Man hört Kinder lachen, Menschen, die sich auf den unterschiedlichsten Sprachen unterhalten, dazu laute Musik aus den aktuellen Charts zu denen getanzt wird, gespielt von einem DJ auf der Bühne direkt am Eingang des Hinterhofes der Wohnunterkunft in der Eiffestraße 48 in Hamburg Hamm. Der Geruch von Gegrillten liegt in der Luft, es ist ein klein wenig schwül, Schweiß fließt, aber die Sonne scheint und es gibt nur ein paar vereinzelte Wolken am Himmel.
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Es ist Dienstag, der 6. August, kurz vor 13 Uhr, in wenigen Minuten beginnt das Sommerfest von Fördern und Wohnen. Die Stimmung ist ausgelassen, die Bewohner freuen sich auf ein friedliches Zusammensein, auf leckeres Essen, auf gute Musik und auf entspannte Unterhaltungen.
Die Gründung von Fördern und Wohnen
Anlass dieser Veranstaltung ist das 400-jährige Jubiläum von Fördern und Wohnen. Fördern und Wohnen wurde vor zwölf Jahren gegründet, die Geschichte dieses Unternehmens reicht jedoch viel weiter in die Vergangenheit zurück. 1619 entstand am Alstertor das das Werk -und Zuchthaus als erste städtische Fürsorge-Institution. Dort waren jedoch Zwangsarbeit, harte Strafen für Fehlverhalten und Strafvollzug an der Tagesordnung, denn Läuterung durch Arbeit war im 17. Jahrhundert eine gängige Methode.
Doch im Laufe der Zeit hat sich die Situation drastisch geändert. Heute geht es bei Fördern und Wohnen vor allem darum, den Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ihnen Teilhabe zu ermöglichen, sie zu ermutigen und selbstverständlich auch, sie kompetent zu beraten.
Diese Herangehensweise ist verhältnismäßig jung, denn erst zu Beginn der 1960er Jahre kam die Idee auf, dass hilfebedürftige Menschen ein Recht auf staatliche Fürsorge haben, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Weitere 20 Jahre hat es gedauert, bis sich dieser Ansatz durchgesetzt hat.
Die Unterkunft in der Eiffestraße 48
Die Unterkunft in der Eiffestraße existiert seit drei Jahren, im März 2016 fand die Eröffnung statt. Insgesamt bietet sie Platz für 302 Bedürftige, derzeit sind alle Plätze belegt, die Einrichtung ist voll ausgelastet. Von den 302 Menschen, die hier wohnen, sind 110 Kinder und Minderjährige. An die 25 Nationen sind vertreten, darunter viele Syrer, Afghanen und Eritreer.
Die einzelnen Wohnungen sind klein, es gibt eine provisorische Küche, das Gemeinschaftsbad befindet sich auf dem Flur. 590 Euro kostet eine solche Bleibe pro Person, sie wird überwiegend durch die Grundsicherung vom Jobcenter finanziert, nur einige wenige Bewohner arbeiten und kommen selber für die Kosten auf.
Im Gespräch mit Mohamad
„Ich bin seit insgesamt vier Jahren in Deutschland und wohne seit 2,5 Jahren hier in der Eiffestraße“, beginnt Mohamad zu erzählen, während er auf einer der Holzbänke im Innenhof sitzt und an seiner Tasse Kaffee nippt.
„Ich habe palästinensische Wurzeln, komme aber aus Syrien, aus Aleppo. In Syrien war ich Beamter, jetzt mache ich hier in Deutschland einen Vorbereitungskurs und meinen Führerschein, ich möchte gerne Busfahrer werden. Zurzeit werden wir durch das Jobcenter finanziert, das ist nicht viel, aber es reicht aus. Ich bin froh, mittlerweile hier in der Unterkunft zu leben. Unsere Wohnung ist nicht gerade groß, aber es ist viel, viel besser als die Erstaufnahmeeinrichtung. Wir kommen zurecht.“
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Der 30-Jährige hält kurz inne, streicht seiner Tochter, die links neben ihm sitzt, über den Kopf, dann fährt er fort:
„Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder, das hier ist meine Tochter, sie ist sechs Jahre alt und geht in die Vorschule. Ihr älterer Bruder ist acht und besucht die dritte Klasse einer Grundschule. Meine Familie ist das Wichtigste für mich, ich bin froh, dass meine Kinder hier in Deutschland aufwachsen können, in Frieden, und nicht in Syrien, wo Krieg und Zerstörung herrscht. Das Leben in Syrien ist gefährlich, man ist nirgendwo sicher. Deswegen bin ich sehr, sehr dankbar, jetzt in Deutschland, in Hamburg zu sein. Hier muss ich keine Angst haben, vor allem nicht um meine Kinder.“
Inzwischen hat sich Farid auf die Bank gegenüber gesetzt, ebenfalls mit einer Tasse Kaffee und etwas zu essen, es gibt verschiedene Salate, gegrilltes Fleisch, selbstverständlich halal, dazu Brot.
Farid erzählt seine Geschichte
„Ich komme aus Afghanistan, aus der Stadt Masar-e Scharif, sie ist die viertgrößte Stadt in Afghanistan. Ich habe allerdings die letzten 21 Jahre im Iran gelebt. Eigentlich bin ich gelernter Schneider, habe aber im Lager gearbeitet, das war harte, körperliche Arbeit und trotzdem hat das Geld kaum gereicht, um meine Familie zu ernähren. Ich bin ebenfalls verheiratet, habe drei kleine Kinder. Und auch bin sehr froh und vor allem sehr dankbar, jetzt mit meiner Familie hier in Deutschland zu leben. In Hamburg habe ich ehrenamtlich als Fußballcoach gearbeitet, habe zwei Mannschaften trainiert. Doch mein Herz macht mir schon seit längerem Probleme, deswegen bin ich momentan arbeitsunfähig. Ich hoffe, dass sich das bald ändert, dass ich bald einen richtigen, bezahlten Job anfangen kann, um meine Familie zu ernähren.“
Auftritt der Bangoura Group
Im Hinterhof ist es voller geworden, die Bangoura Group hat die Bühne betreten. Verschiedene, typisch afrikanische Instrumente sind zu sehen, unter anderem die Djembré, eine westafrikanische Blechtrommel, ein Balafon, also ein Xylophon, und die Kora, eine Stegharfe, die mit beiden Händen gezupft wird.
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Die drei Musiker aus Westafrika haben traditionelle, afrikanische Gewänder an, bunt und farbenfroh, der Anblick muntert auf, macht gute Laune.
„Wir spielen sowohl eigene als auch traditionelle Kompositionen aus den Ländern Burkina Faso, Guinea, Senegal, Jamaika und Brasilien. Wir bringen eine Mischung aus Soulgesang, Gitarre und eben den typisch, afrikanischen Instrumenten auf die Bühne“, erläutert Stephanie Bangoura, Gründerin der Bangoura Group sowie des Vereins Tanz der Kulturen. Ihr Verein ist ein Verbund von TänzerInnen, MusikerInnen und PädagogenInnen. Ziel ist es, Menschen mit unterschiedlichen sozialen sowie kulturellen Hintergrund Musik und Tanz zugänglich werden zu lassen.
„Unsere Intention ist es, bei unseren Live-Performances das Publikum zum Mitmachen zu animieren. Wir sind international aufgestellt, wir wissen, wie es ist, mit Vorurteilen und Ausgrenzung zu kämpfen. Wir wollen durch unsere Musik einen Teil zur Integration und zur Inklusion leisten. Kultur macht stark und es geht uns um den Dialog“, ergänzt Stephanie Bangoura.

Und der Auftritt der Bangoura Group auf dem Sommerfest ist ein voller Erfolg, vor allem die Kinder haben Spaß, tanzen ausgelassen, singen mit, klatschen in die Hände, vergessen für einen Moment ihre Probleme und Sorgen.
„Ich liebe Musik und ich liebe es, zu Tanzen“, sagt ein kleines Mädchen, sie mag vielleicht sechs, sieben Jahre alt sein und hat sich beim Kinderschminken im hinteren Teil des Hofes in eine kleine Katze verwandelt. „Beim Tanzen fühle ich mich frei, lasse mich von der Musik treiben, bewege mich und höre auf, nachzudenken.“
Insgesamt wurde das Sommerfest über den Tag verteilt von an die 400 Teilnehmern besucht. Es war eine sehr friedliche, harmonische Veranstaltung.
Die Bewohner in der Eiffestraße 48 haben vielleicht nicht viel Geld, aber sie halten zusammen, sind füreinander da, helfen sich gegenseitig, unterstützen sich. Und das ist doch das Wichtigste.