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Rappen für die Integration

Musik ist der verbindene Faktor unter Menschen und kann in ihrer Qualität des Ausdrucks Türen öffnen – sowohl in Geist & Seele als auch im Miteinander. Unsere Autorin Babette Hnup hat die integrativ interkulturelle Initiative „Rap for Refugees“ in Hamburg besucht.

Besuch bei den „Rap for Refugees“ in ihrem Hauptquartier in Wilhelmsburg. Jeden Mittwoch gibt Coach Jan Holler hier Workshops. Zum Anfängerkurs sind diesmal acht Kinder gekommen, im Alter von sechs bis 12 Jahren. Ein Mädchen ist dabei, ansonsten nur Jungs. Es ist ein kaum zu bändigender und kichernder Haufen. Aber Coach Jan behält den Überblick und verschafft sich Respekt. „Was ist nur heute mit Euch los?“ ruft er in das Chaos. „Jetzt nehmt Euch alle an den Händen! Und wir atmen ein … und aus …“. Es funktioniert, die Kinder hören langsam auf rumzualbern. Sie lernen hier nicht nur rappen, sondern auch den richtigen Körpereinsatz und Disziplin.

Bis zu 50 Aufritte hatten „Rap for Refugees“ 2018 bereits

Drei der Jungs greifen zum Mikrophon und legen los. „Ich geh meinen Weg wie Christiano Ronaldo …“ Klingt noch etwas wackelig, aber kann sich schon hören lassen. Dann kommen die älteren Profis und üben für ihren nächsten Auftritt bei 48h Wilhemsburg, einem Musikfestival. Bis zu 50 Konzerte haben die „Rap for Refugees“ in diesem Jahr bereits gegeben. Ihre Auftritte sind gefragt – von Hamburg bis Berlin, vom alternativen Gängeviertel bis zur hippen Rindermarkthalle.

Der gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, mit Rap Integrationsarbeit zu leisten. Aber „Rap for Refugees“ ist für alle, erklärt Coach und Mitglied Jan Holler. „Rap for Refugees steht eigentlich dafür, dass wir alle in irgendeiner Art und Weise Geflüchtete sind. Egal, ob man vor sich selbst flüchtet oder ob man vor Krieg flüchtet, oder wie auch immer. Und Rap for Refugees steht eigentlich für einen besseren Ort, den wir uns alle erträumen. Das heisst, es kann auch jeder mitmachen, der möchte.
Es geht in erster Linie nicht nur um Geflüchtete. Das wäre auch Quatsch, denn hier treffen alle aufeinander. Es geht einfach darum, Menschen zusammen zu bringen und gute Musik zu machen.“

Von der Straße für die Straße

Während im Hintergrund die Musikanlage wummert, erklärt er weiter: „Rap ist gut für die Integration, weil das relativ niedrigschwellig ist. Jeder spricht, jeder hat eine Sprache. Man muss keine wunderschöne Stimme haben, man muss kein Instrument kennen oder können oder besitzen. Jeder kann einfach sofort loslegen und Texte schreiben. Und selbst wenn er nicht schreiben kann, kann er sich die erst mal im Kopf ausdenken und auswendig lernen. Es ist außerdem egal, welche Sprache das ist. Dasselbe gilt eben auch für Beatbox, für Graffiti, für andere Formen des Hip Hop … also ich würde sagen, das ist einfach von der Straße für die Straße. Und jeder kann ohne irgendeine Grundvoraussetzung dabei sein. Da viele Geflüchtete deutschen Hip Hop hören, ist es einfach eine gute Sache um die deutsche Sprache zu lernen. Denn durch das Auswendiglernen von Texten kann man schon grammatikalische Grundformen mitbekommen.“

Hier sind alle mit Begeisterung dabei. Nino ist 15 und kommt ursprünglich aus Montenegro. An das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, musste er sich erst gewöhnen. „Es ist ein bisschen komisch, weil die Leute da stehen und mir zuhören und ich Aufmerksamkeit bekomme! Ich kann meine Gefühle ausdrücken und sie hören zu. Ansonsten bekomme ich nicht so viel Beachtung.“ Auch aus einem anderen Grund macht ihm das Rappen Spaß: „Ich habe eine schwere Zeit hinter mir. Beim Texte schreiben und rappen vergesse ich die schlechten Zeiten. Ich kann mich damit gut ablenken, deswegen macht es mir Spaß. Meine Eltern haben sich nach meiner Geburt getrennt. Bis ich vier Jahre alt war, blieb ich bei meiner Mutter. Dann hat sie mich zu meinen Großeltern gegeben und dort bin ich aufgewachsen. Und ich habe nie Mutterliebe erfahren.“

Ein gutes Gefühl, auf der Bühne zu stehen

Auch sein Cousin Daniel, ein paar Jahre älter, erinnert sich an seine Anfangszeit. „Wenn ich so drüber nachdenke … bei meinem ersten Auftritt war ich halt mega nervös. Aber mittlerweile ist das easy“, sagt er lachend. „Es ist ein gutes Gefühl, wenn die Menschen einem zujubeln. Das ist echt cool! Man wird so viel leichter, die Last wird leichter.“ Seit fünf Jahren rappt Daniel bereits. Sein Traum wäre es, davon einmal leben zu können. „Es würde mir auch sehr viel Spaß machen, das beruflich zu machen. Aber mir ist es dabei sehr wichtig, mir in meinen Texten treu zu bleiben. Das ist das Einzige was zählt, meiner Meinung nach. Und man sollte keinen auf Gangsta-Rapp machen, obwohl man den ganzen Tag zu Hause sitzt. Wenn du in Deinen Texten lügst, belügst du dich selbst. Am Besten ist, wenn man real bleibt.“

Daniel greift zum Mikro und probt mit Jan für den nächsten Auftritt in ihrem Kiez. „Wie, was, Wilhelmsburg? Wie, was Wilhelmsburg? Meine Jungs, meine Jungs, meine Jungs, 48 Stunden Wilhelmsburg!“ dröhnt es aus den Boxen. Coach Jan ist zufrieden: „Okay, und dann darfst Du auch mal meine Mädels sagen!“ Denn mit ihren Texten wollen sie alle ansprechen und zum Mitmachen bewegen. Das Konzept überzeugt – und die Musik auch. „Rap for Refugees“ ist ein Vorzeigeprojekt- das noch viel von sich hören lassen wird!

Rap-Workshops jeden Mittwoch von 17h bis 18h30 (Anfänger) und 19h-20h30 (Fortgeschrittene) im MEDIA DOCK in Wilhelmsburg. Mehr Infos auf der Website von Website von Rap for Refugees.

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Babette arbeitet als Videojournalistin und TV-Autorin in Deutschland und Österreich. Nach einem 15-jährigen Umweg über Paris, ist sie vor acht Jahren in Hamburg gestrandet. Seitdem genießt die Wienerin hier Meeresluft, Elbsand sowie die Weltoffenheit der Stadt.

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