In der heutigen Zeit haben die Menschen neben Arbeit, Ehrenamt und Sport wenig Zeit für Freunde. In einer Gesprächsrunde geht es den acht Teilnehmern der Initiative JOBLINGE Kompass um das Thema Freundschaft. Sie sind mittlerweile im Hamburger Arbeitsmarkt angekommen und erfüllen die Voraussetzungen für eine gute Integration. Nach dem Gespräch merkt unsere Redakteurin, wie viel sie von den Flüchtlingen lernen kann.
„In meiner Heimat ist das nicht so kompliziert. Da geht der Mensch vor“
Was bedeutet für Sie Freundschaft? Ich kenne einige hier, die kennen sogar die Schuhgröße von ihrem Tischnachbarn.
Abdulrahman (24 Jahre, aus Syrien, Fachinformatiker): Freunde sind wie Familie. Wir wissen alles von unseren Freunden.
Mohamed (23 Jahre, aus Syrien, Mechatroniker): Ich kenne Ibrahim schon so lang und wir sind hier in Deutschland seit drei Jahren. Da ist es ganz normal, dass ich seine Schuhgröße kenne.
Ibrahim (24 Jahre, aus Syrien, Anlagenmechaniker): Sie brauchen nicht so zu grinsen, wir sind kein Paar. Aber wir kennen uns trotzdem sehr gut. Das ist der Unterschied zu den Deutschen. Sie arbeiten so viel, dass sie die Menschen um sich herum vergessen.
Aboudi (23 Jahre, aus Eritrea, Fahrzeuglackierer): Richtig. Das ist bei uns anders. Wenn meine Freunde Hilfe brauchen und umziehen, helfe ich mit. Dafür lasse ich auch die Arbeit ausfallen. Und wenn wir fertig sind, dann hilft er mir auf der Arbeit. In meiner Heimat ist es nicht so kompliziert. Da geht der Mensch vor.
Arbeit oder Freunde – was geht vor?
Das hört sich sehr ideal an. Finden Sie es gut, so zu denken und die Arbeit hinten anzustellen? Immerhin ist doch die Entwicklung das Ziel.
Burei (22 Jahre, aus Syrien, Koch): Ja, Arbeit und Entwicklung ist wichtig. Aber Arbeit kann man auch zusammen machen. Da gibt es bei uns nicht so hohe Sicherheitsanforderungen. In unserer Heimat arbeiten wir, um zu leben. Die Deutschen leben, um zu arbeiten. Das war sehr befremdlich für mich.
Noor (21 Jahre, aus Syrien, Verkäuferin): Für mich auch. Als ich hierher gekommen bin, habe ich meine Einstellung auf null setzen müssen. Das war sehr schwierig. Alles, was ich bisher gelernt habe, hatte hier keine Bedeutung mehr: Gestik, Mimik und Sprichwörter wurden falsch verstanden. Mein Gehirn musste komplett umdenken.
Ahmad (21 Jahre, aus Syrien, Anlagenmechaniker): Um mich hier anzupassen und trotzdem für meine Freunde da zu sein, bin ich einmal 60 Stunden wach geblieben. Das ging an meine Grenzen. Aber ich musste arbeiten, zur Sprachschule gehen, meine Cousine zum Flughafen bringen und meinem Freund beim Umzug helfen. Viele Deutsche, die ich kenne, hätten das nicht gemacht. Bei uns ist das aber selbstverständlich, für andere da zu sein.
Anas (23 Jahre, aus Syrien, Koch): Stimmt. Wozu ist das Leben sonst da? Was macht das Leben lebenswert? Es sind unsere Freunde und Familie, die das Leben schön machen.
Vielen Dank für Ihre Sichtweisen. Ich werde darüber nachdenken und mich bei meinem besten Freund melden. Schließlich spielen Freundschaften tatsächlich eine herausragende Rolle für die Menschen und in der Gesellschaft.
*Namen von der Redaktion geändert.