Wie ist die aktuelle, rechtliche Situation? Der folgende Hintergrundbericht gibt detaillierte Antworten auf diese und weitere Fragen. Und er erklärt, woran man Fake News, aber auch qualitativ hochwertigen Journalismus erkennt.
Fake News im Zusammenhang mit dem Flüchtling-Magazin
November 2017: Hinter uns – dem Team des Flüchtling-Magazin – liegt eine wirklich turbulente Zeit. Anfang des Monats wurde unser Chef-Redakteur Hussam Al-Zaher Opfer einer perfiden und absolut niederträchtigen Fake-News-Kampagne. Alles begann mit einem Shitstorm auf Instagram. Hussam, das Magazin und somit auch wir – die Redaktion – wurden in einer ziemlich primitiven und heimtückischen Art und Weise beschimpft und angegriffen. Als sich bei Instagram die Wogen langsam zu glätten schienen, wurde ein Foto Hussams zweckentfremdet und in Verbindung mit einem Vorfall in einem Streichelzoo in Berlin gebracht: Er soll sich dort vor den Augen mehrerer Kinder sexuell an einem Pony vergangen haben. Nichts davon ist wahr. Es ist eine glatte Lüge. Eine Lüge, die sich im Netzt und vor allem in den sozialen Medien rasant verbreitet hat. Der Beitrag wurde tausendfach angeklickt und geteilt. Das Flüchtling-Magazin hat selbstverständlich Anzeige erstattet, ein Anwalt ist eingeschaltet, mehrere Medien, unter anderem das Hamburger Abendblatt und die Szene Hamburg, haben über den Fall berichtetet. Und dennoch wird es schwer, wenn nicht sogar unmöglich sein, die Verantwortlichen, die Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen, denn diese agieren oft aus dem Ausland heraus, wo andere Gesetzte gelten.
Das gibt es schon lange: Falschmeldungen in den Medien
Der Begriff an sich existiert schon seit Ende des 19. Jahrhundert. Er tauchte zum ersten Mal in England auf und bezeichnete dort gelegentliche, bewusste Falschmeldungen in Zeitungen. Geläufiger wurde der Begriff dann im Jahr 2000. Zu diesem Zeitpunkt brachte man ihn vor allem in Verbindung mit satirischen Nachrichtenmagazinen wie „The Daily Show“ oder „The Onion“. In den letzten Jahren sind die sozialen Medien rasant gewachsen und der Begriff der Fake News wurde zur Bezeichnung für erfundene Nachrichten. Seinen Durchbruch im deutschen Sprachgebrauch hatte er im November 2016 im Zusammenhang mit Trumps Wahlkampf in den USA. Fest steht also: Falschmeldungen gibt es, seit es Medien gibt.
Was neu ist: rasante Verbreitung und täuschende Tarnung
Als Fake News werden manipulative, vorgetäuschte Nachrichten und Falschmeldungen bezeichnet, die überwiegend im Internet zu finden sind und hier vor allem in den sozialen Medien. Sie verbreiten sich rasant schnell und viral. Es fallen sogar erfahrene Journalisten auf die Fake News rein, weil diese zum Teil täuschend echt wirken. Mitte dieses Jahres hat der Duden den Begriff in seine 27. Ausgabe mit aufgenommen, seine Definition lautet wie folgt:
„Umgangssprachlich für eine in den Medien und im Internet, besonders in den sozialen Medien, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldung.“
In Zusammenhang mit den Fake News fällt auch immer wieder der Begriff Hoax. Darunter versteht man Falschmeldungen, die in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, per Mail oder Instant Messenger verbreitet werden. Sie wirken dabei so authentisch, dass sie für echt gehalten werden und sich somit äußerst schnell verbreiten.
Medienguerilla: verwirren, auffallen, verunglimpfen …
Beides, sowohl die Fake News als auch die Hoax, gehören zur Kommunikations- und Medienguerilla. Hierunter versteht man eine Form des Aktivismus, der gezielt Informationen und Desinformationen einsetzt, um bestimmte Absichten zu erreichen. Ziel der Veröffentlichung von Fake News ist es primär, den Leser zu täuschen – es geht darum, Verwirrung zu stiften, Aufmerksamkeit zu erheischen. Die Nachricht soll angeklickt werden, damit der Urheber Einnahmen für sich generieren kann. Und es geht darum, die Opfer dieser Falschmeldungen öffentlich zu degradieren. In den Fake News steckt für gewöhnlich eine ganze Menge an Hass. Oft werden sie deswegen mit der sogenannten Hate Speech in Verbindung gebracht. Dieser Begriff bezeichnet sprachliche Ausdrucksweisen von Hass und Beleidigungen. Ziel der Hate Speech ist – ähnlich wie bei den Fake News – die Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen. Es wird zu Hass und Gewalt gegen diese Personengruppen aufgerufen. Hate Speech ist rassistisch, antisemitisch und oft sexistisch.
Facebook mit klaren Positionen gegen Fake News – hilft das?
Da die Masse an Fake News auf Facebook immer und immer größer wird, legte die Plattform Anfang April ein Dokument vor, in dem sie sich klar positioniert. Das Dokument ist in vier Punkte gegliedert. Unter Punkt 2 heißt es dort unter anderem, Fake News seien „Nachrichten, die vorgeben, korrekt zu sein, aber absichtlich Fehlinformationen transportierten mit dem Ziel, Emotionen hervorzurufen, Aufmerksamkeit zu gewinnen oder zu täuschen.“ Jeder kann Opfer von Fake News werden. Oft trifft es jedoch Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und besonders oft Politiker. So sollen beispielsweise das Wahlverhalten beeinflusst oder Stimmung gegen bestimmte politische Strömungen gemacht werden.
Was auf der Jagd nach schnellen Klicks unter die Räder kommt
Fake News sind häufig komplett frei erfunden. Hinzu kommen aber auch solche Nachrichten, dessen Kern zwar wahr ist, deren Aussagen aber verfälscht sind oder aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Deutlich abgrenzen muss man Fake News von satirischen Nachrichten, wie sie zum Beispiel auf der deutschen Internetseite Der Postillon zu finden sind. Hier werden täglich satirische – also überspitze und ironische Beiträge im Stil von Zeitungsartikeln veröffentlicht.
Aber auch schlechter Journalismus kann für eine Falschmeldung gehalten werden. Der Grund dafür ist oftmals eine Anwendung, die sich Clickbaiting nennt: Hierbei werden Inhalte im Netz mit einem Clickbait (zu Deutsch: Klickköder) angepriesen. Dieser Clickbait dient dem Zweck, höhere Zugriffszahlen und dadurch mehr Einnahmen durch Internetwerbung zu erzielen. Doch auch bei den Fake News findet das Prinzip des Clickbaiting Anwendung: Ein Clickbait besteht aus einer oft reißerischen Überschrift, die eine Neugierlücke (auch curiosity gap genannt) hinterlässt. Die Inhalte hinter den Links haben keine hohe journalistische Qualität, die Fakten sind oft falsch und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Wahrheitsgehalt tendiert gegen Null. Doch es sind eben diese Nachrichten, die sich bei Facebook und Co. so gut und schnell verbreiten.
Wer macht sowas – und warum?
Schon mal von sogenannten „Trollen“ gehört? Das sind Menschen, die extra angestellt und bezahlt werden, um gezielt Unwahrheiten zu verbreiten. Die Identität dieser Trolle ist anonym, sie agieren aus dem Ausland, aus Russland, China, Mazedonien. Das dies kriminell ist, ist offensichtlich. Doch das Geschäft ist lukrativ. Mit dem Verbreiten von falschen Tatsachen lässt sich viel Geld verdienen. Die Nachrichten werden millionenfach angeklickt und mit jedem Klick überweisen die Firmen, die auf diesen Seiten ihre Werbung schalten, eine bestimmte Summe.
Schau genau! Was uns misstrauisch machen sollte
Bei spektakulären Nachrichten sollte zunächst geprüft werden, wer diese veröffentlicht. Denn: Seriöse Nachrichtenseiten geben immer ein Impressum sowie Kontaktmöglichkeiten an, aus denen klar hervorgeht, wer sie betreibt. Ein weiteres Augenmerk sollte man darauf legen, wie der Artikel aufgebaut ist: Was steht tatsächlich im Artikel und nicht nur in der Vorschau? Passen Teaser und Artikel zusammen? Und: Wie ist die Sensation im Text integriert? Bei Facebook ist es beispielsweise ein Leichtes, beim Posten eines fremden Artikels die Überschrift und den Einleitungstext zu ändern. Des Weiteren sollte man sich die Frage stellen, woher die Informationen kommen. Seriös arbeitende Journalisten geben immer ihre Quellen an. Nicht nur der Text kann gefaked sein, auch das Bildmaterial muss nicht immer aktuell und zutreffend sein. So findet man beispielsweise nach Gewalttaten oder auch Naturkatastrophen häufig Bilder, die alt sind oder andere Ereignisse zeigen.
Juristische Schritte gegen Fake News? Nicht einfach!
Die juristische Bekämpfung von Fake News erweist sich häufig als ineffektiv, da diese meistens anonym verbreitet werden und die Verursacher nicht ermittelbar sind. Hinzu kommt die Tatsache, dass nicht jede Lüge eine Straftat ist. Strafverfolgungsbehörden sind also oft gar nicht zuständig. Ein Akt, der zur Lösung des Problems beitragen könnte, wäre, die Betreiber jener Onlinedienste, über die die Fake News verbreitet werden, zur Mitteilung der gesamten Nutzerdaten zu zwingen. Doch das wird so schnell nicht passieren und ist auf dem Zivilrechtsweg auch nicht zu erreichen. Denn in der deutschen Justiz fehlen gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen: Der Gesetzgeber enthält Opfern, die durch Fake News in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurden, Auskunftsansprüche vor.
Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung das Recht auf anonyme Meinungsäußerung höher bewertet als die Interessen der Opfer. Fake News sind sehr schwer nachvollziehbar: Jeder hat Zugang zu Facebook und Co., jeder kann sich wie ein Medium artikulieren und nichts davon wird überprüft. Wenn eine Falschmeldung erst einmal im Netz ist und tausendfach geteilt wurde, dann wird sie auch von Hunderttausenden gelesen. Um diese Falschmeldung zu korrigieren, müsste diese Korrektur also die gleiche Anzahl an Usern erreichen. Und das ist schier unmöglich.
Kritisch hinterfragen und sich nicht einschüchtern lassen
Darum: Was immer man liest – man sollte die Dinge kritisch hinterfragen und nicht alles glauben, was da so geschrieben steht. Das Flüchtling-Magazin jedenfalls lässt sich von solch feigen und niederträchtigen Anfeindungen nicht einschüchtern. Wir machen weiter mit unserer unabhängigen und sorgfältig recherchierten Berichterstattung – von Menschen, mit Menschen, für Menschen!
Genutzte Informationsquellen zur Vertiefung: , spiegel, focus, zeit, bpb, no-hate-speech