Frage
Mein Name ist Rudi (Prodi) Mansour. Ich bin 23 Jahre alt, geboren in Syrien, Alkahtanya am 01.01.1994.
Seit 2014 lebe ich in Deutschland. Ich floh damals ohne meine Familie aus meiner Heimat, weil mir der Wehrdienst, also der Einzug in den Krieg, drohte.
Flucht
Auf einem dreitägigen Fußmarsch floh ich von Syrien in die Türkei. Dort hielt ich mich nur ein paar Stunden auf und erreichte knapp vier Stunden später Bulgarien. Man nahm mir polizeilich meine Fingerabdrücke ab und steckte mich wie unter Arrest in ein Flüchtlingscamp, unter unmenschlichen Verhältnissen.
Es gab kein Essen, kein Geld, schlechte Hygiene und nur sehr beengte Wohnmöglichkeiten. Arbeiten durfte ich nicht. Dort blieb ich sieben Monate lang, dank der knappen finanziellen Unterstützung meines Onkels aus Syrien.
Dann fand ich gegen Bezahlung eine Möglichkeit mit anderen Flüchtlingen per Autotransport über Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland zu gelangen.
In München wurde ich von der Polizei angehalten. Es wurden mir erst mal sämtliche Ausweispapiere abgenommen und man schickte mich zwangsweise in ein naheliegendes Camp. Unter dem sehr rauen polizeilichen Ton und Handeln gingen mir dann leider die Nerven durch. Ich bekam große Angst und Sehnsucht nach einem vertrauten Menschen.
So ging ich nicht ins Camp, sondern für 25 Tage zu meinem Cousin nach Leer in Ostfriesland.
Ankunft in Hamburg
Danach gab es einen Aufenthalt in Bielefeld zur ersten Kontaktaufnahme für den Antrag auf Asyl. Und von dort einen offiziellen Transfer nach Hamburg.
Es folgten Aufenthalte in Alsterdorf (sechs Wochen im Camp), elf Monate im Camp Stellingen Arena und acht Monate in Wilhelmsburg. Dort bekam ich neue Ausweispapiere und einen gültigen Ausweis, mit dem ich hätte arbeiten können.
Am 13.07.2015 gab es dann leider einen Großbrand im Containerdorf.
Mehrere Container (darunter auch meiner) verbrannten samt Hab und Gut und Papieren- auch meine Ausweispapiere wurden vernichtet.
Die Ausländerbehörde verweigerte mir neue Ausweispapiere auszustellen. Stattdessen musste ich ab diesem Zeitpunkt alle vier Wochen, später dann drei Monate, eine neue Duldung beantragen.
Meine derzeitige Duldung mit Androhung zur Abschiebung nach Bulgarien wurde nur noch für 15 Tage ausgesprochen und endete am 02.06.17.
Ich befinde mich derzeit in einem Krankenhaus in Hamburg und brauche therapeutische und psychologische Behandlung. Die Strapazen der letzten Jahre und natürlich auch die Sehnsucht nach meiner Familie, die ich vier Jahre nicht mehr sah, so wie das Wissen darüber, dass eine derzeitige Rückkehr in meine Heimat den sicheren Tod bedeuten würde, haben mir zugesetzt. Mein körperlicher und seelischer Zustand ist sehr angegriffen.
Eine Reise bzw. Ausweisung wäre undenkbar. Können Sie mir helfen? Ich bitte dringend um ihren Beistand .
Antwort
Lieber Rudy,
zunächst hast du grundsätzlich Anspruch auf Ausstellung neuer Aufenthaltspapiere. Leider ist mir nicht bekannt, ob du eine Anerkennung als Flüchtling hattest oder subsidiären Schutz. Solltest du dich noch im Asylverfahren befinden, hättest du eine Aufenthaltsgestattung bis dein Verfahren beim BAMF abgeschlossen ist.
Da dir die Ausländerbehörde sagte, du solltest alle 4 Wochen einen Antrag auf Duldung stellen, befindest du dich wahrscheinlich nicht (mehr) im Asylverfahren. Oder du hast irgendwann einmal einen negativen Bescheid vom BAMF erhalten. Gegen einen negativen Bescheid gibt es die Möglichkeit, Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Die Fristen sind aber sehr sehr kurz.
Dublin-Fall
Da du deine Fingerabdrücke in Bulgarien offiziell abgegeben hast, bist du ein sogenannter “Dublin-Fall”. Das heißt, dass dein Asylverfahren in dem Land durchgeführt werden muss, innerhalb der EU, das du zuerst betreten hast (als Nachweis gelten deine Fingerabdrücke, die jetzt in der EURODAC Datei sind): und das war bei dir leider Bulgarien. Das BAMF prüft dann, ob du nach Bulgarien abgeschoben wirst. Und das scheint bei dir positiv ausgefallen zu sein.
Mitteilung an BAMF und Ausländerbehörde
Aber keine Angst! Als erstes musst du dem BAMF und der Ausländerbehörde hier in Hamburg unbedingt mitteilen, dass du im Krankenhaus bist und dort wegen deiner psychischen Verfassung behandelt wirst. Du kannst in einer eidesstattlichen Versicherung mitteilen, was dir alles in Bulgarien passiert ist. Oder du reichst Atteste und Gutachten deiner Ärzte ein. Anfang April 2017 hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dass eine Abschiebung nach Bulgarien wegen dortiger unmenschlicher und existenzbedrohender Behandlung verboten ist ( AZ 15B2468/17). Dieses Abschiebeverbot ist unanfechtbar und zeitlich unbefristet.
Zur Zeit werden auch keine Zugehörige zu besonders verletzlichen Gruppen (Traumatisierte, psychisch Erkrankte etc.) nach Bulgarien abgeschoben. Ich würde dir empfehlen, Atteste/Gutachten deiner Ärzte, dem BAMF und der Ausländerbehörde zu übergeben und dir einen guten Anwalt im Asylrecht zu nehmen.
Viel Erfolg und vor allem gute Besserung für dich!