Über Campus Asyl, ein großes und kulturübergreifendes Projekt der Universität Regensburg, wurde ich im November 2017 auf den Arabischkurs aufmerksam. Zu dieser Zeit hatte ich überwiegend Kontakt mit Afghanen. Eigentlich wäre es sinnvoller gewesen, Farsi bzw. Persisch zu lernen, was – wie man mir sagte – auch leichter sein sollte. Die Sprache des Korans ist „Hocharabisch“ (fuṣḥā) und verbindet alle Muslime. Was ich nicht wusste: Viele Muslime benötigen Übersetzungsprogramme für den Koran oder müssen die Sprache ebenfalls erst lernen. Die Buchstaben sind in Farsi und Arabisch zumindest fast gleich.
Arabisch als Herausforderung
Das Schwierige an der arabischen Sprache ist, dass man sie mit keiner anderen Sprache vergleichen kann. Geschrieben wird von rechts nach links. Es gibt keine geschriebenen Selbstlaute bzw. die drei existierenden Selbstlaute „a“, „i“ und „u“ werden mit den sogenannten „Harakats“ (Hilfszeichen „a = fathạ“, „i = kasra“, „u = ḍamma“) auf den Konsonanten gekennzeichnet. Wobei es dabei ebenso noch Unterscheidungen gibt, ob es sich um einen kurz oder lang gesprochenen Selbstlaut handelt. Gerade lernen wir noch mit den „Harakats“ zu schreiben und zu lesen. Diese werden irgendwann ganz weggelassen und wir sollten dann beide Versionen lesen, sowie verstehen, können. Die Buchstaben und so manches Schriftbild werden mir immer vertrauter. Wenn ich in der Unterrichtsstunde aufgerufen werde, presse ich auch nicht mehr ganz so verkrampft wie anfangs die arabische Sprache aus mir heraus. Auch half mir die arabische Musik, die Schönheit dieser Sprache zu entdecken. Ich liebe diesen blumigen Ausdruck in der arabischen Sprache. So erhält man bei wortwörtlicher Übersetzung auf einen Morgengruß „Gut sei dein Morgen“ als Antwort ein „Hell sei dein Morgen“!
Muءallimati – meine Lehrerin
Majdoulien ist ausgebildete Lehrerin für Hocharabisch, 48 Jahre alt und kam alleine zu Fuß mit ihren beiden Töchtern von Syrien nach Deutschland. Wir sind aktuell zu acht im Kurs und kommen aus den unterschiedlichsten Berufen und Altersstufen. Fast alle sind in der Flüchtlingsarbeit aktiv, entweder beruflich oder ehrenamtlich. Dieser Kurs hat uns irgendwie zusammengeschweißt. Wir haben miterlebt, als Majdoulien im Frühjahr 2018 um ihre Familie in Guta bangte. In dieser Zeit pausierten wir für einige Wochen mit dem Kurs und unser Mitgefühl, unsere Betroffenheit und unsere Hilflosigkeit war groß. Majdoulien bringt uns die Sprache mit verschiedenen Methoden bei. Die Buchstaben des arabischen Alphabets hat sie uns mit einer Geschichte erzählt. Wir lesen und wiederholen immer wieder. Ja, manchmal lesen wir sogar fünfmal den gleichen Satz. Majdoulien hilft uns durchzuhalten, gibt uns immer wieder neue Anregungen, erhält uns somit die Freude und Motivation, nicht aufzugeben. Zu Hause lernen wir zu wenig. Fast alle Kursteilnehmer*innen sind berufstätig. Es fehlt oft die Zeit oder manchmal ist es einfach auch nur die „Arabischblockade“. Man sollte lernen, schiebt und schiebt und plötzlich ist der Kursabend da und man stottert wieder nur herum. Danke, Majdoulien, für Deine Geduld!
Kulturaustausch als Bereicherung
Wir stellen uns gegenseitig Fragen, tauschen uns über christliche und muslimische Feste und Gebräuche aus und lernen uns und die andere Kultur immer mehr kennen. Wir helfen einander und es ist wirklich ein schöner, spannender und gegenseitig bereichernder Austausch. Majdoulien hat mir geholfen zu einer Hochzeit eine syrische Vorspeise, „Baba Ghanoudsch“, vorzubereiten. Dieses Gericht habe ich ins tiefste Oberpfälzer Land (Bayern) mitgenommen und dort frisch angerichtet. „Das Essen muss aussehen wie ein Garten“ sagte Majdoulien. Meine niederbayerische Schwiegermutter pflegte zu sagen „das Essen muss lachen, wenn es zum Gast geht“. Mit deutschen und arabischen Titel beschriftet, die Zutaten (Auberginen, Tomaten, Granantapfel, Walnüsse, Zwiebeln, Paprika, Knoblauch, Petersilie) aufgelistet, stand der orientalische Salat einladend auf dem Tisch. Einige Hochzeitsgäste waren so begeistert, dass ich mit Majdouliens Hilfe im Nachhinein die Zutatenangaben zu einem Rezept zusammenfasste, das immer noch weitergereicht wird. Gemeinsam eine kulinarische Brücke von Syrien in das Oberpfälzer Land gebaut zu haben, das freut mich.
Mich bereichert der Kontakt und der Umgang mit den geflüchteten Menschen sehr. Ich als Deutsche neige dazu, „mit der Tür ins Haus zu fallen“, ein Thema sofort anzusprechen und meist auch schon Lösungen oder Vorgehensweisen parat zu haben. Bei den mir bekannten Afghanen und Syrern habe ich die Erfahrung gemacht, dass erstmal zusammen gegessen oder Tee getrunken, nach dem eigenen Wohlbefinden und der Familie gefragt wird. Erst viel später kommt das eigentliche Anliegen zur Sprache. Es braucht Zeit für solche Treffen. Die Gastfreundschaft ist groß und der Gast will gerne länger behalten werden.
Gegenseitige Unterstützung wird fortgesetzt
Der Zusammenhalt, den ich bei den afghanischen jungen Männern kennengelernt habe, hat mich sehr beeindruckt. Den ersten persönlichen Kontakt mit Flüchtlingen hatte ich im Frühjahr 2016. Über einen befreundeten Betreuer kam der Kontakt zustande: Ein paar junge Afghanen aus einer betreuten Jugendeinrichtung, 30km von mir entfernt, abseits von jeglicher Busverbindung, „am Ende der Welt“, wie sie mir sagten, halfen mir, in meinem Haus ein paar Möbel zu verrücken. Zum Dank besuchte ich sie zum Ramadan-Ende mit einem selbstgebackenen Kuchen. Nach einigen Besuchen kannte ich bald die ganze dort lebende Gruppe. Ein gegenseitiger persönlicher und digitaler Austausch erfolgte. Wir unternahmen Ausflüge, sie luden mich zu ihren Festen ein und zeigten mir ihre Tänze und Lieder. Umgekehrt erfuhr ich auch Fürsorge und Hilfsbereitschaft von ihnen und sie sind höflich und zuvorkommend mir gegenüber. Mittlerweile ist die Gruppe verteilt auf andere Unterkünfte. Aber der Kontakt und die gegenseitige Unterstützung bestehen bis heute. Ihr Angebot, wenn ich einmal Hilfe brauche, ist verbindlich und bereits mehrfach getestet!