Seit Anfang Juli proben sie schon: rund 20 Leute, ungefähr die Hälfe sind Geflüchtete. Einmal wöchentlich erarbeiten sie sich unter der Leitung der Schauspieler und Theaterpädagogen India Roth und Hauke Horeis den Stoff von Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ ganz neu. Vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen mit Einsamkeit, Isolation, aber auch den Abenteuern in einer völlig neuen Umgebung, machen sie dabei spannende Entdeckungen.
So kann Integration gelingen
Die Projektleiter verstehen das Theaterprojekt als Möglichkeit für gelingende Integration, die sie als lebendigen Prozess zwischen allen Beteiligten betrachten. Geprobt wird in der Schule für Schauspiel Hamburg, die die Probenräume kostenlos zur Verfügung stellt. Am 15. und 16. November wird es zwei Aufführungen in der Kulturwerkstatt/Hebebühne Altona, Barnerstraße 30, geben. Grimme-Preisträgerin Marie Bäumer konnte als Schirmherrin für das Projekt gewonnen werden.
Das Flüchtling-Magazin fragte India Roth nach ihrer Motivation für das Projekt.
India Roth kam durch die Arbeit ihrer Mutter, die als Therapeutin und Familienhelferin auch mit Asylsuchenden arbeitetete, schon früh in Berührung mit der Flüchtlingsthematik. Roth: „2015 war ich erschüttert von dem Leid, das viele Menschen aus ihrer Heimat wegtreibt und gleichzeitig habe ich gesehen, wie groß die Aufgaben sind, die wir meines Erachtens gemeinsam und im friedlichen Dialog bewältigen müssen.“
Eine Reise, die das Selbstbewusstsein stärkt
Dabei ist ihr wichtig, dass Hilfe immer Hilfe zur Selbsthilfe ist. Und genau darin sieht sie auch die große Möglichkeit von Theater und Schauspiel: Menschen begeben sich auf eine Reise, die über das Projekt hinausgehen kann, ihr Potential entfaltet und ihnen größeres Selbstbewusstsein gibt.
Neben allen kulturellen Unterschieden erlebt es India Roth als große Bereicherung und Inspiration, wenn bei der Probenarbeit echte Begegnung auf der Bühne stattfindet. Gerade auf der Bühne ist es wichtig, auch Nähe zulassen zu können. Dennoch ist es ihrer Erfahrung nach wesentlich, dass ein privater Raum geschützt wird und das Projekt sie nicht 24/7 in Anspruch nimmt. Sonst „kann die Gefahr drohen, irgendwann auszubrennen“, so Roth.
Eine gemeinsame Sprache durch das Theater
Für die Mitwirkenden des Projektes wünscht sie sich die Erfahrung von Tiefe und Leichtigkeit gleichermaßen, gerade für Menschen mit Traumata. Die größte Herausforderung stellt die Projektorganisation durch unterschiedliche Vorstellungen von Pünktlichkeit und Arbeitsethos dar. Besondere Höhepunkte dagegen sind die Momente, in denen Menschen sich durch die Sprache des Theaters über das Sprechen einer gemeinsamen Sprache hinaus auf der Bühne plötzlich verstehen und begegnen.
Für sich selbst empfindet India Roth das Projekt als wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Partizipation. Etwas, was sie jedem Menschen wünscht. Integration versteht sie als Dialog, als Prozess von allen Seiten. Das heisst, dass alle Beteiligten voneinander lernen können und müssen. Eine multikulturelle Gesellschaft ist für sie gleichbedeutend mit einer Offenheit, die es möglich macht, einerseits wesentliche Werte zu verteidigen und gleichermaßen bereit zu sein zu lernen. Dazu kann ihrer Erfahrung nach jeder Mensch im Kleinen beitragen: „Wie eine Familie auch ist die Welt alles andere perfekt. Aber zusammenleben müssen wir und dabei gibt es zum Glück auch vieles Schöne selbst im Unperfekten zu entdecken.“
Aufführungen „Robinson Crusoe – Gestrandet in Metropolis“:
15. & 16. November 2017, 19.30 Uhr (Einlass: 19 Uhr)
Kulturwerkstatt/Hebebühne Altona, Barner Straße 30 im Hinterhof.
Eintritt frei, auf Spendenbasis.
Um Anmeldung wird gebeten unter: