In diesem 3. Teil der Reihe mit Missverständnissen stellen die Autoren abermals Beispiele aus dem Alltag vor:
Zum Beispiel: In den Ruhestand verabschiedet
Vor einigen Jahren bin ich in Pension gegangen, erzählt Susanne Krüger, und die Hochschule, mein letzter Arbeitsplatz, hat unter der Überschrift: „In den Ruhestand verabschiedet“ auf der Homepage darüber geschrieben und über mein Leben an der Hochschule berichtet.
Ein früherer Bekannter aus Uganda, der jetzt wieder in seiner Heimat lebt, hat wohl meinen Namen gegoogelt und die Nachricht falsch verstanden. Er meinte, ich wäre gestorben! Er hat dann sehr nett über mich geschrieben. Mein erster Nachruf!
Zum Beispiel: Was Blicke sagen…
Viele von uns glauben, dass die Unterschiede zwischen Gesellschaften einfach sind. Doch wenn wir ohne Diskussionen das praktizieren, was in einer Kultur üblich ist, kann es zu großen Missverständnissen führen.
Meine chinesische Freundin Uning erzählte mir, dass sie in Deutschland manchmal unter Missverständnissen leidet, wenn sie mit einem Deutschen spricht. Sie hatte vor einiger Zeit bemerkt, wie verschieden Gespräche in beiden Kulturen ablaufen, aber nicht gewagt zu fragen.
In der chinesischen Tradition sollte der Zuhörer, wenn eine Person mit einer anderen spricht, nicht direkt in die Augen des Sprechers schauen. Das Betrachten der Augen des Sprechers bedeutet Missachtung oder Skepsis gegenüber dem, was dieser sagt. Daher sollte der Hörer nur zuhören und den Redner von Zeit zu Zeit nur kurz ansehen.
Im Gegenteil zu China, sollte in Deutschland der Zuhörer sich auf den Redner konzentrieren und mit ihm kommunizieren, indem er ihn ständig ansieht. Denn die mangelnde Rückversicherung stört ihn und ist ein Mangel an Respekt und Interesse am Sprecher.
Natürlich ist es üblich, dass ein Redner in China häufig nicht auf Rückmeldungen oder Diskussionen wartet, sondern er weiß genau, was er sagen möchte. Er fordert nur die Zuhörer auf, zuzuhören und sich auf das zu konzentrieren, was er sagt. Während der Redner in Deutschland daran interessiert ist, dem Zuhörer und dessen Reaktionen zu folgen, bemerkt er doch somit das Ausmaß der Akzeptanz seines Vortrags und es ermutigt ihn, fortzufahren oder anzuhalten.
Zum Beispiel: Musiker oder Bettler
Nach unserer Ankunft in Deutschland vor vier Jahren und nachdem ich erste Schritte unternommen hatte, um die erstaunlichen Straßen und Gärten Hamburgs zu erkunden, wurde ich auf das Phänomen der Musiker auf den Straßen und der umgekehrten Hüte aufmerksam, in die einige Passanten ihnen Münzen mit unterschiedlichem Wert gaben.
Musik war die einzige Sprache, die ich mit Passanten geteilt hatte. Doch ich hielt die Musiker für arbeitslos, eine Art Bettler. In unserer Stadt, in der ich in Syrien lebte, habe ich ein solches Phänomen nicht erlebt. In den großen Städten waren Bettler verbreitet, die so tun als wollten sie helfen und dann Geld verlangen.
An einem Tag vor ungefähr einem Jahr, wo ich auf meinem täglichen Weg zur Sprachschule die Fußgängerbrücke überquerte, hatte ich das Gefühl, dass die Straße leer war, obwohl sie mit Fußgängern überfüllt war. Dann bemerkte ich, dass der Gitarrist, der mit seiner Gitarre voller Leben und Vertrautheit war, heute abwesend war.
Am nächsten Tag kam ich mit einem Lächeln auf ihn zu und er antwortete mit einem Lächeln, das ausreichte, um mich den ganzen Tag glücklich zu machen.
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*Dieser Artikel wurde im Schreibtandem mit Angham Mezher* Tilla Lingenberg geschrieben.