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Kinder fragen – Frauen in Ghana erzählen

Seit Monaten stehen Menschen weltweit vor besonderen Herausforderungen durch COVID-19. Überall wird dabei auf unterschiedliche Weise noch deutlicher als bisher, wie verletzlich das Leben ist. Ungleichheit, soziale, ökologische, wirtschaftliche Probleme und die Sorgen um den Klimawandel sind an vielen Orten durch die Krise weiter verschärft worden. Umso wichtiger ist es, dass Menschen gerade jetzt in möglichst vielen Bereichen Erfahrungen miteinander austauschen, voneinander lernen und gemeinsam über eine gute Zukunft nachdenken. Ein Beispiel dafür, bei dem ein Bibliotheksprojekt in Schleswig-Holstein Ideen weckt für einen Austausch zwischen Ghana und Norddeutschland, wird hier beschrieben.

erkstattarbeit bei den Bücherpiraten e.V. im Rahmen des Projekts "Das weiße Blatt" / mit freundlicher Genehmigung

Ein Beitrag von Susanne Brandt

Im Rahmen meiner beruflichen wie ehrenamtlichen Erfahrungen mit Kulturaustausch hier und anderswo haben sich in den vergangenen Jahren vielfältige Kontakte zu engagierten Menschen in verschiedenen Teilen der Welt ergeben. Dieser Austausch (via Internet) fand durch die Pandemie keine Unterbrechung, sondern eher eine Intensivierung. Denn in Ghana oder Serbien, in Afghanistan oder Nicaragua, in Italien oder hier in Norddeutschland erfahren wir derzeit vielfältige Veränderungen des Alltags – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung.

Um dabei die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhänge besser zu verstehen, reicht es nicht, nur auf das eigene Lebensumfeld und Land zu schauen. Die Umsicht in der Begegnung mit Menschen vor Ort und die Aufmerksamkeit für Lebensbedingungen anderswo, die Natur vor unseren Augen und die Umweltprobleme weltweit, die sozialen und gesundheitlichen Entwicklungen hier wie in anderen Ländern lassen sich nicht voneinander trennen. Überall ist das Infektionsgeschehen im Kontext von Ernährung, Bildung und Gesundheitsvorsorge zu sehen. Und hierbei wiederum spielen die Folgen von Armut und Klimaveränderungen eine entscheidende Rolle.

Kinderfragen gesammelt – und in 40 Sprachen übersetzt

Lange vor der Pandemie haben sich Kinder an verschiedenen Orten, angeregt durch das Bibliotheks-Projekt „Das weiße Blatt“, an dem ich 2018/2019 beruflich mitwirken konnte, zu eben solchen Themen ihre ganz eigenen Gedanken gemacht und eigene Fragen formuliert.

Wir haben all diese Kinderfragen damals gesammelt. In einer Kunstwerkstatt der Bücherpiraten in Lübeck sind mit Jugendlichen Bilder dazu entstanden, schließlich ein ganzes Bilderbuch mit dem Titel „Wie entsteht eigentlich die Zukunft?“, das bereits in 40 Sprachen übersetzt worden ist – eben weil die Fragen der Kinder von weltweiter Relevanz sind.

Jetzt also, vor dem Hintergrund der Pandemie, setzen wir unseren internationalen Austausch dazu fort. Wir hören aufeinander, lesen voneinander und denken neu nach über einige Zukunftsfragen und -themen der Kinder.

Da kommt z.B. die Sorge um das Wasser zur Sprache: „Was ist, wenn das Wasser alle ist?“

Ein anderes Kind weiß um die Bedeutung von Bäumen und Wälder: „Darf man überhaupt noch malen, wenn für Papier Wälder abgeholzt werden?“

Und bei einer weiteren Frage geht es um die Kraft der Sprache und der Gedanken: „Wie kommen Wörter in meinen Kopf?“

Frauen aus Ghana erzählen

Was lässt sich nun zu diesen global so bedeutsamen Themen – um nur drei zu nennen – aus verschiedenen Perspektiven sagen und schreiben? Antworten darauf habe ich gesucht und gefunden bei engagierten Frauen in Ghana. Denn auch ihr Anliegen ist es, bei jungen Menschen das Interesse und Bewusstsein für solche Fragen wach zu halten, sich auf unterschiedliche Weise für Bildungschancen und Mitbestimmung in ihrem Land und in Solidarität mit anderen einzusetzen.

Zur Frage nach dem Wasser zum Beispiel, erzählt uns die Journalistin und Aktivistin Ellen Lindsey Awuku im Interview:

„Ghana ist ein Land mit großen Vorräten an Wasser. Es gibt zwei ausgedehnte Flussgebiete und den Volta-See. Er gehört zu den größten künstlichen Seen der Welt und dient als Wasservorrat. Ghana steht jedoch vor den Herausforderungen der Abwasserentsorgung und der Trinkwasserversorgung. Auf dem Weg des Trinkwassers zu den Menschen geht viel Wasser verloren. Der Druck des Wassers ist oft niedrig und längst nicht überall gibt es einen Anschluss an das Abwassersystem. Vor allem in ländlichen Gebieten haben viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Es ist wichtig, dass bei der Wasserversorgung alle Beteiligten Hand in Hand arbeiten“

Der Mangel an sauberem, zugänglichem und sicherem Trinkwasser, vor allem im Norden des Landes, hat häufig zu Krankheiten und manchmal zum Tod von Kindern geführt, die aus sehr ungesunden Wasserquellen trinken. Es gibt bei der Lösung von Wasserproblemen viel zu bedenken:

  1. Die Ausweitung der Wasserversorgung muss zu der stark wachsenden Zahl von Bewohnern in städtischen und stadtnahen Gebieten passen.
  2. Wasser gehört zur Grundversorgung. Deshalb muss es für die Verteilung des Wassers einen klaren, verlässlichen und langfristig wirksamen Plan geben.
  3. Es ist wichtig, dass alle die an der Wasserversorgung beteiligt sind, Hand in Hand arbeiten und nach Lösungen für alle Menschen suchen. Insbesondere auch Menschen in ländlichen Gebieten, die keinen Zugang zu sauberem, sicherem und erschwinglichem Trinkwasser haben, dürfen dabei nicht vergessen werden.

Neben Abwasser und Trinkwasser spielt Wasser aber auch für die Landwirtschaft und damit für die Nahrung eine entscheidende Rolle. Ein großer Teil der Menschen lebt von der Landwirtschaft. Dürre und Hochwasser – also zu wenig oder zu viele Niederschläge – gefährden immer wieder die Versorgung mit Nahrungsmitteln.“

Bedrohlich für Umwelt und Gesundheit der Menschen

Auch zu der Kinderfrage nach dem Holz aus dem Wald weiß Ellen aus ihrer Perspektive viel zu berichten. Für sie sind dabei noch andere Aspekte wichtig. Denn die Holznutzung hängt in Ghana deutlicher als bei uns mit Ernährung und Gesundheit zusammen:

„Wenn wir hier in Ghana gesunde und ausgewogene Mahlzeiten zubereiten möchten, dann benutzen wir zum Kochen vor allem Holzbrennstoffe. Auf dem Lande ist der Bedarf an Holzkohle und Brennholz noch größer als in der Stadt. Überall ist das Kochen wichtig, um die Familien zu ernähren. Aber leider ist das Kochen mit Holzbrennstoff für die Menschen und für die Umwelt auch bedrohlich. Für den täglichen Bedarf an Holzkohle müssen bestimmte Baumarten in großer Menge gefällt und verbrannt werden. Langfristig werden dadurch die Waldflächen kleiner. Auch ist die Vielfalt der Lebewesen in der Natur in Gefahr, wenn bestimmte Baumarten und Lebensräume nach und nach verschwinden

Wir hoffen auf eine Lösung für viele Menschen“

Ghana hat bereits ein Drittel seiner Wälder durch Holzkohle und Brennholz verloren. Dabei wäre es auch für die globale Erwärmung und den Klimawandel so wichtig, die Bäume zu erhalten. Denn sie können Kohlendioxid aus der Atmosphäre absorbieren. Wenn Bäume für Zwecke wie Holzkohleherstellung und Brennholz zum Kochen gefällt werden, wird das im Baum gespeicherte Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Auch für die Gesundheit ist das Kochen mit Holzkohle gefährlich. Da die traditionelle Holzkohleherstellung oft nicht die erforderliche Temperatur erzeugt, um das Holz vollständig zu verbrennen, belasten Schadstoffe im Rauch die Luft und die Menschen.

Wir hoffen auf eine Lösung für viele Menschen: Eine saubere Biokohle und geeignete Öfen mit einer besseren Verbrennungsleistung könnten die bisherige Energiequelle und Kochmöglichkeit ersetzen und dabei weniger Schade für Menschen und Umwelt verursachen.“

In vielen ländlichen Gebieten fehlt eine zuverlässige Stromversorgung“

Einer anderen Frau in Ghana, Pearl Afua Acheampong  liegt besonders die Frage am Herzen, wie „die Wörter in die Köpfe der Kinder kommen“. Denn dahinter steht die Hoffnung, möglichst allen Kindern Zugang zu Bildung und Büchern zu ermöglichen. Das ist gerade in Zeiten der Pandemie eine besondere Herausforderung. Sie schreibt uns im April dieses Jahres:

„Vor einigen Wochen habe ich ein Video aus einer Privatschule in meinem Land (Ghana) gesehen. Dort wurde gezeigt wie sich Schüler an die Veränderungen durch COVID-19 anpassen und Online-Kurse per Zoom belegen. Ich war beeindruckt von den Bemühungen der Schule und der Eltern. So konnten die Kinder weiterhin lernen und mit ihrer neuen Normalität gut umgehen.

Ein Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf: Wie kommen Schülerinnen und Schüler an einer öffentlichen Schule in diesen Zeiten zurecht? Ich denke dabei an eine Schule, die mein Team und ich vor einiger Zeit besucht haben, um Bücher zu spenden. Der stellvertretende Schulleiter sagte uns, sie hätten keine Bibliothek. Ein paar Bücher hätten sie in Kisten aufbewahrt, die in einem anderen Raum lagern.

Mehr Chancengerechtigkeit durch Bücher

Ich frage mich: Wie können Kinder in ländlichen Gemeinden an öffentlichen Schulen da mit Gleichaltrigen von Privatschulen mithalten, die zu Hause Zugang zu allen nötigen Technologien haben?

Die Regierung von Ghana versucht, diese Lücke zu schließen und bietet für Grundschulen und Oberschulen einen frei zugänglichen Fernsehkanal an. Aber in vielen ländlichen Gebieten fehlt eine zuverlässige Stromversorgung.

Mit unserer Organisation „Pearple Read“ kümmern wir uns mit Jugendlichen um solche Schulen vor allem in ländlichen Gebieten, die keine Bibliotheken haben. Und keinen Zugang zum Internet und technischen Hilfsmitteln. Ihnen stellen wir Bücher zur Verfügung und gründen in den Schulen Leseclubs. Ein Buch, das ich empfehlen kann, ist von einer Autorin aus Ghana, Franka Mariah Andoh, geschrieben und heißt: „Der Kente-Vorhang“. Es geht darin um die Vielfalt und Schönheit verschiedener Kulturen.“

Zukunftsfragen aus verschiedenen Blickwinkeln miteinander betrachten

Für mich und viele, die sich hier im Kultur- und Bildungsbereich engagieren, sind solche Berichte eine große Hilfe. Wir lernen dabei,  gemeinsame Zukunftsfragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und den Blick über das eigene Lebensumfeld hinaus zu weiten. Und wir erfahren dabei Inspiration für gemeinsame Chancen der Weiterentwicklung.

„Briefe für die Zukunft“ nennen wir die vielfältigen Anregungen, die wir durch solche Impulse aus unterschiedlichen Teilen der Welt zu den Fragen der Kinder bekommen haben. Daran können wir nun gemeinsam mit Kindern wie Erwachsenen an verschiedenen Orten anknüpfen und weiterdenken.

Sie sind in voller Länge mit weiteren Informationen hier nachzulesen:

 

Foto: Werkstattarbeit von Jugendlichen aus dem Projekt „Das weiße Blatt“ / Bücherpiraten e.V. & Büchereizentrale Schleswig-Holstein, mit freundlicher Genehmigung

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Susanne ist im Bibliothekswesen tätig. Bei kohero schreibt sie eigene Texte, unterstützt als Schreibtandem und arbeitet im Lektorat. „Geschichten gehören zu meinem Leben: beim Entdecken und Zuhören, beim Lesen, Schreiben und Erzählen, auf Reisen, im Garten und am Meer, im Beruf, im Gespräch mit Menschen und auch hier bei kohero.“

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