Sahar aus Afghanistan spricht über Artikel 3: Die Gleichheit aller Menschen. Für sie als Menschenrechtsaktivistin hat dieses Recht eine besondere Bedeutung.
Nach der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit ist die Gleichheit das dritte Grundrecht. Artikel 3 verpflichtet den Staat zur Gleichbehandlung aller Menschen. Manch einer mag hier schon aufhorchen angesichts der zahlreichen Diskriminierungen, die es in unserem Land leider immer noch gibt. Schauen wir uns Artikel 3 genauer an:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. [expand title = „Weiterlesen“]
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. [/expand]
Für Sahar Reza aus Afghanistan ist die Gleichheit aller Menschen nicht nur Teil des Grundgesetzes, sondern grundlegendes Menschenrecht, auch wenn sie es nicht überall vollständig umgesetzt sieht. Durch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte wird versucht, dieses Recht in jedem Land der Welt umzusetzen und auszuführen, wie Sahar weiß. Sie ist Journalistin und Menschen-, Frauen-, und Kinderrechtsaktivistin. In dieser Rolle sieht sie es als ihre Pflicht und Verantwortung an, diesen Artikel zu fördern und ihr Bestes zu tun, damit er in der Gesellschaft tatsächlich umgesetzt wird.
Wie der Sauerstoff einer Gesellschaft
Artikel 3 regelt die Gleichberechtigung aller Menschen. Niemand sollte vor dem Gesetz wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. „Dieser Artikel ist wie der Sauerstoff einer Gesellschaft. Ohne ihn wäre es ein solches Chaos im Land und dieser Artikel ist die Grundlage der Verfassung. Ohne ihn kann eine Verfassung nicht als demokratisch bezeichnet werden. Wenn er nicht hinzugefügt worden wäre, würden die anderen, folgenden Artikel nichts bedeuten“, kommentiert Sahar. Gleichzeitig findet sie aber auch, dass sich Deutschland mehr darauf konzentrieren müsste, die demokratischen Normen zu achten, sodass sie auch im täglichen Leben aller hier lebenden Menschen umgesetzt werden. Sie nennt ein Beispiel: „Der wichtigste Teil der Demokratie ist die Abstimmung oder Wahl. Sie wird mir vorerst wegen der Flüchtlingsgesetze vorenthalten. Das verstehe ich zwar, aber ich hoffe, dass ich in Zukunft wählen und in der Politik aktiv sein kann.“ Demokratie und Menschenrechte sind ihr sehr wichtig: „Ich habe in Deutschland Zuflucht gesucht, damit meine Grundrechte geschützt werden und damit ich in einem Land lebe, in dem die Menschlichkeit die größte Bedeutung hat.“
Gleichheit in Afghanistan
Die gleichen Artikel sind auch in der afghanischen Verfassung enthalten. Sahar hat aber die Erfahrung gemacht, dass die Gesetze nicht richtig umgesetzt werden und es gibt kein Organ, das sich darum kümmert, was in der Verfassung steht. „Wenn man Geld für Bestechung oder Kontakte in den Regierungsbüros hat, dann hat man Glück gehabt.“ Die Sache ist in Afghanistan auch deshalb kompliziert, weil nicht nur das Geschlecht zu Ungleichbehandlung führt, sondern auch Ethnizität, Sprache oder Religion. Sahar sagt: „Ich kann Afghanistan und die Grundrechte oder die Verfassung Deutschlands überhaupt nicht vergleichen und will es auch nicht, weil Deutschland zu den Spitzenländern beim Schutz der Menschenrechte und der Beseitigung von Diskriminierung gehört. Afghanistan ist ein Land, in dem Religion und Patriarchat eine größere Rolle spielen als die Verfassung.“
Umsetzung der Demokratie
Sahar erklärt, dass niemand sagen kann, wie eine Demokratie in Afghanistan jemals umgesetzt werden könnte, auch die Politiker im Land nicht. Ihrer eigenen Ansicht nach besteht der einzige Weg darin, dass es eine Trennung von Religion und Staat gebe. Die Menschen sollten sich nur als Bürger*innen des Landes bezeichnen. „Die Ethnizität, die Sprache und die Religionsfragen sollten aus der Gesellschaft entfernt werden. Die Menschen sollten nur einen Slogan haben: Wir sind Bürger dieses Landes. Die ethnischen, religiösen und sprachlichen Unterschiede sollten wir vergessen.
Die Grundrechte schützen jeden einzelnen Menschen der Gesellschaft vor ungleichen und unmenschlichen Handlungen. Jeder sollte dankbar sein, dass es eine Verfassung gibt, die seine grundlegenden Menschenrechte schützt“, schlussfolgert Sahar.
Die weiteren Artikel unserer Grundgesetz-Reihe findet ihr hier: Das Grundgesetz wird 70.