Ein Sprichwort sagt, dass ein Unglück selten alleine kommt. Das gilt nicht erst seit 2011 für viele Syrerinnen und Syrer. Aber zur Zeit kommen zu der Corona Pandemie und der katastrophalen Reaktion des syrischen Regimes (Corona in Syrien) auch noch viele schlechte Nachrichten aus Europa. Hier ein kurzer Einblick, in die Themen, die meine social media Seiten diskutieren.
Rückkehr der diplomatischen Beziehungen zwischen Griechenland, Zypern und der Assad-Regierung
Der griechische Außenminister Nikos Dendias hat angekündigt, einen Sondergesandten für Syrien zu ernennen. Das ist das erste Mal seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen 2012, dass es wieder eine(n) Vertreter*in von Athen in Damaskus geben wird. Dieser Schritt wird von vielen als eine Wiederherstellung der Beziehungen angesehen.
Nur wenige Tage später sagte auch die Regierung in Zypern an, die diplomatischen Beziehungen zu Syrien wieder aufzunehmen. Der zypriotische Außenminister Nikos Christodoulidis verkündete diesen Schritt bei einem Interview. In diesem wolte er eigentlich über die Ergebnisse eines Treffens mit den Regierungen Griechenlands, Frankreichs, Ägyptens und der Vereinigten Arabischen Emirate sprechen.
Schutzstatus entzogen
Dänemark entzieht als erstes EU-Land 94 syrischen Geflüchteten ihren Schutzstatus und möchte sie zurück in „sichere“ Landesteile schicken. Der dänische Minister für Ausländer und Integration, Mattias Tesfaye, sagte dem britischen Telegraph: „Wir haben den syrischen Flüchtlingen immer deutlich gesagt, dass ihre Aufenthaltserlaubnis zeitlich begrenzt ist.” Laut der dänischen Sicht, sind die Hauptstadt Damaskus und die Region Rif Dimaschq sichere Gebiete für die (unfreiwillige und freiwillige) Rückkehr von Syrerinnen und Syrern. Die Premierministerin Mette Frederiksen (eine Sozialdemokratin) sagte Anfang des Jahres im dänischen Parlament: „Das ist unser Ziel: Asylanträge in Dänemark auf Null zu drücken. Aber wir können die Vision aufstellen, die wir auch vor den Wahlen hatten, nämlich dass wir ein neues Asylsystem wollen, und dann werden wir alles tun, um es einzuführen.”
Hier in Deutschland haben die Innenminister der Bundesländer im Dezember 2020 erklärt: Der Abschiebestopp nach Syrien wird nicht verlängert. Die syrischen Geflüchteten, die in Deutschland gegen das Gesetz verstoßen haben, können ab diesem Jahr wieder abgeschoben werden. Laut dem Bundesinnenministerium geht es um 90 Menschen, die als islamistische Gefährder eingestuft werden. Auch wenn Vereine wie PROASYL eine Entwarnung geben und sagen, dass die meisten der 800,000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland nicht betroffen sind, hat diese Nachricht sehr viele von uns beschäftigt.
Annäherung an das Assad-Regime
Dann erreichte auch noch eine ältere Nachricht einige Syrer: der neu gewählte Vorsitzender der CDU hat 2014 dem Tagesspiegel in einem Interview gesagt, dass Syrien unter Assad ein autoritärer Staat sei, aber zumindest hat er religiöse Vielfalt zugelassen. Sodass Christen, Schiiten und Alawiten Luft zum Atmen gehabt hätten. „Wäre Assad – wie von einigen westlichen Staaten zeitweise beabsichtigt – gestürzt, stünde IS heute in Damaskus, unweit der Grenze zu Israel.“ Laschet wollte dass Deutschland den Kurswechsel der Vereinigten Staaten zur Bekämpfung der IS-Terroristen in Syrien unterstützen. „Davon darf uns nicht der Umstand abhalten, dass dies auch dem Regime in Damaskus nützt.“
Nun sind die Entscheidungen der dänischen und deutschen Regierungen nur theoretisch, bis jetzt, und sie brauchen für eine Umsetzung eine diplomatische Beziehung mit dem syrischen Assad Regime. Das bedeutet, Anerkennung von Assad und dem russischen Sieg. Und es bedeutet die Rückkehr von Assad zur internationalen Legitimität, und ein paar Million um den Wiederaufbau zu finanzieren.
Wenn man diese Nachricht miteinander liest und mit der insgesamt schlechten Stimmung in Europa wegen Corona verbindet, bekomme ich auch Sorgen, ob die Europäischen Länder vielleicht doch wieder eine Beziehung mit Assad suchen. Wir wissen, dass auf eine Krise wie die Corona Pandemie auch wieder populistische Politik folgen kann. Und wer ist dafür leichter zu nutzen als die Geflüchteten?
Verstoßen und verziehen – Syrien und der Westen
Auch die Geschichte des Hauses Assad zeigt uns, wie sich der alte und der junge Assad immer wieder eine neue Chance mit den westlichen Ländern bekommen hat. Beide wurden ausgestoßen und dann wieder im System legitimiert.
Das erste Mal war in den Achtziger Jahren, als Hafez al-Assad auf den Aufstand der Muslimbrüder in Syrien 1982 mit einem gnadenlosen Angriff auf die Stadt Hama reagiert hat. Zwischen 20.000 bis 30.000 Menschen wurden getötet. Mein Vater erinnert sich daran, dass er damals mit anderen Arbeitern aus seiner (staatlichen) Firma nach Hama gefahren wurde, um sich genau anzusehen, was passiert, wenn man sich gegen das Assad Regime stellen möchte.
Es folgten wirtschaftliche, finanzielle und diplomatische Sanktionen gegen Syrien. Die deutsche Bundesregierung stellte die bilaterale Entwicklungshilfe ein und verhängte zusammen mit anderen EU-Ländern ein Waffenembargo. Diese Maßnahmen waren auch durch die Einmischung von Syrien in den Libanon begründet. In den USA stand Syrien schon seit 1979 auf der Liste der “State Sponsors of Terrorism.”
Als Saddam Hussain 1990 Kuwait angriff, suchte der amerikanische Präsident Bush Senior die Hilfe von Hafez al-Assad. Die USA suchten eine arabische Allianz gegen Saddam Hussain, damit es nicht so wirkte, dass Amerika alleine in einen Krieg gegen “die Araber” zieht, sondern nur gegen Saddam. Syrien hat damals mit 14,500 Soldaten an dieser Allianz teilgenommen und Assad wurde wieder im internationalen System legitimiert. Es wurde mehr oder weniger akzeptiert,dass Libanon unter Assad Regime kontrollieren und syrische Armee im Libanon bleiben würde.
Die Geschichte wiederholt sich
Diese Geschichte wiederholte sich mit dem jetzigen Machthaber Bashar al-Assad, nach dem Attentat auf Rafiq al-Hariri am 14.2.2005. Al Hariri war ein libanesischer Ministerpräsidenten und ein Gegner des Assad Regimes und der syrischen Macht im Libanon. Auch wenn die syrische Regierung behauptet, sie hatte keine Beteiligung am Attentat, haben viele das syrische Regime verantwortlich gemacht. Der syrische Geheimdienst hatte damals sehr viel Macht im Libanon.. Bashar al-Assad wurde von mehreren UN-Ländern ausgestoßen und das Regime wurde sanktioniert. Wegen diesem Druck musste das syrische Regime seine Armee schließlich aus dem Libanon abziehen. Und dann wurde Assad, wie sein Vater, wieder aus seiner Isolation befreit. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat Bashar al-Assad im Juli 2008 zum Gründungsgipfel der Mittelmeerunion nach Paris eingeladen, und mit dieser Einladung war Assad wiederhergestellt. Damaskus unter Assad wurde als Partner im Nahen Osten wieder gebraucht, um beispielsweise die Hamas unter Druck zu setzen oder die Bewegung von Terroristen in den Irak zu kontrollieren.
Und 2021? Wird es der junge Assad wieder schaffen, sich im System wieder zu legitimieren? Wird er warten, so lange, bis ihn wieder ein westliches Land braucht?
Heute ist es anders als gestern
Ich denke, heute ist es anders als gestern. Denn es gibt Hoffnung. Heute hat zum Beispiel ein deutsches Gericht einen Strafprozess, den „Koblenz Prozess“, wegen mutmaßlicher Staatsfolter in Syrien geführt. Das Oberlandesgericht Koblenz hat den Syrer Eyad A. wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter verurteilt. Dieses Urteil hat den deutschen Gerichten beschrieben, was in syrischen Gefängnissen passiert und was das Assad Regime alles gemacht hat. Und ich glaube auch, dieser Prozess wäre nicht passieren, ohne die mehr als einen Millionen Syrerinnen und Syrer, die nun in Europa leben. Viele von ihnen sind aktiv gegen Assad, gegen das Regime in Syrien und sie haben große Netzwerke hier in Europa mit der Zivilgesellschaft und mit Initiativen aufgebaut. Ihre Stimmen sind laut und mit der Hilfe der Sozialen Medien haben viele Junger Syrerinnen und Syrer miteinander Kontakt. Viele äußern ihre Meinungen, viele sind laut gegen Assad und niemand kann diese Stimmen wieder zwingen, leise zu sein. Wir sind viele im Exil, wir sind vielleicht nicht immer unabhängig, da unsere Familien noch in Syrien leben. Aber wir wissen, dass wir auf der ganzen Welt verteilt leben, von den USA bis Deutschland, Schweiz, Türkei, Brasilien, Libanon oder Jordanien. Wegen diesen Menschen, diesen Aktivistinnen und Aktivisten können die europäischen Regierungen die Syrerinnen und Syrer nicht einfach vergessen.