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„Die Seele braucht etwas anderes als Materialismus“. Ein Dialog über den Glauben – Teil 3

In ihren "Dialog über den Glauben" steigen Julia Von Weymarn und Hussam Al Zaher diesmal gleich mit einer ganz schwierigen Frage ein: Was passiert nach dem Tod? Dazu eine Vorstellung oder Erklärung zu formulieren, ist vermutlich in keiner Kultur oder Religion einfach. Es sind also eher Fragen als Antworten, die Menschen gemeinsam bewegen, wenn es um Leben und Tod, um Seele und Sehnsucht geht – so auch bei folgendem Austausch:

Wenn du mich fragst, Hussam: Ich weiß nicht, was nach dem Tod passiert. Ich glaube nicht richtig an ein Leben nach dem Tod, zumindest nicht in menschlicher Dimension. Gleichzeitig glaube ich daran, dass keine Seele verloren ist, das heißt: Irgendwie, irgendwo in unserem Kosmos existieren die Energien oder Seelen weiter. In welcher Form – dazu vermag ich nichts zu sagen. 

Hussam, was glaubst du denn, was nach dem Tod passiert?

Weil ich religiös bin, glaube ich an das was im Koran oder der Bibel steht.

Was steht den im Koran über den Tod und was danach passiert?

Da steht, dass die guten Menschen ein gutes Leben nach dem Tod leben werden und die schlechten Menschen werden mit vielen Schwierigkeiten und Pein leben. Bis alle Menschen gestorben sind und es dann nochmal ein anderes Leben geben wird. Aber auch da können sie mit gute Menschen im Paradies leben, und die schlechten Menschen leben in der Hölle.

Welche Werte sind dir wichtig?

Die Frage ist ganz schwierig, weil sich die Frage mit anderen Fragen verbindet. Wer ist der Mensch?

Warum verbindet sich für dich diese Frage damit? Das verstehe ich noch nicht. Ich frage dich, Hussam, welche Werte dir wichtig sind.

Das hängt ab von der Frage, mit welcher Religion oder Kultur ich verbunden bin und ob ich ein guter Mensch bin.

Was heißt denn „guter Mensch“ für dich?

Ehrlichkeit gegenüber anderen, Respekt vor anderen, Offenheit für andere, Freiheit, Gleichheit, Liebe, Gefühl für andere und einander unterstützen – das sind vielleicht die Werte, die wir brauchen. Genauer gesagt: Respekt vor anderen, aber auch vor unserer Schöpfung, für die Erde, durch Offenheit Vertrauen geben und empfangen, Toleranz, Verbundenheit, Menschlichkeit – das heißt für mich:  Stärken und Schwächen zu zeigen und anzunehmen, Achtsamkeit, Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit, Aufrichtigkeit, Bewusstheit, Dankbarkeit, Gerechtigkeit, Großzügigkeit, Mitgefühl, Zuhören können.

Was ist dein Glaube?

Mein Glaube, das ist: Sicherheit, Liebe, Familie.

Was genau ist dabei dein Glaube? Glaubst du an Sicherheit oder hoffst du auf Sicherheit? Ist es ein Wunsch nach Sicherheit oder ein Wissen um diese Sicherheit ? Oder gibt der Glaube dir Sicherheit?

Warum ist unsere Gesellschaft in Syrien eine stark gläubige Gesellschaft? Weil der Mensch sehr schwach ist von Natur aus. Die Schwachheit entsteht durch Unwissenheit, durch Unkenntnis von Wissenschaft und durch die Regierung, die eine Diktatur ist. Da der Mensch sehr schwach ist, muss er an seine Familie glauben, da sie ihn mit Worten, mit Mitgefühl und mit Zärtlichkeit unterstützen kann. Und Menschen glauben an Allah, weil er sehr stark ist mit allem, was wir brauchen. Er schickt uns Stärke, Geduld, Werte und Gesetze, so dass wir überleben und leben können.  Aber hier, wo es keine Diktatur gibt, wo Menschen nicht geschwächt einer dominanten Regierung gegenüber stehen, hier glaubt der Mensch nur an sich selbst.  Er braucht nichts anderes zum Glauben, zum Leben, sondern er glaubt an sich, weil die Gesellschaft an sich glaubt.

Dann stellt sich doch die Frage: Warum gibt es deiner Meinung nach überhaupt noch religiöse Menschen hier?

Weil die Geschichte der Gesellschaft dieselbe Geschichte ist wie für unsere Gesellschaft, mit Diktatur und Unwissen vor fast 60 Jahren. Die Menschen glauben bis jetzt, weil das Tradition ist. Die Menschen brauchen noch mehr Zeit, um die Traditionen zu vergessen oder zu verändern.

Aber Menschen glauben auch deshalb, weil die Seele etwas anderes braucht als Materialismus. Sie braucht ein kosmisches Gefühl.

Ich glaube, du hast Recht. Es ist ein Stück Tradition, aber stärker ist, glaube ich, die Sehnsucht – nach Spiritualität, nach mehr als dem irdischen Leben, nach etwas, was über uns hinaus wirkt und Bestand hat. Auch nach etwas Unerklärlichem, etwas was wir nicht wirklich erfassen können mit unserem Intellekt. Dass wir so viele Wunder der Natur, der Erde erforscht haben, macht uns nicht glücklicher. Es geht uns etwas verloren an Größe, an Geist und Geheimnis. Wir brauchen das!

Du hast ganze toll beschrieben, was wir brauchen!

Was genau macht die Religion mit dir, Hussam?

Der Glauben gibt mir Sicherheit, Liebe, Glück, Erfolg und das Leben. Ohne Glauben kann ich nicht leben. Nicht nur, weil ich mit Religion aufgewachsen bin, sondern weil ich mit meinem Glauben viele schwere Zeiten überstehen kann.

Im Gespräch mit Julia Von Weymarn

 

Weitere Dialoge über den Glauben sind hier zu finden:

“Wir können das Paradies auf Erden nicht machen”. Ein Dialog über den Glauben

“Ohne Entscheidungen kann man nicht leben”. Ein Dialog über den Glauben – Teil 2

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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