Hallo Hussam,
ich habe deinen Artikel gelesen, den du zum Niqab geschrieben hast . Du zählst sieben Argumente auf, warum ein Verbot des Niqab nicht die Lösung sein kann. Ich finde, ein wichtiges hast du vergessen: Durch ein Verbot bringt man diejenigen in Schwierigkeiten, die man eigentlich schützen will. Gegen den Niqab wird in der Politik damit argumentiert, dass er für die Unterdrückung von Frauen steht. Man will Frauen also davor bewahren, dass sie z.B. von der Familie zur Vollverschleierung gezwungen werden. Damit bringt man sie aber in die Situation, dass sie im Zweifel Druck von zwei Seiten bekommen: vom Staat und von der Familie. Frauen zur Freiheit zu verhelfen, indem man ihnen etwas verbietet, ist unlogisch – und falsch verstandener Feminismus. Emanzipation durch Zwang wird nicht funktionieren. Wenn man Frauen wirklich unterstützen wollte, müsste man sich andere (sicher komplexere) Wege überlegen.
Kleidung ist niemals neutral
Im übrigen: Einer unserer Leser hat auf facebook kommentiert: “Knappe Bekleidung für Frauen ist auch Ausdruck eines auf die Bedürfnisse von Männern ausgerichteten Konsumkapitalismus, und niemand glaubt wohl, das durch ein Verbot ändern zu können.” Ich finde, er hat völlig Recht. Kleidung ist niemals neutral. Und überall auf der Welt ist sie leider Ausdruck patriarchaler Strukturen – ob nun von einem verlangt wird, in kurzen Shorts oder vollverschleiert herumzulaufen. Das macht die Debatte so heuchlerisch.
Ach ja, ein weiteres Argument ist auch noch wichtig: Mit der Diskussion um den Niqab wird ein tatsächlicher, produktiver Diskurs über den Islam und mit Muslimen überdeckt und verhindert. Es ist einfach, über ein Verschleierungsverbot zu sprechen, weil sich schnell alle einig sind. Man weiß aber, dass der Niqab in Deutschland eine Randerscheinung ist (genaue Zahlen kennt niemand, wie die ZEIT berichtet). Worüber man eigentlich diskutieren müsste ist, wie Menschen unterschiedlicher oder gar keiner Religion gut zusammenleben können.
So, nun sind es sogar drei weitere Argumente geworden. Wären wir bei zehn Punkten angelangt. Was denkst du, wie wird es mit der Diskussion in Hamburg weitergehen?
Hallo Anna,
was ich weiter dazu sagen kann : Du hast einfach sehr wichtige Punkt genannt. Einerseits bin ich überrascht von deiner Meinung, weil wir (als Migrant*innen) nicht oft eine solche Meinung von deutscher und feministischer Seite im öffentlichen Diskus hören. Andererseits kann ich die Überlegungen aber auch sehr gut verstehen.
Brauchen wir eine „4-Generationen-von-Frauen-Bewegung“?
Ich bin kein Experte für Fragen der feministischen Bewegung. Ich glaube, dass es Meinungsverschiedenheiten zu diesem Thema gibt zwischen Frauen, die in den 1970er Jahren oder früher geboren sind und den jungen Frauen. Der Streit um Weiblichkeit und Kopftuch oder Niqab hat viele unterschiedliche Gründe. Aber wichtig ist, dass viele muslimische Frauen mit Kopftuch dabei sind. Und die kämpfen nicht nur als Frauen, sondern auch als muslimische Frauen mit oder auch gegen Kopftuch oder Niqab. Ich glaube, dass dieser Weg, gerade auch mit jungen Feministinnen, mehr Toleranz und Offenheit für die Freiheit von Frauen bedeuten könnte.
Ob diese Bewegung eine „4-Generation-von-Frauen-Bewegung“ sein könnte oder nicht? Das werden wir in der baldigen Zukunft sehen. Mit dieser Bewegung könnten sich die Vorurteile gegen die muslimischen Frauen verändern. Und dann verändern sich die Gedanken von den Politiker*innen zu diesem Thema. So können sie verstehen, dass Vorbote hier keine Lösung sind, sondern eher mehr Probleme entstehen lassen.
Mehr mit Frauen diskutieren, die Kopftuch oder Niqab tragen
Dazu gehört, dass mehr gemeinsam diskutiert wird mir Frauen, die Kopftuch oder Niqab tragen. Und dass dass genauer betrachtet wird, ob sie Hijab tragen möchten oder müssen. Ich hoffe, dass die Politiker auch auf den deutschen Islam hören und die Veränderungen zwischen dem Islam in Europa und Deutschland und dem Islam in Iran oder Saudi Arabian wahrnehmen.
Hallo Hussam,
ich denke, der Feminismus ist heute ein anderer als früher. Und wir müssen unbedingt muslimische Frauen und Migrant*innen in Deutschland einbeziehen. Deshalb werden wir uns ja auch bei im Flüchtling-Magazin in diesem Sommer in einer Printausgabe mit dem “Feminismus heute” auseinandersetzen!
Ein Dialog zwischen Anna Heudorfer und Hussam Al Zaher