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Frauen oder Zwei gefallene Königinnen, Teil 1: Danubia, die Königin von Rocinha

Danubia schaut sich die Fotos von Leila an, ihrer Tochter, die im Jahr 2012 an Lungenentzündung starb. Die Kleine konnte nicht ins Krankenhaus gebracht werden. Sie und ihre Mutter hatten was zu verbergen, eine Art Macke, der sie von anderen Patienten deutlich unterschied.

Photo by Becca Tapert on Unsplash

Leila war die Frucht einer kurzen Affäre zwischen Danubia und Luiz da Silva, dem Chef des Drogengeschäfts in Favela von Mare. Danubia wusste, dass sie dauernd unter Beobachtung stand. Sie entschied sich, die Hilfe eines dubiosen Arztes in Anspruch zu nehmen, der einigen Drogenbossen bereits mehr oder minder geholfen hatte. Diesmal konnte er nicht richtig helfen. Das Kind war schon recht geschwächt.

Danubia wirft sich heute vor, das Risiko damals nicht eingegangen zu sein. Der Vater starb kurz nach dem Tod von Leila bei einer Schießerei mit der Sonderpolizei. Es hätte ihn so oder so getroffen, denkt Danubia, als sie das Gefängnis verlässt, wo sie in Untersuchungshaft kurz gesessen hat. Eine Mitgliedschaft in einem Drogenklan konnte nicht nachgewiesen werden. Ihre Freiheit war aber nicht von Dauer. Nach nur sechs Tagen wurde sie wegen anderer Straftaten zu 28 Jahre Haft verurteilt.  Jetzt war sie draußen und dachte nicht an eine Rückkehr.

First Lady von Rocinha und eine der meistgesuchten Kriminellen in Rio de Janeiro

Fortan befand sie sich auf der Flucht vor der Justiz und hatte trotzdem einen besonderen Auftrag für ihren Mann zu erledigen. Antonio Lopes oder Nem, wurde 2011 verhaftet. Er galt, nach Angabe der Polizei, als einer der führenden Bosse im Krieg der Drogenfraktionen in der Favela von Rocinha. Danubia, eine gutaussehende junge Frau, sollte die Führung der Drogenfraktion ihres Mannes in Rocinha übernehmen. Nem saß im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses Tausende von Kilometer von Rio entfernt. Und trotzdem, mit dem Einsatz von Danubia, konnte er seinen Klan kontrollieren. Sie sorgte dafür, dass korrupte Polizisten gegen Bezahlung wichtige Informationen über die Bewegung der Beamten in der Favela verrieten. Als Botin von Nem war sie für die Umsetzung seiner Befehle verantwortlich. Sie wurde zu einer First Lady von Rocinha und eine der meistgesuchten Kriminellen in Rio de Janeiro.

Obwohl sie flüchtig war, hatte sie eine stete Präsenz in den meisten sozialen Netzen. Sie hat auch nicht gescheut, sich in einem knappen Bikini zu zeigen, mit teuren Juwelen geschmückt. Eines dieser Bilder wird mit dem Satz begleitet: „Wer als Königin geboren wurde, wird niemals die Hoheit verlieren“. Ihre Überheblichkeit sollte ihr zum Verhängnis werden, als sie den zunehmenden Einfluss im Kommando der Geschäfte durch Rogerio 157 nicht ernst genommen hat.

Eine gefallene Königin zwischen Polizei und neuen Gegnern

Rogerio war ein ehemaliger Leibwächter von Nem. Er wurde dessen Stellvertreter in der Fraktion ADA  „Freunde der Freunde“, einst Alleinherrscherin in Rocinha – bis Danubia auftauchte und die Macht in dieser brutalen, männlichen Welt an sich gerissen hat. Rogerio nutzte die Gelegenheit, wieder nach oben zu gelangen, als die zweitstärkste Fraktion CV „Rotes Kommando“ Rocinha für sich gewinnen wollte. Wie ein moderner Judas wechselte er die Seiten und setzte sich fortan für die CV ein. Jetzt hatte er wieder viele mächtige Männer hinter sich. Diese Stärke nutzte er gnadenlos aus, um Danubia von der Favela wegzujagen.

Die Königin war gefallen und stand jetzt zwischen der Polizei und den neuen Gegnern. Sie besaß weder Krone noch Hoheit mehr und musste in der Nordzone der Stadt bei Freunden von Nem Zuflucht suchen. In ihrer goldenen Zeit als mächtige First Lady hatte sie nicht nur ihre Stellung genossen.  Sie hatte auch viele männliche neidische Feinde gewonnen. Es waren Männer, die niemals akzeptiert haben, dass eine Frau jetzt das Sagen hatte. Sie wurde verraten, ihr Versteck flog auf und am 10. Oktober 2017 wurde sie von männlichen Polizisten verhaftet. Das war das Ende einer Frau, die versucht hat, die männliche Herrschaft in Frage zu stellen.

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Leonardo De Araujo
Leonardo De Araujo, geboren in Rio de Janeiro, Brasilien lebt seit etwas mehr als 30 Jahren in Deutschland, vorwiegend in Hamburg. Nach einigen Berufsjahren in Werbeagenturen hat er 35 Jahre in der Fernsehproduktion gearbeitet. Nebenbei hat er sich auch als Drehbuchautor und Fotograf beschäftigt – und für das Flüchtling-Magazin, heute kohero, geschrieben.

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