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Auf der Flucht – starke Frauen berichten

Oranienplatz, Berlin. Es ist kurz nach neun Uhr am Samstagmorgen und schon jetzt sehr warm, das Thermometer auf dem Handy zeigt 28 Grad an. Die Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg vom hellblauen Himmel, an dem sich nur einige wenige Wolken befinden. Es der zweite Tag des Building Bridges Festival und der Tag beginnt mit einem einfachen Frühstück. Es gibt Brot, dazu wahlweise verschiedene, vegane Aufstriche oder Marmelade in den Geschmacksrichtungen Kirsche, Aprikose und Erdbeere. Die Erwachsenen genießen einen Becher frisch aufgebrühten Kaffee, für die Kinder wird Tee angeboten.

Die teilnehmenden Frauen sitzen auf buntgemusterten Decken im Schatten der Eichen, im Hintergrund spielt jemand leise Gitarre und der sanfte Wind bringt die Blätter der Bäume zum Rascheln. Die Stimmung ist friedlich, entspannt, man hört Kinder lachen und Menschen, die sich auf den verschiedensten Sprachen unterhalten: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Dari, Farsi, Arabisch und Kurdisch. Das Building Bridges Festival ist Treffpunkt für geflüchtete Frauen aus der ganzen Welt, alle Nationen und Altersklassen sind hier vertreten und gleichzeitig auch diejenigen, die diese Frauen durch ihre Arbeit unterstützen.

Gründe für die Flucht:

Die Gründe, warum Frauen fliehen, sind sehr unterschiedlich. Neben den allgemeinen Fluchtursachen wie politischer Verfolgung, Bürgerkriegen, Umweltkatastrophen und Armut, sind es vor allem die verschiedensten Formen von Gewalt, die die Frauen zur Flucht zwingen. Die Liste ist lang und reicht von häuslicher Gewalt über sexualisierte Gewalt, Ehrenmorde, Zwangsabtreibungen, Zwangsheirat, Zwangssterilisation, Genitalverstümmelungen und Vergewaltigungen. Gewalterfahrungen dieser Art enden oft auch dann nicht, wenn die betroffenen Frauen ihre Heimat verlassen haben. Sie sind während und nach der Flucht Gefahren ausgesetzt, können Opfer von Rassismus werden und sind auch in den Flüchtlingslagern oft nicht sicher. Diese geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründe spielen im Fluchtgeschehen eine große Rolle. Sie liegen auch dann vor, wenn Frauen grundlegende Rechte vorenthalten werden, wie beispielsweise das Recht auf freie Religionsausübung, das Recht auf Bildung und Arbeit. Und doch wurden diese, besonders die Frauen betreffenden Fluchtursachen, sehr lange nicht als solche anerkannt. In Deutschland wurden erst 2005 genderspezifische und nichtstaatliche Verfolgung als Grund für eine Schutzgewährung im Zuwanderungsgesetz aufgenommen. Doch auch die Umsetzung gestaltet sich als extrem schwierig. Der Nachweis ist oft nicht einfach, denn viele Frauen schweigen aus Scham, weil diese Form der Verfolgung einen sehr intimen Bereich ihres Lebens betrifft. Hinzu kommt die Unwissenheit: Viele Frauen haben keine Kenntnis darüber, dass geschlechtsspezifische Gewalt als Fluchtgrund anerkannt werden kann.

Women in Exile and Friends:

Um sich mit diesen Frauen zu solidarisieren und um ihnen eine Stimme zu geben, wird das Building Bridges Festival von der NGO Women in Exile and Friends organisiert.

„Unsere Organisation wurde 2002 von Flüchtlingsfrauen in Brandenburg gegründet“, erklärt die Aktivistin Doris Dede, „ich selber bin seit 2014 mit dabei. Wir setzen uns gegen die Diskriminierung von Frauen ein, vor allem gegen die Benachteiligung von geflüchteten Frauen. Diese Frauen sind in den sogenannten Flüchtlingslagern oft sehr isoliert, sie haben keine Stimme, keine Plattform. Das wollen wir ändern. Wir besuchen diese Frauen in den Lagern regelmäßig und stehen im engen Kontakt zu ihnen.“

Doris Dede. Foto Sophie Martin

Doris Dede ist 28 Jahre alt und seit nun schon acht Jahren in Deutschland. An der Universität in Berlin studiert die gebürtige Kenianerin Sozialpädagogik. Soziales und ehrenamtliches Engagement sind ihr wichtig:

„Der Großteil der Mitarbeiterinnen bei Women in Exile and Friends arbeiten ehrenamtlich, ohne Geld dafür zubekommen. Unsere Hauptaufgabe ist es, uns mit den geflüchteten Frauen, ganz egal aus welchem Land sie kommen, zu solidarisieren. Wir bauen eine große Community auf, innerhalb derer sich die Frauen austauschen können. Wir wollen die Isolation, das Alleinsein durchbrechen. Damit uns dies gelingt, müssen wir zunächst einmal Vertrauen aufbauen. Durch viele lange und intensive Gespräche gewinnen wir das Vertauen dieser Frauen, die oft misstrauisch sind, eben weil sie so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir sind wie eine große Gemeinschaft, unsere Strukturen sind sehr familiär. Der Kontakt dieser Frauen untereinander aber auch zur Außenwelt ist immens wichtig. Wir versorgen sie also mit aktuellen Informationen gerade zum Asylrecht, da dieses sich sehr schnell ändert, es gibt immer wieder neue Gesetze. Es ist wichtig, dass die Frauen diese kennen.“

Wenn man Doris Dede zuhört, dann merkt man anhand ihrer Stimmenlage und ihrer Gestik und Mimik, wie begeistert sie von dem ist, was sie tagtäglich tut. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen, ihre grünen Augen strahlen und gleichzeitig wirkt sie sehr entschlossen, fast schon energisch.

„Ziel unserer Arbeit ist es, den Frauen dabei zu helfen, sich selbst zu helfen. Um dies zu erreichen, bieten wir verschiedene Workshops an, beispielsweise im Bereich Empowerment. Aber auch Gesundheit ist ein großes Thema, gerade von seelischen Krankheiten wie Depressionen sind viele der Frauen betroffen. Wir haben Ärzte, die uns unterstützen, die beraten, die aufklären. Und wie gerade eben schon erklärt, bieten wir natürlich Asylsprechstunden an, durch Juristen, die sich auf diesem Gebiet auskennen.“

Doris Dede muss zurück zu dem Infostand, eine Gruppe von Frauen ist gerade aus Magdeburg angekommen und es muss noch geklärt werden, wo diese heute Nacht schlafen soll. Dafür gibt es eine eigens organisierte Schlafplatzbörse, mit geeigneten Hostels, aber auch Privatpersonen, die eine Couch oder eben ein Bett zur Verfügung stellen können.

Einsatz für die Frauenrechte. Foto  Sophie Martin

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