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RefugeeLife Crisis – Wann bin ich erfolgreich?

Erfolg ist die persönliche Bestätigung im Leben voran zu kommen. Doch was passiert, wenn wir unsere selbst gesteckten Ziele nicht erreichen? Hussam Al Zaher beschreibt uns seine Erfahrungen und gibt uns einen Einblick wovon Erfolg und Misserfolg vieler Flüchtlinge abhängt.

RefugeeLife Crisis - Wann bin ich erfolgreich?

Ein neuer Anfang, ein neuer Plan

Als die Stürme des Krieges mein Land Syrien trafen, und nachdem das Resettlement-Programm begonnen hatte war ich noch Studierender und habe 2014 meinen Bachelor abgeschlossen. Ich sollte mein Land sofort in die Türkei verlassen und dort in einer Fabrik arbeiten, bis ich 2015 nach Deutschland kommen sollte. Durch etwas Glück und mit Hilfe der WillkommensKultur und meiner deutschen Freunde gründete ich das kohero Magazin (damals noch Flüchtling-magazin). Das ging sehr schnell und meine Kollegin Julia hat mich oft gefragt, ob ich damit Erfolg hätte. Damals habe ich gesagt, nein, ich hätte erst Erfolg, wenn ich mit dem Magazin Geld verdienen würde, da ich damals noch Hartz 4 bezog.

Erfolg misst sich an den Zielen

Nach 2 Jahren Arbeit im Magazin konnte ich endlich Geld mit der Zeitschrift verdienen. Julia fragte mich wieder, ob ich damit erfolgreich wäre. Ich sage, nein noch nicht, weil meine Sprache noch nicht gut sei. Ich bin erst wirklich erfolgreich, wenn ich die deutsche Sprache beherrsche. (Obwohl ich nicht glaube, dass ich die Sprache eines Tages beherrschen kann). In dieser Zeit habe ich mir angeschaut, was andere Syrer gemacht haben, wie sie Deutsch wie ihre Muttersprache sprechen können, manchmal mit Akzent. Und dann frage ich mich immer, warum können sie erfolgreich sein und ich nicht? Wegen der Arbeit im Magazin hatte ich keine Zeit, einen Kurs zu besuchen. Dieses schlechte Gefühl, dass ich noch keinen Erfolg hatte, begleitet mich und dieses Gefühl haben viele andere Syrer auch.

Irgendwann habe ich von der Quarter-Life-Crisis gelesen, das heißt auf Deutsch „Viertelleben-Krise“. Diese bekommen viele jungen Leute im Alter von 20 bis 25 Jahren, wenn sie ihr Studium beendet haben, Arbeit suchen oder einen Job finden, der nicht zu ihnen passt. Eine Zeit zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Universität und Arbeit und vielleicht auch der alten Familie (Eltern und Geschwister) und der neuen Familie (Partner und vielleicht Kinder). In dieser Krise werden viele Fragen gestellt und es wird viel Druck auf einen ausgeübt. Man selbst sucht den persönlichen Erfolg in dieser Zeit, aber man hat keine Geduld mit ihm.

Soziale Medien verfälschen die Erwartungshaltung

Auf jeden Fall verstärken die sozialen Medien diese Krise, weil man sein Leben mit dem der Influencer vergleicht. Man sieht nur den Erfolg dieser Menschen, aber man weiß nicht, was sie dafür getan und was sie dafür bezahlt haben. Wie haben sie es geschafft? Welches Glück oder welche Kontakte hatten sie, um diesen Erfolg zu erreichen. Das setzt junge Menschen unter Druck, die auch erfolgreich sein wollen, aber sie wissen nicht worin. Das Gleiche ist mir auch passiert. Wie ich euch im letzten Artikel erzählt habe, haben die Syrer*innen die sozialen Medien entdeckt, um sich miteinander zu vernetzen und Zugehörigkeit zu schaffen. Ich habe mit vielen Syrer*innen, von denen ich die Realität nicht kenne, Freundschaft über die Sozialen Medien geschlossen. Ich kenne viele Syrer*innen, die wie ich Flüchtlinge sind und die Sprache beherrschen.

Durch die sozialen Medien wird dieses schlechte Gefühl ausgelöst und setzt mich unter Druck, und ich kann nichts dagegen tun. Obwohl ich weiß, dass die sozialen Medien nicht das ganze Bild der Menschen zeigen. Ich kann nicht das ganze Bild ihres Lebens kennen, und vielleicht bedeutet ihnen dieser Erfolg auch nichts, oder ihre Ziele sind anders als das, was sie erreicht haben, und sie sind auch nicht zufrieden damit. Ich schäme mich, wenn ich in den sozialen Medien wieder einen Syrer treffe, der die Sprache erfolgreich gelernt hat.

RefugeeLife Crisis – eine Lebenskrise

Genau das, was mir passiert, passiert vielen Flüchtlingen. Man sollte es vielleicht nicht Quarterlife Crisis nennen, sondern RefugeeLife Crisis. Dieser Begriff beschreibt, was passieren kann, wenn Geflüchtete, egal wie alt sie sind, ein neues Leben und eine neue Zukunft mit einer neuen Sprache, neuen Kultur und neuem System beginnen sollen. Ein paar werden sich schnell in das System integrieren, andere brauchen mehr Zeit, und wieder andere schaffen es einfach nicht.

Aber weil viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, sollten sie sich trotzdem in das Kapitalsystem integrieren und sie sollten arbeiten und einen Job finden. Egal was, es ist wichtig, dass du den Job findest. Auch, wenn es sehr schwierig ist, seine Zertifikate anerkannt zu bekommen, dann sollte man einfach einen Platz in einer Berufsschule finden. Wenn man Arzt ist, dann kann man als Pflegekraft arbeiten. Und wenn man ein Koch ist, dann kann man trotzdem als Reinigungskraft arbeiten. Es gibt viele Leute, die ein großes Netzwerk aufgebaut haben und sie haben es in kurzer Zeit geschafft, durch die Willkommenskultur. Und es gibt auch viele, die es nicht geschafft haben, wegen der Rassismusstruktur.

Die Integration bedingt den Erfolg

Der Unterschied zwischen Quarterlife Crisis und RefugeeLife Crisis ist, dass die jungen Leute eine Familie haben und ein großes Netzwerk aus Freunden und Bekannten. Sie können auch mal ein Jahr wegfahren und sich selbst finden. Aber das Schicksal der Flüchtlinge liegt nicht in ihrer Hand, sondern hängt von der Integration ab und davon, ob sie Ehrenamtliche finden und ihnen alles erzählen und sie sich dadurch die Wege zum Erfolg aufbauen können.

Die einzige Aufgabe, die jeder Flüchtling schaffen sollte ist die Sprache beherrschen zu können. Viele haben das geschafft, und viele sind auf dem Weg dorthin, und andere werden es nicht schaffen können, weil sie im neuen Land nur wohnen und in ihrem alten Land leben. Weil sie nicht wissen, wie und wo sie anfangen sollen und weil sie keine Lust und Motivation haben nochmal neu anzufangen.

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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