischen Geflüchteten in Zukunft über großes Potential. Denn ein sehr großer Teil dieser Gruppe ist unter 35 Jahren alt und fast die Hälfte der syrischen Geflüchteten haben mindestens einen Realschulabschluss. Außerdem bewerten über 50% der syrischen Geflüchteten ihre Deutschkenntnisse inzwischen als gut oder sehr gut. Der Integrationszug hat also an Fahrt aufgenommen. Die Corona-Pandemie hat diese positive Entwicklung jedoch gestoppt bzw. deutlich verlangsamt.
Die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland im März 2020 und die Maßnahmen wie Lockdowns und Einschränkungen des freien Verkehrs und der Kontakte haben massive und negative Auswirkungen auf den Integrationsprozess der Geflüchteten in Deutschland. Auch wenn die Lockdowns nur zeitweilig sind, wird der Kampf gegen das Corona-Virus das Land noch auf absehbare Zeit beschäftigen.
Folgen für die Zukunft
Man muss davon ausgehen, dass diese Maßnahmen mittel- und langfristige Folgen haben werden. Diese werden alle Teile der Gesellschaft und insbesondere die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft betreffen. Zudem könnte eine Wirtschaftskrise – ausgelöst durch die Corona-Pandemie – auch in dieser frühen Phase der wirtschaftlichen Integration von Geflüchteten dramatische Folgen haben. Das gilt zum einen für diejenigen, die sich noch in der Vorbereitungszeit (Integrations- oder Sprachkurse) befinden. Und zum anderen auch für diejenigen, die den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt bereits geschafft haben, aber noch am Anfang ihrer Karriere stehen und sich in eher unsicheren Arbeitsverhältnissen befinden.
Aktueller Stand
Nach den monatlichen Berichten des Zuwanderungsmonitors des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht die Beschäftigungsquote von Personen aus Kriegs- und Krisenländern im Durchschnitt des Jahres 2020 bislang zurück. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosenquote an: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im August 2020 rund 160.000 syrische Geflüchtete arbeitslos gemeldet. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf diese Gruppe werden noch deutlicher, wenn man die Zahl der arbeitslosen syrischen Geflüchtete im Jahr 2020 mit dem Jahr 2019 vergleicht. Hier ist die Zahl der arbeitslosen syrischen Geflüchtete im Juni 2020 im Vergleich zum Juni 2019 um fast 30% gestiegen.
Der Integrationsprozess ist im Moment noch in einem unsicherem Anfangsstadium. Daher gibt es noch viel Arbeit für die Gruppe der syrischen Geflüchtete und für die deutschen Behörden. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, die erreichten Integrationserfolge zu schützen. Und man muss versuchen, die Chancen aus der Krise zu nutzen, indem man das Potenzial von jungen, gut ausgebildeten und motivierten syrischen Geflüchteten ausschöpft.