Mit dieser Aussage hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen der Verleihung des Nationalen Integrationspreises 2018 die Wichtigkeit der Bemühungen um Integration herausgestellt. So richtig diese Aussage ist, so wichtig ist es auch, diese an der Realität zu messen. Denn Integrationslehrer, die sich maßgeblich um die Integration bemühen, finden in Deutschland viel zu oft unzureichende Bedingungen vor. Die hier geschilderten Szenen beruhen auf persönlichen Erfahrungen und bilden dementsprechend nur einen kleinen Teil der Realität ab. Die Frage ist daher: Sind diese Zustände die Ausnahme oder fühlen sich auch andere Lehrer angesprochen?
Wertvoller als Gold
Seit längerem hört man, in Politik und Gesellschaft, wahlweise von der enormen Bedeutung der Integration oder aber von ihrer zerstörerischen Kraft. Oft finden sich beide Positionen vereint, indem attestiert wird, wie wichtig die gelungene Integration wäre, diese jedoch schlussendlich als gescheitert begriffen wird. Von der geglückten Integration, von den Anstrengungen, Problemen und Herausforderungen der Menschen, die diese auf sich nehmen, hört man dagegen wenig. Noch weniger hört man über die Institutionen, Lehrer und Lehrerinnen, die dies ermöglichen und dafür in keiner Weise die Anerkennung erfahren, von der Angela Merkel so großzügig gesprochen hat.
Noch wertvoller als „der unbeirrbare Glaube an den Traum von Europa“ sind die Bildungsgutscheine, die mit den Geflüchteten in die Sprach- und Integrationskurse kommen. Selbst in Einrichtungen mit hohem internationalen Renommée wie den Goethe-Instituten, herrscht die Ansicht des jähzornigen Chefs des Daily Bugle, J. Jonah Jameson, aus Spiderman vor: „Nix da Job, freiberuflich.“ [1] Wie Peter Parker bekommen auch die meisten Lehrkräfte in Deutschland keine festen Anstellungen und arbeiten auf Honorarverträgen ohne Absicherungen auf eigenes Risiko.
Prekäre Verhältnisse
„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, sprach Franz Müntefering 2006; dieser Satz dürfte für viele Integrationslehrer heute bittere Realität sein. Denn Gehalt gibt es nur, wenn unterrichtet wird. Im Urlaub und bei Krankheit bedeutet dies Verdienstausfall. Auch wenn Kurse wegen zu geringer Teilnehmerzahl nicht zustande kommen, gib es kein Gehalt. Viele Verträge sind ohnehin nur auf wenige Monate für den jeweiligen Kurs ausgeschrieben. Absicherungen sind nicht vorhanden. Sozialleistungen, Krankenversichungs- und Rentenbeiträge müssen selber gezahlt werden. Auch das Gehalt selber bewegt sich noch unterhalb des Mindestlohns. Zwar klingen 25€ pro Stunde sehr verlockend, wer im Monat allerdings 1000€ für die Krankenkasse zahlt, hat am Ende kaum noch Geld auf dem Konto.
Es gibt in Deutschland einige Berufsbezeichnungen, die nicht geschützt sind. Das bedeutet, jeder kann diese ausüben und sich dementsprechend bezeichnen. Dazu zählen neben Hundetrainer und Coach auch die Reihe der Lehrer, Dozenten und Pädagogen. Der Lehrer ist nur als Amtsbezeichnung geschützt. Die Auswirkungen kann jeder beobachten, der ein paar Minuten nach Jobs sucht. Für den DaF/DaZ-Bereich werden händeringend Pädagogen, Coaches und Lehrer gesucht. Da die Bezeichnungen jedoch jeder tragen kann, gibt es auch keine Qualitätsstandards. Jeder kann Integrationslehrer werden und in Integrationskursen andere Menschen unterrichten. Auch ohne Fachkenntnisse. Das tolle daran? Geringe oder keine Qualifikation bedeuten auch einen minimalen Lohn. Dieser gilt als Maßstab für qualifizierte Kräfte. Ob Master in Deutsch als Fremdsprache oder Fleischereifachverkäufer – als Lehrkraft verdienen beide das Gleiche.
Zu viele Lehrer, zu wenig Schüler?
Teure Bildungsgutscheine und schlecht bezahlte Angestellte bedeuten vor allem eins: Schüler werden dringend gesucht. Auf Bildungsmessen buhlen die verschiedenen Institute um die Menschen, denn jede Einrichtung muss zusehen, wo das Geld herkommt. Das ist natürlich mit erheblichem Risiko verbunden. Wird der Kurs voll? Finden wir genug Schüler? Haben wir genug Geld? Dieses Risiko wird durch Honorarverträge auf das Personal abgewälzt und das Unternehmen bleibt flexibel. Der Nebeneffekt: Das Dasein als Integrationslehrer verkommt zu einem teuren Hobby, das man sich leisten können muss. Ist der Grundunterhalt durch den Partner oder die Partnerin abgesichert, kann man es sich gönnen, freiberuflich etwas Geld als Lehrkraft zu verdienen.
Besonders ärgerlich ist es, wenn der Beruf Spaß macht. Menschen zu begleiten, ihnen etwas beizubringen und zu sehen, wie sie es annehmen, kann eine tolle Tätigkeit sein. Wären da nicht die Arbeitsbedingungen. Freiberufler sind keine Angestellten und gehören nicht zum Team. Einige dürfen nicht einmal die Kaffeemaschine im Lehrerzimmer nutzen, sie bekommen keinen Schlüssel und müssen jeden Tag aufs Neue Kollegen nach diesem fragen; sie werden nicht als vollwertiger Kollege anerkannt. Die Ausstattung vieler Einrichtungen ist ebenfalls mangelhaft. Materialien werden nicht gestellt und müssen vom Lehrer, aus eigener Tasche, besorgt und vorbereitet werden. Teilweise sind die Schulen in einem desolaten Zustand. Verfallene Plattenbauten, verschimmelte Wände, Graffiti – man fragt sich, inwieweit solche Zustände Schüler inspirieren sollen.
Ein Armutszeugnis für Deutschland
Da jeder diesen Job ausüben kann, landen auch Menschen dort, die nicht dazu geeignet sind – weder fachlich noch menschlich. Geschichtslehrer, die fragwürdige Ansichten über den zweiten Weltkrieg vermitteln und die in der Pause über die Schüler und Menschen mit Migrationshintergrund lästern. Wie kann es sein, dass Personen, die diese Menschen ablehnen, eben jene unterrichten dürfen? Und dazu offiziell als Integrationslehrer? Es bleibt jedem überlassen, wie er oder sie den Lehrplan abarbeitet, es gibt keine Richtlinien. Die Prüfungen werden von externen Unternehmen, unter Ausschluss der Lehrer, abgehalten. Hier sitzen zum Teil Menschen ohne fachliches Wissen und nehmen Prüfungen mit Checklisten ab. Dass dabei Suggestivfragen wie „Im Dritten Reich wurden die Juden von den Nazis verfolgt, welche Gruppe stellt heute denn die Bedrohung für die Juden dar“ fallen, verwundert kaum noch (die Antwort ist übrigens nicht „nur“ Rechtsradikale).
Integration wird in Deutschland immer hochgehalten. Doch es wird viel zu wenig dafür getan. Unterbezahlte Lehrer, fehlende Kontrollen und Richtlinien, keine Qualitätskriterien bei der Lehrerwahl, desolate Zustände und Arbeitsbedingungen – das Thema der Integration hat unter Politikern immer einen Ehrenplatz, im realen Leben ist davon nichts zu sehen. Als vor 60 Jahren die „Gastarbeiter“ nach Westdeutschland kamen, hat man sich nicht um deren Integration gekümmert. Wenn heute Menschen nach Deutschlands fliehen, kümmert man sich genauso wenig. Die Möglichkeit, dass Menschen nicht nur hierherkommen, um zu arbeiten und dann das Land wieder zu verlassen, scheint politisch noch nicht angekommen zu sein.
Man wird nicht müde zu betonen, wie wichtig es sei, dass Geflüchtete einen Willen zur Integration zeigen und sich dementsprechend bemühen sollen. Betrachtet man jedoch die Zustände, unter denen die Lehrer arbeiten müssen, fragt man sich, wie groß der Wille zur Integration von Seiten des Landes ist. „Durch die Wiederholung wird das, was am Anfang nur als zufällig und möglich erschien, zu einem Wirklichen und Bestätigten“ [2], schrieb Hegel. Alles in der Geschichte wiederholt sich und zwar, mit Karl Marx gesprochen, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ [3] Auch die Integration scheint hier keine Ausnahme zu machen.
Quellen
[1] Spider-Man, Film, 2002.
[2] Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Vorlesungen über Philosophie der Geschichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1973 (Werke 12), Seite 380.
[3] Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852. Zitiert nach: MEW Bd. 8, S. 115.
8 Antworten
Schön, dass sich jemand des Themas angenommen hat. Das war längst überfällig!
Kleine Korrektur: Für die Honorarkräfte sind es mittlerweile 35-40€ pro Stunde (je nachdem, ob es sich um einen regulären Integrationskurs oder einen Analphabetenkurs handelt). Bei Angestellten bestimmt der Arbeitgeber das Gehalt – unabhängig davon wie viel er für die Maßnahme vom BAMF bekommt, da das BAMF hier keine Weisungsbefugnis hat. Da wird dann nah am Mindestlohn bezahlt, der seit diesem Jahr bei 15,26€ liegt. Unterm Strich bleibt nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungen nicht viel übrig, sodass weitere Nebenjobs und eine 60 Stunden-Woche eher die Regel sind als die Ausnahme.
Die Vermittlung in Integrationskurse erfolgt übrigens nicht über Bildungsgutscheine…
Der Artikel spricht ein wichtiges Thema an, doch leider enthält er viele sachliche Fehler! (z.B. das Honorar für Integrationskurslehrer) Er differenziert auch nucht zwischen den Kursen und Verfahren. lieber wieder offline nehmen und erstmal überarbeiten.
Das empfehle ich auch, dringend! Habe heute diverse Kritiken zu dem Artikel gehört, u.a. dass er unglaubwürdig wirkt, weil eben einige der aufgezählten „Fakten“ so nicht der Wahrheit entsprechen, u.a.auch der Krankenkassenbeitrag. Das schmälert leider die Qualität des gesamten Artikels. Auch werden angestellte Lehrkräfte in dem Beitrag außer Acht gelassen, die ihrerseits ebenso mit prekären, wenn auch anders gelagerten Arbeitsverhältnissen zu kämpfen haben.
Eine Ergänzung hätte ich noch zu machen: Es ist nicht wahr, dass jeder Integrationslehrer werden kann. Es gibt seitens des BAMF genaue Vorgaben, welchen akademischen Abschluss und ggf. Zusatzqualifikation eine Lehrkraft vorweisen muss, um in dem Bereich arbeiten zu dürfen. Bitte recherchieren Sie die Informationen, die Sie in Ihrem Artikel rausgeben, etwas sauberer nach.
Vielen Dank für eure Kommentare! Wie der Autor selbst schreibt, handelt es sich um persönliche Erfahrungen. Nichtsdestotrotz sollten die Fakten stimmen. Wir bedanken uns deshalb für die Korrekturen und werden uns bemühen, in nächster weitere Artikel zu veröffentlichen, die dieses Thema genauer beleuchten.
Anna (Redaktionsleitung)
Dieser Artikel ist in seiner Grundbotschaft wichtig und richtig, erweist aber aufgrund der vielen, teilweise in den Kommentaren oben schon erwähnten sachlichen Fehler sowohl den Lehrkräften als auch den Kursteilnehmern einen Bärendienst, weil auch die Botschaft, jeder Fleischereifachverkäufer dürfe Integrationskurse geben, die dort erbrachte Leistung enorm in Frage stellt!
Neben den von anderen Kommentatoren bereits vorgebrachten inhaltlichen Kritikpunkten ist mir noch einer aufgefallen: Prüfungen und Lehrplan. Es gibt sehr wohl einen Lehrplan mit Vorgaben, welche Kursinhalte unterrichtet werden müssen. Mit welchen Methoden man diese Inhalte vermittelt, sollte dann tatsächlich jeder fachlich und didaktisch kompetenten Lehrkraft (und das ist meiner Erfahrung nach die überwiegende Mehrheit in den IKs) selbst überlassen sein, zumal sich die Methoden auch bei derselben Lehrkraft von Lerngruppe zu Lerngruppe unterscheiden werden.
Die Prüfungen werden nicht generell unter Ausschluss der Lehrkräfte abgehalten. Die schriftlichen Sprachprüfungen werden von einer dafür zertifizierten Firma durchgeführt und die mündlichen Prüfungen nehmen ebenso zertifizierte Prüfer ab, die zum allergrößten Teil selbst aktuell in Integrationskursen unterrichten – nur eben aus nachvollziehbaren Gründen (Objektivität bei der Bewertung!) nicht in dem Kurs, der gerade geprüft wird.
Die Fragen am Ende des Orientierungskurses (sog. Einbürgerungstest) kann man sicher als wenig aussagekräftig kritisieren, was die Bestätigung der Integrationsfähigkeit angeht (Wie viele Bundesländer hat die Bundesrepublik? Wer wählt den Bundespräsidenten?), aber hier ist die im Artikel suggerierte Vorstellung falsch, ein Prüfer könne vor Ort unsinnige Suggestivfragen aus dem Ärmel schütteln. Der Fragenkatalog von 300 Fragen ist vom Bamf vorgegeben und kann von jedem, der das möchte, im Netz nachgelesen werden.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie, wie bereits vorgeschlagen wurde, diesen Artikel offline schalten und einer gründlichen Überarbeitung unterziehen würden, auch, um ohnehin schon vorhandene Ressentiments nicht noch weiter zu schüren. (Für Kurse, die so grottig sind, wie Ihr Artikel suggeriert, möchte auch ich meine Steuergelder nicht verschwendet wissen!)