Da wir in Deutschland in einer weißen Mehrheitsgesellschaft leben, ist es wichtig, dass wir auch durch die Perspektive der Critical Whiteness auf Rassismus schauen. Diese stellt eine grundsätzliche politische Auseinandersetzung unter weißen Menschen mit ihren Privilegien dar. Um zu verdeutlichen, dass Critical Whiteness nicht nur eine amerikanische Thematik ist, nutzen wir hier an dieser Stelle den übersetzten Begriff Kritische Weißseinsforschung. Dass sie als weiße Menschen privilegiert sind, ist den meisten Weißen in unserer Gesellschaft tatsächlich gar nicht bewusst. Mit dem Wissen und der Aufarbeitung weißer Privilegien kann Rassismus abgebaut werden.
Weiße Privilegien
Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, fällt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema oft schwerer. Sie spüren durch ihre Hautfarbe und die damit verbundenen Privilegien und die Position in der Gesellschaft keine negativen Auswirkungen. Weiße Menschen sind nicht mit den Nachteilen und den damit verbundenen Problemen konfrontiert, die ihre Privilegien in der Gesellschaft für andere Menschen mit sich bringen.
Schwarze Menschen und People of Colour [(Sing. Person of Colour) ist ein Begriff aus dem anglo-amerikanischen Raum. Im Gegensatz zu „coloured“ (dt.: Farbige_r) handelt sich hier nicht um eine eindimensionale Zuschreibung seitens der weißen Mehrheitsbevölkerung, sondern um eine Selbstbezeichnung von nicht-weißen Minderheiten] befinden sich im ständigen Konflikt mit Rassismus. Sie müssen sich fragen, ob unserer Gesellschaft sie als Individuum ansieht oder als fremd betrachtet und ob überhaupt zugehörig sind. Von der Polizei werden sie häufiger verdächtigt kriminell zu handeln und dadurch öfter Personenkontrollen unterzogen. Sie haben geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und oft einen erschwerten Zugang zu Kulturangeboten.
Weiße Privilegien sind unter anderem: als Individuum angesehen zu werden, nicht automatisch als fremd betrachtet zu werden, alle Menschen die nicht weiß sind benennen, einteilen und kategorisieren zu können, wenn gewollt öffentlich anonym bleiben zu können, sich Teile anderer Kulturen aneignen zu dürfen, Fremden die eigene Herkunft nicht erklären zu müssen, grundsätzlich davon auszugehen, dass Menschen in Büchern und Zeitungsartikeln weiß sind, ungehindert und unkontrolliert durch die ganze Welt reisen zu können, nicht auf Rassismus reagieren zu müssen…
All diese Privilegien stehen versinnbildlichend für die weiße Dominanz. So gilt Weiß-Sein in der Wahrnehmung von Weißen grundsätzlich als die Norm.
Sich nicht entscheiden können
Schwarzen Menschen und People of Colour hingegen stehen diese Privilegien nicht zu. Im Gegenteil: Sie werden heutzutage, wie schon in den letzten Jahrhunderten immer noch von weißen Strukturen unterdrückt, ausgebeutet und benachteiligt und sind damit die Opfer des Rassismus. Schwarze Menschen können sich nicht bewusst oder unbewusst dafür entscheiden, sich mit der eigenen Betroffenheit von Unterdrückung und Diskriminierung zu beschäftigen. Schwarze Menschen haben weniger Zugang zu Sicherheit durch Behörden und den Staat als weiße Menschen. Sie werden kriminalisiert und für unglaubwürdig gehalten.
Menschen, die behaupten, hierzulande gäbe es keinen Rassismus (mehr), verleugnen damit sowohl die vielschichtigen Realitäten schwarzer Menschen und People of Colour, die weiße Dominanz und ihre Privilegien. Die Rolle der weißen Person sollte die des Antirassisten*in sein und in der antirassistischen Arbeit eines Verbündeten, eines ally liegen. Sie sollten schwarzen Menschen und People of Color zuhören und von ihnen lernen, über ihre eigenen Privilegien nachzudenken. Nur daraus kann verantwortungsvolles Handeln gegenüber den nicht-weißen Gemeinschaften entstehen. Dafür ist die Reflexion eigener weißer Privilegien essenziell, um sich so der Problematik bewusst zu werden und sie abzubauen.
Was ist zu tun?
Es geht allerdings nicht darum, dass weiße Menschen loslaufen und alibi-halber Schwarze oder of Colour Freund*innen finden, sondern dass sie die Beziehungen, die es schon gibt, neu bewerten und vertiefen. Wenn weiße Menschen denken, sie unterhalten keine Beziehungen zu People of Colour, brauchen sie sich nur in ihren Wohnorten umschauen. Sie werden sie finden, bei Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen, Mitstudent*innen, Stammkund*innen und Angestellte in der Bäckerei, in der Bar oder in der Apotheke.
Vor allem wir weißen Menschen sind in der Pflicht unsere Privilegien für von Rassismus betroffene Mitmenschen positiv zu nutzen. Wir müssen Gemeinschaften aufzubauen, die systematische Veränderungen bewirken können. Für eine solidarische, sichere, gewaltfreie und antirassistische Gesellschaft die für alle Menschen in positivem Kontext steht.
In unserer Redaktion wollen wir uns verstärkt der Perspektive des kritischen Weiß-Seins widmen. Als überwiegend weiße Menschen sehen wir es als unsere Verantwortung an, uns mit weißen Privilegien auseinanderzusetzen – auch und gerade in Bezug auf unsere journalistische Arbeit. Es ist nicht einfach, dafür den richtigen Weg zu finden. Wir beschäftigen uns viel mit dem Thema und wollen unsere Selbstreflexion gerne mit euch teilen. Daher werden wir demnächst unsere persönlichen Gedanken zu Rassismus, Weiß-Sein und weißen Privilegien hier veröffentlichen.
Quellen:
Migazin Online Ausgabe 2013/2: Das Problem mit ,,Critical Whiteness‘‘
Wikipedia Artikel zu Weiß sein/Critical Whiteness
Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard: Wie Rassismus aus Wörtern spricht
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