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Keine Angst vor der Schwiegermutter!? Ein interkultureller Erfahrungsbericht

Seit Monaten suchte ich eine neue Wohnung. Nun habe ich endliche eine Wohnung gefunden. Nicht, weil mir die Saga geschrieben hat. Und nicht, weil ich mich für viele Wohnungen beworben habe. Auch nicht, weil ich viele Freunde kenne, die mir helfen wollen. Schon gar nicht, weil ich mein Profilfoto gegen ein süßes Hundefoto ausgetauscht habe. Nicht, weil ich an eine Genossenschaft geschrieben habe. Auch nicht, weil ich ein Foto von mir in traditioneller Kleidung gepostet habe.  Nicht, weil viele nette Freunde meine Posts gelikt und geteilt haben. Und auch nicht, weil ich eine deutsche Freundin habe.

Ich habe eine Wohnung gefunden, weil ich eine Schwiegermutter habe, die uns unterstützt hat. Ein Dankeschön an meine Schwiegermutter! Auf Arabisch ist Schwiegermutter die Frau von meinem Onkel. Oder meine Tante oder „Hamate“, also Schwiegermutter.  In der arabischen Kultur muss oder sollte man die Mutter von seiner Frau oder seinem Mann wie die eigene Mutter achten.

Aber leider gibt es auch bei uns Vorurteil und sehr viele negative Geschichten über Schwiegermütter und  Schwiegerkinder. Immer wieder gibt es Gefühle der Eifersucht zwischen der Schwiegermutter und dem Partner oder der Partnerin von Tochter oder Sohn.

Familie – eine kleine Diktatur in einer diktatorischen Gesellschaft

Manchmal glaube ich , dass Menschen, die in einer diktatorischen Gesellschaft leben, vielleicht selbst zu einer kleinen Diktatur beitragen: Zu Hause ist unser Vater wie eine barmherzig Diktator, so wie unser Imam wie ein religiöser Diktator ist. Und unser großer Bruder ist wie ein netter  Diktator. Und unser Lehrer ist unser wirtschaftlicher Diktator, so wie unser Chef ebenfalls unser wirtschaftlicher Diktator ist.

Und unsere Mutter versucht, in gleicher Weise auch über die Frau oder den Mann von ihren Kindern zu bestimmen. Vielleicht gibt es deshalb diese großen Missverständnisse.

Vielleicht fühlen sich unsere Frauen oder vielleicht fühlen sich alle Frauen besonders stark mit ihren Kindern verbunden und wollen sich ihre Kinder nicht von einer anderen Frau oder einem anderen Mann nehmen lassen. Vielleicht fällt es einer Mutter schwer zu akzeptieren, dass ihr Sohn oder ihre Tochter mit einer anderen Frau oder einem anderen Mann zusammen lebt – ohne die Mutter. Weil die Mutter nicht ihren eigenen Sohn oder ihre eigene Tochter hassen kann, sucht sie jemanden, den sie für Fehler verantwortlich machen kann. Und sie findet auch jemanden: die Frau oder den Mann von ihren Kindern.

Geraten Frauen eher in Streit miteinander?

Vielleicht  glaubt sie auch, dass die neue Frau oder der neue Mann versucht, sie ganz vom eigenen Kind zu trennen. Deshalb sieht sie in dem Mann oder in der Frau von ihrem Kind einen Feind.

Manchmal entstehen solche Probleme und Streitigkeiten besonders zwischen der Schwiegermutter und der Frau von ihrem Sohn. Denn in unserer männlichen Gesellschaft wird erzählt, dass Frauen untereinander eher Streit suchen.

Aber dieses Vorurteil gegen Frauen ist vor allem deshalb entstanden, weil unsere Frauen meistens zu Hause arbeiten. Dadurch verbringen sie mehr Zeit miteinander. Denn was können sie mit ihrer Zeit anfangen? Sie treiben keinen Sport. Sie lesen kein Buch. Sie fahren nicht in den Urlaub. Stattdessen suchen sie den Kontakt zu anderen Frauen.  Mit denen reden und reden sie, und dabei kommt es manchmal zu Streit. Weil jede Frau zeigen möchte, dass ihr Mann oder ihr Sohn zu seiner Frau oder Mutter mehr als zu anderen gehört. Sie orientieren sich dabei an einem Bild, das durch Fernsehsendungen verstärkt wird.  Dadurch verbreitet sich in der Gesellschaft ein Klischee.

Vielleicht fürchten manche Frauen auch, dass die neue Frau ihren Sohn dazu bringen will, seine Familie zu vergessen. Weil nur sie allein zu diesem Man gehören möchte.

Streitigkeiten mit der Schwiegermutter – das gibt es in Deutschland ebenso

Vielleicht, vielleicht – am Ende möchte ich nur sagen: Gott sei Dank, dass er mir eine so tolle Schwiegermutter geschickt hat!  Was ich in diesem Artikel geschrieben habe, zeigt lediglich: Ich vermute, dass es so in der Gesellschaft, aus der ich komme, passiert. Gut möglich, dass du andere Syrer findest, die eine andere Meinung dazu haben. Wir sind Syrer, aber jede und jeder von uns schaut aus der eigenen Perspektive auf unsere gemeinsame Gesellschaft.

Eine Freundin hat diesen Artikel gelesen. Und sie hat mir gesagt: Sie kennt solche Streitigkeiten gut, weil auch ihre Oma und die Mutter von ihrer Oma sowas erlebt haben. Ich war ein bisschen überrascht. Und danach habe ich im Internet unter „Schwiegermonster“ gesucht und dazu  ein interessantes Interview aus der „Zeit“ von 2015 gefunden. Auch dort wird über diesen Streit gesprochen und warum und wie man ihn vermeiden kann.

Und weil die Deutschen über alles Witze machen, habe ich auch ein paar Witze auf  witze.net entdeckt:

„Schwiegermutter, wie lange bleibst du?“

„Bis ich euch auf die Nerven falle.“

„Was, nur so kurz.“

Auf jeden Fall ist es jetzt nicht mehr ganz so schlimm wie früher. Weil Paare jetzt in einer eigenen Wohnung und manchmal in einer anderen Stadt leben. Auch, weil die Frauen arbeiten und die Gesellschaft Freiheit und Gleichheit für jede Person anerkennt. So wird die Person wichtiger als die Familie. Und das erleichtert die Lösung dieses Problems, wenn ich zwischen meiner Gesellschaft und der deutschen Gesellschaft vergleiche.

Am Ende finde ich jeden Tag, dass wir im Grunde mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede haben: Unsere Geschichte, die Geschichte der Menschen mit all ihren Problemen, Schwierigkeiten, Lösungen und Reaktionen hat von der Natur her doch viele Gemeinsamkeiten.

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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