In einer Kolumne greift der Arbeitskreis jeden Monat eine Geschichte von Weggefährten, Tandems und Patenschaften auf – aktuell in der Form von Interviews mit Tandems, die sich über Patenschaftsorganisationen gefunden haben. Sie machen Mut, denn sie bestätigen: Treffen sich zwei (oder drei) innerhalb eines Tandems, gewinnen alle! Im Flüchtling-Magazin zeigen wir euch ein paar dieser Gespräche. Dieses Mal die des Tandems Lama und Uschi.
Das Geschichtenerzählen ist eine Tradition, die es in den unterschiedlichsten Kulturen gibt. Sie funktioniert überall gleich – und sie bringt Menschen zusammen. Mit dieser Tradition machen wir weiter. Wir schreiben Geschichten von Weggefährten, Tandems und Patenschaften auf. Sie machen Mut, denn sie bestätigen: Treffen sich zwei, gewinnen alle!
DAS TANDEM
Ich bin Marton, bin 29 Jahre alt, lebe seit 10 Jahren in Hamburg und bin Bauingenieur.
Ich heiße Mohamed, bin fast 29 Jahre, komme aus Syrien, genauer aus Aleppo. Dort habe ich auch studiert (Flugzeugbau). Bevor ich allerdings meinen Master machen konnte, musste ich Ende 2015 mein Land verlassen. München, Mannheim, Horst, Schwerin und Hamburg waren meine Stationen. Ich habe mich entschieden in Hamburg zu bleiben, wegen Airbus und Lufthansa. Gerade mache ich einen Kurs für ausländische Ingenieure. Am Ende gibt es die Möglichkeit, ein 3-monatiges Praktikum zu machen. Ich hoffe auf eine gute Chance.
Marton: Mohamed hat sich bei seiner Ankunft auch bei Airbus beworben, er konnte allerdings kein Führungszeugnis vorlegen. Die syrischen Behörden stellen solche Zeugnisse nicht aus für Menschen, die aus dem Land geflüchtet sind. Seine Qualifikation war o.k. Airbus hat dann zurückgezogen, weil es ohne nicht geht.
Mohamed: Ich wollte hier weiter studieren, aber das war eine ziemliche hohe sprachliche Anforderung. Außerdem bekomme ich kein BaFöG. Deshalb will ich direkt in den Arbeitsmarkt.
DIE FRAGEN
BHFI: Wie lange kennt ihr euch schon?
Marton:Ich denke, so ca. 1,5 Jahre. Wir haben uns über das Tandem Projekt von Die Insel Hilft e.V. aus Wilhelmsburg kennengelernt. Da bin ich dann einfach mal hingegangen. Es war wie bei einer Dating-Agentur (beide lachen wieder bei dieser Erinnerung). Wir saßen an langen Tischen, auf der einen Seite die Leute wie ich, auf der anderen Seite die Leute wie Mohamed. Dann kamen wir so kreuz und quer ins Gespräch. Und zwischen uns beiden hat es dann eben gefunkt.
Mohamed: Ich war halt ganz offen mit allen und habe mich einfach leiten lassen von meiner Sympathie zu Marton. Und wir hatten ja auch einige Anknüpfungspunkte. Und dann haben wir uns zwei Tage später wieder getroffen, und Marton hat mir Fachbegriffe in Mathe beigebracht. Das war sehr, sehr hilfreich für mich.
BHFI: Dein Deutsch, Mohamed, ist jetzt nach 2,5 Jahren in Deutschland fließend, aber das war ja nicht so, als ihr euch kennengelernt habt?
Marton: Na ja, wenn es mit Deutsch nicht mehr weiterging, dann mit Englisch und wenn das auch nicht geholfen hat, dann halt mit Händen und Füßen. (Beide lachen). Das Lustige an der Mathe-Hilfe war, wir arbeiten in Deutschland mit arabischen Zahlen und in Syrien wird mit den indischen Zahlen gearbeitet. Ganz andere Strukturen haben diese Zahlen. Darüber haben wir uns immer köstlich amüsiert.
BHFI: Und wie ging es dann weiter, in welchem Rhythmus habt ihr euch weiter getroffen?
Beide: Ganz unterschiedlich – mal als Tandem, oder wir haben uns dann auch mal mit Freunden am Wochenende getroffen, sind in eine Disco zusammen oder haben gekocht.
Mohamed: Ich bin in der Zeit umgezogen, und ich habe noch nie in meinem Leben gekocht. In der ersten Zeit habe ich nur Rührei gegessen, und Marton hat gesagt: „So geht das nicht. Du bist jetzt hier und musst kochen lernen.“
Marton: Und dann habe wir den Klassiker gemacht: Spaghetti Bolognese. Heute kocht Mohamed ganz normal. Wir haben auch Fotos zu seiner Mutter geschickt, und die meinte: „Bist du das überhaupt, das kann ja nicht wahr sein!“.
BHFI: Bei eurer unterschiedlichen Kultur – was war denn am meisten überraschend?
Marton: Wir saßen einen Abend zusammen mit anderen Freunden, und das Thema kam auf das Leben auf der Erde und wie es wohl entstanden ist. Ich bin nun ein überzeugter Anhänger der Darwin’schen Evolutionstheorie, und Mohamed hat vehement dagegen argumentiert. Aus seiner Sicht ist das alles Gottes Werk, wie das ja auch bei uns im Christentum verankert ist.
Mohamed: Wir haben fast fünf Stunden miteinander geredet, das war sehr interessant.
BHFI: In Deutschland sind die Aufgabenbereiche zwischen Männern und Frauen nicht so aufgeteilt wie du das aus deiner Heimat kennst. Wie geht es dir damit?
Mohamed: Ich bin immer erst noch einmal ein bisschen überrascht, aber ich diskutiere sehr gerne und ich frage dann nach. Und manchmal ist es Kultur, Tradition. Was ich aber festgestellt habe, wenn es Unterschiede gibt, dann hat es überwiegend religiöse Gründe. Wir machen viele Sachen aus religiösen Gründen.
BHFI: Könnt ihr euch an ein Supererlebnis erinnern, das euch beide zum Strahlen gebracht hat?
Marton: Ich habe Mohamed einmal zum Tanzen mitgenommen und war echt skeptisch. Kennt Mohamed das überhaupt, tanzt er überhaupt oder rennt er nach zwei Minuten aus dem Raum? Aber dann fing er an mitzutanzen und mitzumachen…
Mohamed:…obwohl ich in meinem Leben noch nie getanzt habe!
Marton: Ich war richtig stolz, dass Mohamed da so über seinen Schatten gesprungen ist. Aber was für mich wirklich geradezu verblüffend ist, wie Mohamed nach gerade mal zwei Jahren so gut Deutsch spricht.
Mohamed: Dazu hat Marton viel beigetragen. Wenn ich ein Wort nicht verstanden habe oder verstehe, dann frage ich ihn, wann man das Wort benutzt und so weiter.
BHFI: Wenn ihr euch vorstellt, das hier wäre jetzt ein Live-Interview und hier säßen ganz viele zukünftige Paten, was würdet Ihr denen sagen oder raten?
Marton: Ich würde immer sagen: Lernt euch doch erstmal kennen, redet miteinander, tauscht Interessen aus und dann gucken, ob man irgendwas zusammen auf die Beine stellen kann.
Mohamed: Ja, es ist ein bisschen schwierig auch für uns, wir brauchen dafür auch Offenheit von unserer Seite. Für uns ist es nicht einfach, auf jemand anders zuzugehen und die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Deshalb ist es so wichtig, schnell die Sprache zu lernen.
Marton und Mohamed mit dem gleichen Gedanken:
Vermutlich habe beide Seiten ein bisschen Angst vor dem Fremden, nicht genau wissend wer oder was da auf einem zukommt.