Frau Doll, bevor Sie sich als Job Coach selbstständig gemacht haben, waren Sie Projektleiterin der „Initiative für traumatisierte Flüchtlinge“. Was hat Sie dazu motiviert, diese harte Aufgabe anzupacken?
Ich habe davor in einer Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gearbeitet. Dabei habe ich miterlebt, was Krieg, Folter und Flucht für verheerende Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben können. Es ist deshalb wichtig, dass den Betroffenen so schnell wie möglich professionell geholfen wird! Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht jedoch nur eine medizische Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen vor. Eine Psychotherapie wird meistens nicht genehmigt. Als die Stelle ausgeschrieben wurde, war mir klar, dass ich unbedingt dabei helfen möchte, diese Initiative mit auf den Weg zu bringen und damit die Situation von traumatisierten Flüchtlingen zu verbessern.
In Ihrem Buch „So finde ich Arbeit in Deutschland“ geben Sie in kompakter und präziser Form wertvolle Tipps für die erfolgreiche Bewerbung eines Flüchtlings.
Haben Sie auch potentielle Arbeitgeber nach deren Wünschen bzw. Vorstellungen angesprochen?
Aus vielen Gesprächen auf Messen, Veranstaltungen und im direkten Kontakt habe ich erfahren, dass die Wünsche und Vorstellungen an Bewerber mit Fluchthintergrund nicht anders sind als die an andere Bewerber. Wichtig ist ihnen vor allem ein Nachweis über die notwendigen Sprachkenntnisse. Fehlt dieser, ist es gut, sich persönlich vorzustellen oder anzurufen. Einige Arbeitgeber sind außerdem verunsichert durch Presseberichte über plötzliche Abschiebungen von geduldeten Asylbewerbern, die sich in festen Arbeitsverhältnissen oder in der Ausbildung befanden. Sie wünschen sich daher genaue Angaben über den Aufenthaltsstatus, was es jedoch für Personen mit Gestattung oder Duldung umso schwerer macht, eine Stelle zu finden – aktuell vor allem, wenn sie aus Afghanistan kommen und in Bayern leben.
Die deutsche Sprache ist nach wie vor das größte Hindernis für einen arbeitssuchende Flüchtling. Tun wir als Gesellschaft genug, um diese Lücke zu schließen?
Vor allem seit dem Sommer 2015 engagieren sich unzählige Menschen ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und geben kostenlosen Deutschunterricht. Ohne diesen Einsatz wäre es vielen Menschen nicht möglich gewesen, die deutsche Sprache so gut und so schnell zu lernen.
Mittlerweile ist auch das Angebot an allgemeinen und berufsbezogenen Sprachkursen von Seiten des BamF riesig und die Wartezeiten überschaubar. Was allerdings oft fehlt, sind Gelegenheiten zu einer „echten“ Kommunikation mit Deutschen, denn das in den Kursen Gelernte muss angewendet und geübt werden. Dafür eignet sich natürlich am Besten eine Arbeitsstelle!
Erhalten Sie Rückmeldungen von den Arbeitssuchenden oder auch von den Arbeitgebern? Besteht eventuell ein Kommunikationsfluss zwischen Ihnen und den anderen Stellen?
Von den Arbeitgebern erhalte ich als Job Coach in der Regel keine Rückmeldung, die erhält der Arbeitssuchende schon allein aufgrund des Datenschutzes selbst. Klappt es im ersten Anlauf mit der Arbeitssuche nicht, kommen viele wieder zu mir und wir arbeiten an weiteren Bewerbungen oder überlegen einen Strategiewechsel. Schön ist es immer, wenn jemand durch meine Hilfe einen Job findet und dann anruft oder vorbeikommt, um sich zu bedanken. Da freue ich mich dann richtig mit und bin glücklich, eine so wertvolle und nützliche Arbeit machen zu dürfen.
Was geschieht, wenn ein Flüchtling seine Berufserfahrung nicht nachweisen kann?
Oft wird behauptet, in Deutschland brauche man für alles einen Nachweis, sonst sei es nichts wert. Doch das stimmt nur bedingt, denn die Erfahrungen, die man gemacht hat, kann einem ja niemand nehmen. Alle beruflichen Tätigkeiten und jedes Jahr Schule, Ausbildung und Studium werden in den Lebenslauf aufgenommen und stehen dann für sich. Den meisten Arbeitgebern ist heutzutage bewusst, dass viele Menschen ihre Dokumente in der Heimat zurücklassen mussten oder diese auf der Flucht verloren haben. In einigen Berufen wird es schwierig, da ein bestimmter formeller Abschluss vorgeschrieben ist. Aber oft liegt die Entscheidung, ob die Berufserfahrung ausreicht, allein beim Arbeitgeber. Daher rate ich, bei jeder Bewerbung auch einen kostenlosen Probearbeitstag oder ein Vorab-Praktikum anzubieten. So kann sich der Arbeitgeber selbst vom Können des Bewerbers überzeugen.
Buch-Tipp: Viktoria Doll: So finde ich Arbeit in Deutschland, ISBN 978-3-8490-3156-5