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„In unserer Unterkunft ist alles provisorisch“

Der Hamburger Wohnungsmarkt ist hart. Für viele Menschen ist es kaum möglich, eine Wohnung zu finden, die ihren Bedürfnissen entspricht. Unsere Vermutung: Für Geflüchtete ist die Wohnungssuche besonders schwierig. Deshalb haben wir bei Geflüchteten nachgefragt, die schon ein paar Jahre in Deutschland leben. Unsere Interviewreihe "Und wie wohnst du?".

"In unserer Unterkunft ist alles provisorisch"

Heba ist 32 Jahre alt und kommt aus Ägypten. Mit ihren Kindern lebt sie in einer Unterkunft von „fördern und wohnen“ in Neuenfelde.


Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du da alleine oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

Ich lebe mit meinen drei Kindern in einem Camp am Rand der Stadt. Wir leben hier seit mehr als einem Jahr. Uns stehen zwei Container zur Verfügung, aber wir schlafen nachts alle zusammen in einem. Die Kinder trauen sich nicht alleine im anderen Zimmer zu sein. Wir teilen uns das Bad und die Küche mit 10 anderen Menschen auf diesem Stockwerk. Die Verständigung ist nicht einfach, ich spreche Arabisch, aber viele Familien hier nicht. Ganz vorne im Camp stehen Münzwaschmaschinen.

Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

Ich mag nichts an dieser Wohnung.

Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

Wir fühlen uns hier nicht wohl, alles ist provisorisch. Außerdem liegt die Wohnung sehr weit außerhalb. Mein Sohn fährt morgens 35 Minuten mit dem Bus bis zur Schule. Und er ist der einzige von hier, er fährt also alleine. Meine Tochter braucht 20 Minuten mit dem Bus, sie ist  in der ersten  Klasse. Seine Freunde wollen meinen Sohn hier nicht besuchen kommen. Bis zum Hamburger Hauptbahnhof brauchen wir fast zwei Stunden. Und zu Fuß laufen wir mehr als 30 Minuten bis zum nächsten Supermarkt.

Was bedeutet deine Wohnung für dich?

Ich lebe jetzt seit sechs Jahren in Deutschland, aber durch diese schwierige Situation fällt es mir schwer anzukommen und mich zuhause zu fühlen. Der Vater meines Kindes darf wegen der Corona-Pandemie nicht zu Besuch kommen. Ich fühle mich hier nicht wohl.

Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

Es gibt Sozialarbeiter, die hierher kommen. Aber sie helfen nicht, sondern machen vieles noch schlimmer.

Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

Ungefähr 20 Quadratmeter für uns vier zusammen. Nachts schlafen wir aber alle gemeinsam auf 10 Quadratmetern.

Wieviel kostet die Wohnung?

1700 Euro kosten beide Zimmer zusammen.

Wo hast du in Hamburg schon gelebt?

Davor habe ich drei Jahre in einer Erstaufnahme-Unterkunft gelebt, nur für Frauen und Kinder. Dort war es viel besser. Aber die Unterkunft wurde geschlossen, deswegen mussten wir hierher umziehen. Diese Unterkunft hier sollte auch geschlossen werden, hier gibt es zu viele Probleme.

Wie fühlt es sich an, in Hamburg eine Wohnung zu suchen?

Ich habe eine gesucht und auch eine Wohnung gefunden. In der Innenstadt, viel größer und günstiger als hier. Aber ich darf nicht umziehen, wir haben keinen guten Grund und kommen deswegen nicht auf die Warteliste. Das ist kompliziert und hängt damit zusammen, dass ich aus Ägypten komme und deswegen in Deutschland nur geduldet bin.

Wo würdest du gerne Wohnen?

Ich würde gerne in der Nähe einer Schule, eines Supermarktes oder eines Spielplatzes leben. Ein bisschen zentraler. Das wäre toll.

Willst du in den nächsten Jahren hier bleiben?

Ich habe hier dreimal ein Praktikum gemacht und ein Jahr als Tagesmutter gearbeitet. Gerne würde ich Erziehungswissenschaften studieren. Meine Kinder sind in Deutschland aufgewachsen, mein jüngster Sohn ist hier geboren. Ich möchte auf jeden Fall bleiben. Aber im Moment wird uns mit Abschiebung gedroht.

 


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Porträt Hannah Lesch
Hannah Lesch ist freie Journalistin und schreibt am liebsten über Lösungen. Dafür besuchte sie zum Beispiel Klimaaktivist:innen in Tansania, filmte Nacktmulle im Labor und sprach mit jungen und alten Menschen über den Tod. Sie studiert im Master Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg.

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