Wir lernten uns im Februar 2017 in einer Facebook-Gruppe für tätowierte Singles kennen. Was Dates anging, war ich allerdings ein wenig scheu und es vergingen ein paar Wochen, bis wir uns das erste Mal trafen. Dieses Treffen war dann aber besonders. Wir schrieben an diesem Tag und er berichtete mir, dass es ihm nicht gut ginge – sein Asylantrag wurde zum wiederholten Male abgelehnt und ihm drohe eine Abschiebung. Er floh 2014 aus Syrien und landete zuerst in Spanien, weshalb er ein Fall für die Dublin 02-Verordnung ist. Ich weiß nicht genau wieso, vielleicht war es meine fürsorgliche Ader und linksliberale Einstellung, aber ich wollte ihn an diesem Tag kennenlernen und ihm in dieser schwierigen Zeit beistehen.
Also vereinbarten wir ein spontanes Treffen. Er holte mich vom Bahnhof ab und wir gingen ganz romantisch essen – bei McDonald’s. Er sprach bereits gutes verständliches deutsch, sodass wir uns leicht unterhalten konnten. Sowieso ist er ein absoluter „Musterflüchtling“: Er befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in seiner Berufsausbildung, hatte eine eigene Wohnung und ein Auto. In dieser Woche haben wir uns täglich getroffen und schnell kamen Gefühle dazu. Dann wurde es ernst: Wir kamen zusammen.
„Für ihn gehören sie zur Familie und es ist ihm egal welche politische Einstellung sie haben“
Am Anfang machte es den Eindruck, dass meine Familie ihn mochte und akzeptierte. Bis es im Sommer zum großen Knall kam. Es war kurz vor meinem Geburtstag im August, als er mir erzählte, dass er mir einen Ring schenken wolle und sich mit mir verloben möchte. Nach nur sechs Monaten. Deshalb hat er sich mit meiner Schwester in Verbindung gesetzt, doch diese reagierte sehr negativ. Sie fand es einfach zu früh für eine Verlobung und sein Hintergrund machte sie misstrauisch. Sie machte sich Sorgen, ob er es wirklich ernst meinte oder nur auf eine „Scheinehe“ aus war. Doch wie sich herausstellte, war das Ganze ein riesiges Missverständnis: Er erklärte mir, dass er mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht heiraten wollte. Für ihn war diese Verlobung rein symbolisch, als Zeichen, dass wir zusammen gehören. Danach hat es aber noch einige Zeit gedauert, bis meine Schwester ihm wieder vertraute und sich die Beziehung zwischen den Beiden besserte.
Auch meine andere Schwester sah das Ganze kritisch. Sie und ihr Partner haben einfach eine komplett andere politische Einstellung als ich und lernten ihn obendrein auch erst nach dem erwähnten Missverständnis kennen. Im Sommer fuhren wir zu ihrer Einweihungsfeier ins 500 km entfernte Bayern, an denen auch einige rechts-gesinnte Bekannte meines Schwagers teilnahmen. Trotz aller Bedenken liefen die Feier und das Kennenlernen sehr entspannt. Mittlerweile haben wir schon zweimal Weihnachten mit meiner Schwester und ihrem Partner gefeiert. Für mich sind diese Situationen wahrscheinlich aufregender als für ihn. Er ist in dieser Hinsicht einfach wesentlich entspannter. Für ihn gehören sie zur Familie und es ist ihm egal, welche politische Einstellung sie haben. Dennoch versuchen wir, Streit und unnötige Diskussionen über Politik zu vermeiden.
Die fast perfekte Beziehung
Dann kam unser Jahr: Anfang 2018 zogen wir in eine gemeinsame Wohnung und im Sommer machte er mir einen offiziellen Heiratsantrag – sogar meine Schwestern freuten sich für mich. Sie sind glücklich, solange ich es bin und akzeptieren unsere Beziehung, wenn auch mit einer gewissen Vorsicht. Mit seiner Familie gibt es ebenfalls keine Probleme, denn obwohl sie muslimischen Glaubens sind, sind sie sehr liberal mir und unserer Beziehung gegenüber. Im Herbst wurde ich schwanger, worüber sie sich sehr gefreut haben, obwohl das Kind unehelich entstanden ist. Leider gibt es noch einige Hürden zu nehmen, was unsere Hochzeit betrifft: Unser Antrag ruht noch beim Oberlandesgericht und auch das Klageverfahren um seinen Asylstatus ist noch offen. Unsere Zukunft ist deswegen noch unklar.
Unser Zusammenleben ist sehr einfach und harmonisch. Das liegt sicherlich auch daran, dass er gute Sprachkenntnisse hat und offen und tolerant erzogen wurde. Selbst wenn es mal zu Missverständnissen kommen sollte, können wir diese gut wieder auflösen. Eine Sache gibt es aber noch, die immer noch fehlt: Er hat nach wie vor kein Tattoo.
Eine Antwort
Ihr habt es geschafft, und ich gratuliere und wünsche Euch Beiden viel-viel Glück