Aber welche Hilfe erweist sich als echte Unterstützung? Unser Autor Leonardo de Araújo hat ein paar Beispiele zusammengetragen, an denen deutlich wird: Deutsch lernen – davon lässt sich eigentlich nur in vielen einzelnen Geschichten und Perspektiven erzählen. Einige wenige davon stellt er hier vor:
Zum Beispiel Rami Hadad (Name geändert), von dem die Kolumnistin Suzanna Alkotaish in einem Beitrag für das Change-Magazin berichtet. 58 Jahre ist er alt. Er erinnert sich, wie schwer es anfangs für ihn war, Deutsch zu lernen. Und er glaubt, dass das nicht allein eine Frage von Sprachschwierigkeiten sei. Er meint zu spüren, wie die Fähigkeit zu lernen insgesamt nachgelassen habe. Aber er gibt nicht auf: „Ich will Deutsch lernen, um die Lehrer zu verstehen, mit ihnen zu kommunizieren und meinen Kinder bei den Hausaufgaben zu helfen“.
Die Gründe für Sprachschwierigkeiten sind vielfältig
Suzanna Alkotaish sieht dieses Problem besonders bei älteren Geflüchteten, die in Syrien keine schulische Ausbildung erhalten haben und das Lernen daher nicht gewohnt sind. Ein weiterer Faktor sei die Tatsache, dass Deutsch im arabischen Raum wenig gesprochen wird im Gegensatz zu Englisch oder Französisch, die aus historischen oder politischen Gründen in arabischen Ländern häufiger zum Einsatz kämen.¹
In einem anderen Beitrag, veröffentlicht in der „Welt“, analysiert die Journalistin Christine Brink die Probleme beim Deutsch lernen und hat dabei besonders die Jungen im Blick:
„An die 400 Millionen Euro gibt die Bundesregierung für Sprachkurse aus. Ein Großteil sei, so der Bundesrechungshof, einfach „verpufft“. Neben Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung leiden die Kurse an Planlosigkeit. Es musste eben alles schnell gehen nach einer knappen Million Zuwanderer im Jahre 2015. Zwei Jahre wären allerdings Zeit genug, um ein praktikables Modell zu entwickeln. Doch wie weiland bei den Gastarbeiterkindern, für die entweder gar nichts oder stets Neues ausprobiert wurde, ist auch der Deutschunterricht für Flüchtlinge oft ein Zufallsprodukt…Zumal die Jungen eine Sprache auf der Straße oder dem Sportplatz lernen können. Aber stellen wir uns einen Raum vor, wo 70 Sprachschüler unterschiedlichen Alters, ungleicher Voraussetzungen und grundverschiedener Motivation zusammenkommen. Manchmal reichen sogar die Stühle nicht. Dieses Gemenge muss auch die beste Lehrerin verzweifeln lassen.“
Viele haben mit den Basics zu kämpfen
Eine von ihnen, die unter diesen Bedingungen in Sachsen gearbeitet hat, ist die frühere Nahost-Reporterin Jasna Zajcek, die gerade ihren Erlebnisbericht „Kaltland“ veröffentlich hat. „Wer mit systematischem Lernen und dem lateinischen Alphabet vertraut ist, kann schon vom ersten Tag an sagen „Ich bin …“, „Ich heiße …“, „Ich komme aus …“. Wer mit den Basics zu kämpfen hat, wird sich erst quälen, dann wegbleiben“, beschreibt Christine Brink das, was auch Jasna Zajcek erfahren musste.
Und sie sieht eine alte Geschichte bestätigt: Herkunft ist eben auch bei den Flüchtlingen Zukunft. So wären Ärzte z.B. sehr motiviert, um schnell zurück in ihren Beruf zu kommen. Sie arbeiten deshalb hart in den Sprachkursen für die B2-Qualifizierung zu erhalten und hoffen auf ein Praktikum im Krankenhaus. Aber so eine höhere Bildung haben laut BAMF-Statistik nur 13 Prozent der Asylbewerber genossen. „Das sind die Hochmotivierten, die mit Heft und Stift antreten und freiwillig Vokabeln lernen“, meint Christine Brink.²
Kleine und große Hürden vor dem Tor zur deutschen Sprache
Dabei – um abschließend eine Sprachglosse zu zitieren – haben es die Deutschen mit den Vokabeln ihrer eigenen Sprache auch nicht immer leicht: „Bandsalat?“, fragt Anne Hemmes zum Beispiel in einem Beitrag über deutsche Worte, die vom Aussterben bedroht sind. „Nein, dieses Wort beschreibt kein Essen, sondern etwas, das fast vergangen ist. Diejenigen, die noch Hörspiele wie „Die drei Fragezeichen“ auf Kassette hatten, kennen es. Irgendwann leierte der Rekorder und das Magnetband schlug unschöne Falten. Mit Hilfe eines Bleistifts, den man in eines der Löcher in der Kassette steckte, wurde das Band vorsichtig wieder aufgedreht. Manchmal musste sogar Tesafilm zum Flicken herhalten.“³
Rami und seine Freunde haben andere Sorgen und Fragen, wenn es um Wörter und Kommunikation in der deutschen Sprache geht. Im Alltag werden sie wie auch die Helfenden und Lehrenden weiterhin einen langwierigen Weg bestreiten müssen, um das Tor zur deutschen Sprache und einer schnelleren Integration betreten zu können.
Autor: Leonardo de Araújo
Quellenhinweise:
¹ erschienen am 30.07.18 (aufgerufen: 31.08.2018) / Autorin: Suzanna Alkotaish
² erschienen am 22.08.2017 (aufgerufen: 31.08.2018) / Autorin Christine Brink
³ erschienen am 14.11.2013 (aufgerufen: 31.08.2018) / Autorin: Anne Hemmes
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