Nach der Ankunft in Deutschland kommt vieles auf einen Geflüchteten zu: Neben der Verarbeitung von Fluchterlebnissen, sind es die Sorgen um die Familie und das Zurechtkommen mit dem deutschen System. Eine Möglichkeit, vor den eigenen Sorgen zu flüchten, sind Drogen. Hinter jeder Ecke gibt es Marihuana, Heroin oder andere Drogen. Der Besitz geringer Mengen an Marihuana ist nicht strafbar. Aber der Verkauf. Moaayad und Thing unterhielten sich dazu mit Farid M. und fragen sich: Hat der Staat Schuld an der Drogensucht?
„Ich finde, der deutsche Staat ist hier scheinheilig“
In Syrien sind Drogen nicht erlaubt. Trotzdem nehmen viele Menschen Drogen. Genauso wie auf dem Steindamm, der Sternschanze oder der Reeperbahn gibt es auch in Syrien wahnsinnig viele Drogendealer. Um Ordnung zu schaffen, patrouilliert in Hamburg die Task Force Drogen. In Syrien wäre eine solche Task Force wenig denkbar. „Die Dealer sind bewaffnet und die Polizisten haben Angst vor den Verbrechern”, sagt zum Beispiel Farid M. – ein Geflüchteter aus Syrien¹. Bei den Drogensüchtigen sind sie hierfür umso strenger. Wird ein Drogenabhängiger verhaftet, wird er härter bestraft als in Deutschland. Zuerst werden sie auf Entzug gesetzt und danach folgt die Haftstrafe. In Deutschland ist es viel zu locker. „Besitzt man nur geringe Mengen, wird man noch nicht mal festgenommen. Wenn man den Besitz nicht bestraft, erlaubt man doch indirekt auch den Verkauf. Dieser ist aber wiederum strafbar. Wie kann man so etwas verstehen? Ich finde, der deutsche Staat ist hier scheinheilig”, meint Farid. Da fragt man sich: Warum wird hier nicht sowohl der Besitz als auch der Konsum bestraft?
Drogen – Flucht aus dem Hier und Jetzt
„Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe für den Konsum”, so der Psychopharmakologe David Nutt. „Um Freude zu erfahren und um Leiden zu lindern.” Dem kann Farid zustimmen: „Einige Freunde und Bekannte von mir nehmen Drogen, weil sie für eine kurze Zeit vergessen wollen. Sie wollen nicht dauernd an das Leid und die Sorgen von sich selbst, Freunden oder Familie denken.” Also nehmen sie Drogen, damit es ihnen für eine kurze Zeit besser geht. Drogen zu nehmen ist für einen religiösen Muslimen auch einfacher. Denn nach der islamischen Religion ist es Alkohol trinkenden für einige Wochen untersagt, zu beten. Nehmen Sie aber Drogen, steht dem täglichen Beten nichts im Wege.
Leider kennen viele den Umgang mit Alkohol oder Drogen nicht und rutschen in die Abhängigkeit. Statt diese als solche anzuerkennen, wird sie allerdings als Krankheit oder Besessenheit abgetan. Das erschwert den Heilungsprozess noch mehr. Das fremde System und die unterschiedliche Drogen-Regulierung macht es für Migranten noch schwieriger, aus dem Teufelskreis zu kommen.
Um den Menschen aus der Sucht zu helfen, gibt es verschiedene Beratungsstellen. Eine davon ist Sucht.Hamburg gGmbH. Der Verein widmet sich allen Formen der Sucht: Glücksspiel, Essstörung, Internet & Computer, Drogen und noch vieles mehr. Hier wird denjenigen geholfen, die es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, werden Migranten geschult. Als Peers können sie ihre Landsleute besser erreichen und helfen.
Von diesem Standpunkt aus kann man die Frage aufwerfen: Haben die Deutschen Schuld an der Drogensucht der Flüchtlinge? Wäre eine restriktivere Drogenpolitik in Deutschland besser für jedermann?
Mit Sook Thing Wong wurde dieser Artikel im Schribtandem geschrieben
¹ Da unsere Autoren keine Erfahrungen mit Drogen haben, holten sie die Meinung von Farid M. ein, der vor einigen Jahren aus Syrien nach Deutschland kam. Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Eine Antwort
Hallo, vielen Dank für den tollen Artikel. Allerdings gibt es einen Fehler in diesem. Drogenbesitz, auch geringe Mengen sind verboten, auch Cannabis. Allerdings kann ein Verfahren bei geringen Mengen fallengelassen werden (siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/__31.html ). Was eine geringe Menge ist, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Auch wenn ich nicht gleich verhaftet und weiter verfolgt werde, kann es dazu kommen, dass Verfahren zusammengeschlossen werden, wenn ich häufig auffalle. Das kann vor allem Aufenthaltsrechtliche Folgen haben!