Das Land hat sich verändert, was auch zu einer politischen Spaltung führte. Anfangs konzentrierte die Politik sich darauf, die Geflüchteten sicher in Deutschland unterzubringen. Schon das war eine große und nur schwer zu bewältigende Aufgabe. Jetzt müssen wir das Zusammenleben lernen.
Flüchtlinge waren überall: Im Osten, Westen, Norden und im Süden. Die Bahnhöfe, die Turnhallen und die Camps waren voll. Sogar das Open-Air Flüchtlingslager mitten in Berlin war voll. In jeder Straße sah man Dutzende von ihnen. Für die meisten Deutschen waren wir alle gleich und hatten nur einen Namen: Asylsuchende.
Was uns unterscheidet
Ich war einer von diesen Menschen. Aber wer sind sie wirklich, die Flüchtlinge? Es gibt keine klare Definition von Flüchtlingen. Wir unterscheiden uns in unseren Traditionen, unserer Kultur, der ethnischen Zugehörigkeit und in der Religion. Wir haben unterschiedliche politische Orientierungen, Lebensstile, Akzente, Sprachen, Körpergröße und Augenfarbe. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Als nicht-religiöser Syrer und sunnitischer Muslim musste ich 2015 mit 9 unterschiedlichen und mir völlig fremden Personen in einem Zimmer schlafen. Davon waren zwei jesidische Kurden, einer Schiit aus Afghanistan, zwei Christen aus Syrien, einer aus Somalia und sogar einer aus Albanien. Von den übrigen zwei wusste ich die Nationalität nicht, da sie kein Englisch sprachen.
Was uns verbindet
Wir waren wie ein Salat in einer Schüssel. Ich lernte während meines Aufenthalts in der Unterkunft Gebärdensprache. Wir waren wirklich multikulti. Hinter jedem Flüchtling steckt eine Geschichte und diese Geschichten des Krieges, des Schmerzes bringen uns zusammen. Die traurige Asylreise von der Flucht bis zur Ankunft, vom Deutschlernen über die Integration bis zur Arbeitssuche bringt uns als Flüchtlinge zusammen. Die Warteschlange vor der Ausländerbehörde und dem Jobcenter macht uns ohne Zweifel zu Gleichgesinnten. Abends weinen wir, weil wir unsere Verwandten, Eltern, Familien vermissen und dann träumen wir schlecht. Die Flucht ist weder Option noch Traum. Als mich meine Lehrerin in der Schule fragte, was ich einmal werden will, war meine Antwort Pilot .Ich habe nicht geantwortet, dass ich ein Flüchtling im Traumland Deutschland sein will.
Was euch mit uns verbindet
Habt ihr einen von diesen Flüchtlingen getroffen? Habt ihr mit ihnen geredet? Ich bin sicher, dass ich die Hälfte der Unterhaltung bereits kenne, obwohl ich das Gespräch nicht gehört habe. Die Flüchtlinge sind traumatisiert. Sie haben schlimme und schöne Erinnerungen an die Heimat. Außerdem stehen sie hier unter Druck. Viele sind auf der Suche nach einer Wohnung, weil sie keine Lust haben, im Heim mit neun Personen in einem Zimmer zu leben.
Ich kenne viele, die davon träumen, ihre Kernfamilie (Ehefrau und die Kinder) nachholen zu dürfen. Etliche nehmen an den Sprachkursen teil. Viele absolvieren Praktika und leisten alles Mögliche, um den richtigen Weg in Deutschland zu finden. Viele haben jetzt Arbeit und zahlen Steuern. Nach 5 Monaten in Deutschland war ich beim ZDF und ich wurde gefragt, was ich in Deutschland machen will. Meine Antwort war: „Ich will Steuern zahlen!“ Nach zwei Jahren Steuern zahlen darf ich mich ein bisschen beschweren: Die Steuern sind sehr hoch in Deutschland.
Sowohl die Geflüchteten als auch die Deutschen kommen mit viel Neuem und Fremdem in Berührung. Daher verstehe ich die Ängste der Deutschen. Sie fürchten Islamisierung, Extremismus und Terrorismus und eine mögliche Veränderung der Lebensweise in Deutschland. Diese Ängste und die zukünftigen Herausforderungen müssen gemeinsam und frühzeitig angegangen werden. Wir müssen gegenseitigen Respekt voreinander zeigen und Toleranz lernen und üben. Die Kinder der Migranten müssen die deutschen Gesetze und die Verfassung als die wichtigste Grundlage des Zusammenlebens in Deutschland verstehen. Denn Deutschland wird ihre Heimat sein.
Eine Antwort
Danke Shadi Al Salamat für diesen schönen Text!