Kulinarisch ist bei Benjamin seit 30 Jahren alles dabei. Von afghanischer bis zu thailändischen Küche, von Besteck über Stäbchen oder einfach nur von der Hand in den Mund – das Essen war sein größter Verbündeter in seiner Kindheit und öffnete Türen zu Menschen und Kulturen, die sein Leben geprägt haben. Benjamins Herz ist zu vergleichen mit einem T-Bone Steak. Eine Seite hat sich der Gastronomie verschrieben. Seit über zehn Jahren von der Branche fasziniert, hat er viele unterschiedliche Stationen durchlaufen. In den letzten Jahren hat er sich vor allem mit Prozessen und dem Aufbau von Events, Caterings oder Restaurants beschäftigt. Das Filet ist geprägt von sozialer Arbeit. Nach beruflichen Reisen durch Malawi, Indonesien und Palästina war es nur eine Frage der Zeit, dass er die Gastronomie mit dem Sozialen verbindet. (www.refugee-canteen.com)
-FM: Was ist Refugee Canteen?
Refugee Canteen ist eine Akademie für Menschen, die geflüchtet sind, für Menschen mit Migrationsbiografie. Eine Akademie, die Menschen ausbildet für die Gastronomie. Wir machen das in zwei Modulen: 7 Wochen Akademie, 7 Wochen Praktikum. Das Ziel ist immer, dass die Menschen danach in eine Ausbildung gehen oder in einen festen Job, also keine Hilfsarbeit, sondern wirklich einen festen Arbeitsplatz bekommen oder eine Ausbildung.
Wir machen das nicht nur für Geflüchtete, Refugee Canteen ist ein Projekt für alle Menschen, für Deutsche, Iraner, Syrer, Afrikaner, für jeden, der Lust hat. Weil wir glauben: Das ist Integration. Ein Deutscher in einer Küche, ein Syrer in einer Küche, ein Afghane, ein Mensch aus Ghana, alle zusammen in einer Küche, das ist Integration.
-Warum heißt es dann Refugee Canteen und nicht Human Canteen?
2015 gab´s ein Projekt von einer Stiftung und die Stiftung hat mich gefragt: Hast du eine Business-Idee, was wir mit Geflüchteten machen können? Und ich habe gesagt: Ja, ich habe eine Idee und die Idee ist: Refugee Canteen. Ich mache eine Kantine, wo Geflüchtete kochen lernen, Service lernen, Bar lernen, alles was sie brauchen. Und dann habe ich irgendwann gedacht, nur Geflüchtete ist nicht gut, weil das ist keine Integration. Ich sagte, ich mache das Programm auf. Hauptsächlich suche ich Geflüchtete, aber wenn ein Deutscher kommt und sagt, ich möchte das auch machen, finde ich es gut.
-Wie bist du das erste Mal auf diese Idee gekommen?
Ich war in Indonesien, ich habe dort gearbeitet und dann bin ich nach Deutschland gekommen. Als ich die ganzen Messehallen, mitten in der Stadt, die ganzen Flüchtlingserstaufnahmeunterkünfte gesehen habe, hab ich mich gefragt: Wie kann ich helfen? Ich wollte nicht Fußball spielen oder einkaufen gehen. Das fand ich alles sehr langweilig. Ich wollte Menschen einen Job geben. Deswegen hab ich gesagt: Ich mache eine Kochschule auf. Ich zeige ihnen wie das Kochen geht, damit sie ein Job kriegen.
– Arbeitest du auch als Koch?
Ich bin kein Koch, aber ich habe zwei Köche, zwei Trainer. Hier können immer 16 Leute arbeiten und zwei Trainer. Sie arbeiten drei Monate hier, drei Monate im Praktikum, danach sollen sie einen festen Job bekommen oder eine Ausbildung. Besser wäre eine Ausbildung. Das bedeutet, im Jahr sind das hier ungefähr 50 Leute in der Akademie.
– Was muss ein Mensch machen, um hier teilzunehmen?
Jeder, der hier mitmachen möchte, muss beim Jobcenter sein, keine Sozialbehörde. Jeder kann eine Mail schreiben oder hierher kommen und sagen: Ich möchte hier mitmachen. Dann führen wir mit ihnen unser eigenes Gespräch und fragen: Warum möchtest du mitmachen, möchtest du wirklich bei der Gastronomie mitmachen? Dann gehen wir mit ihm zum Jobcenter und er bekommt dort einen Gutschein. Dann kann er das machen. Es ist sehr, sehr einfach. Er muss mindestens Sprachniveau A2 oder B1 haben, B1 ist besser. Bei uns sprechen alle auf Deutsch. Einmal pro Woche machen wir ein bisschen Sprachtraining, keinen Deutschunterricht. Wir lernen Sachen auszusprechen: Das ist eine Pfanne, das ist ein Sparschäler. Mit richtigem Akzent, damit man verstanden wird. Die ganze Akademie ist auf Deutsch. Und das ist sehr wichtig, dass man Deutsch lernen kann. Wenn einer was nicht versteht: Wir können alle auch Englisch.
– Kochen die Teilnehmer auch internationales Essen?
Sie lernen hier internationales Essen. Wir haben hier eine Kooperation mit 20 Hotels. Alles, was sie in Hotels kochen, also sehr internationales Essen, das zeigen wir. Kein arabisches Essen. Weil in einer Ausbildung, da lernst du kein arabisches Essen. Deutsch, Französisch, Italienisch. Wir wollen zeigen, wie es am besten geht, damit sie es können. Ich glaube, sie können alle sehr gut arabisch kochen. Sie müssen lernen, wie wir kochen.
– Wie kann man Euch unterstützen?
Wir sind eine gemeinnützige Firma, wir können immer gut Spenden gebrauchen, aber nicht nur Geld, vielleicht kennt jemand ein Restaurant, das noch Auszubildende braucht, das Mitarbeiter braucht. Oder noch ein anderes Restaurant, das Hilfe braucht, so können wir die Leute dort hinschicken. Oder einen guten Gemüsehändler, dem wir sagen, wir können einen Special Deal machen. Das sind Arten, wie man uns unterstützen kann. Wir bekommen unser Geld vom Jobcenter. Das Jobcenter bezahlt unsere Arbeit.
– Macht Ihr auch Party oder Events?
Wir machen immer wieder mal „Tag der offenen Türe“, also Open House, Open Days. Wir laden sehr viele Freunde zu uns ein, gehen manchmal in die Hotels mit allen Schülern, sie können sich das anschauen. Wir haben keine speziellen Events, weil das eine Akademie ist, ein Training. Keine Eventlocation. Aber wir freuen uns, wenn jemand sagt: Ich hab eine Idee. So in drei Wochen, da kommt Food Swap hierher und wir machen mit Food Swap hier draußen eine Party. Dann machen wir ein Special Event. Wenn das Wetter gut ist, dann machen wir solche Sachen.
– Ist das momentan der erste Kurs?
Das ist die erste Runde, nächste Woche gehen alle Schüler in ein Praktikum, danach ist die zweite Runde. 12 oder 16 Leute. Gemischt, aber im Moment mehr Geflüchtete.
– Wie ist Deine Bilanz nach einem Jahr Arbeit?
Wir wollen dieses Jahr viel wachsen, wir haben ein paar Anfragen in anderen Städten. Wir bleiben in Hamburg, bei dieser Küche, aber wir werden bald auch nach Kiel gehen, Hannover, Berlin, Düsseldorf. Da, wo überall Menschen Hilfe brauchen, wollen wir sein. Jeder Schüler, der hier bei uns ist, wird noch ein Jahr betreut. Das heißt, wenn er Probleme hat in der Ausbildung, im Job, im Leben, kommt er zu uns und sagt: Ich hab ein Problem, mit meinem Chef funktioniert es nicht, mir geht es nicht so gut, ich brauche vielleicht einen Arzt, oder ich brauche Nachhilfe, so betreuen wir Menschen. Aber wir wollen in einem Jahr drei neuen Küchen in anderen Städten aufbauen!
– Was ist Deine Meinung über die Integration hier?
Ich glaube, dass Bildung, Qualifizierung, Lernen der wahre Weg für Integration ist, das ist der Erfolg. Ich glaube, wenn man arbeitet, kann man sehr viel, sehr schnell lernen. Weil, man muss sprechen. Wenn man zu Hause studiert, studiert man für sich alleine, bei der Arbeit muss man mit Menschen sprechen. Ich glaube, das ist sehr wichtig und es ist sehr wichtig für unsere Partner zu verstehen, dass Refugees auch Menschen sind. Und Gastronomie gab es schon immer mit vielen Geflüchteten, in jeder Küche, überall auf der Welt. In Dubai sind Deutsche in der Küche, sind Chinesen in der Küche. Wichtig ist die Kommunikation. Und jeder Mensch ist gleich, egal woher er kommt, das ist wichtig. Und jeder Mensch muss auch gleiche Chancen haben. Wir möchten nicht, dass Geflüchtete an der Spüle arbeiten. Ich möchte, dass jeder Geflüchtete, jeder Mensch, der Koch werden will, Koch werden soll. Und nicht, weil er nicht so gut Deutsch spricht, nur Teller spült. Das ist falsch. Jeder Mensch soll eine Chance bekommen.
– Du machst auch ganz viel über Social Media? Denn jeder kennt Refugee Canteen!
Wir machen das hier, damit alle Menschen sehen, dass Geflüchtete keine schlechten Menschen sind und genauso viel Spaß haben. Viele rufen mich an und fragen: Gibt es ein Problem? Sind das schwierige Menschen? Ich sage: Warum? Das sind nur Menschen! Wenn ich nur darüber rede und sage: Heute haben wir in der Küche gekocht, hat keiner ein Bild im Kopf. Aber wenn ich ein Bild zeige, wo alle glücklich sind, alle Respekt vor einander haben, ist das sehr gut. Ich glaube, Social Media ist auch deswegen gut, weil sie nicht nur in Hamburg ist, die ganze Welt kann sehen was wir machen. Wir sind auf Instagram, Facebook und Twitter. Instagram ist das stärkste Medium für uns, es geht dort sehr sehr schnell.
Hannah Hillebrand von der Refugee Canteen:
Die Menschen, die in der Küche arbeiten, stehen für Hannah an erster Stelle. Nach Reisen auf dem afrikanischen Kontinent, vielen Erfahrungen im Bereich der sozialen Arbeit und einem Psychologie-Studium wollte sie etwas “mit den Händen machen”: ganz einfach mehr Praxis, mehr Kollegen, weniger Theorie! Geleitet von ihrer Leidenschaft, dem Kochen, machte sie eine Ausbildung zu Köchin. Hier erfuhr Hannah, was ihr wirklich Spaß macht: für jeden Menschen die richtige Motivation finden, die richtige Aufgabe, die richtigen Worte. Ihre beiden Leidenschaften kann sie in unserem Projekt kombinieren, denn Menschen begleiten und zu sehen, wie sie Freude an einer Tätigkeit entwickeln, sodass sie über sich hinauswachsen – das ist ihre Motivation.
-Warum machst Du mit bei Refugee Canteen?
Ich habe Psychologie studiert und danach eine Kochausbildung gemacht. Ich hab das Gefühl, dass ich hier meine beiden Leidenschaften kombinieren kann. Ich kann hier mit Menschen arbeiten, die gerne in der Gastronomie arbeiten möchten und ein bisschen Hilfe brauchen bei den ersten Schritten. Das ist eine gute Arbeit, die mir gefällt.
– Wie steht es hier um die Integration?
Integration in den Arbeitsmarkt gelingt in diesem Fall sehr gut. Bei uns lernen die Geflüchteten die Grundlagen, die sie benötigen, um irgendwann einen guten Job anfangen zu können. Aber sie lernen noch viel mehr, was wichtig ist. Man muss Karotten schälen können, aber man muss vor allem auch ein Gespür für sich selber und seine Arbeit bekommen. Ich glaube, dass wir hier für diese Maßnahme die Zeit haben, den Leuten etwas Raum zu geben. Sie können hier erst mal ankommen und können dann weitere Schritte machen. Aber hier sind sie erst mal in einem geschützten Raum. Das finde ich wichtig.
– Also macht Refugee Canteen Integration?
Durchaus! Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft. Für mich ist egal, wer da vor mir steht, ob Deutscher, Syrer, Türke oder Holländer, ist mir ganz egal. Wir möchten, dass alle Menschen, die in der Gastro arbeiten möchten, sich hier integrieren können. Wir sind ein festes Team. Das ist die Integration, die hier anfängt. Deswegen sagen wir nicht nur Geflüchtete, sondern wir sagen: Menschen.
– Warum heißt es dann Refugee Canteen?
Wir dachten erst, dass wir nur mit Flüchtlingen arbeiten möchten. Das war am Anfang die Idee, dann hatten wir aber auch Anfragen von z.B. Deutschen. Wir sagten: Warum sollen wir ein Programm machen nur für Syrer, Afghanen, Eritreer? Der Name war die erste Idee, danach haben wir unsere Idee weiter entwickelt. Jetzt haben wir den Namen, aber eigentlich geht es um die Menschen.
Kamal Ameri von der Refugee Canteen
Ich heiße Kamal Ameri, ich komme aus Afghanistan. Ich bin seit drei Jahren hier in Deutschland. Ich bin in Afghanistan geboren, aber aufgewachsen im Iran. Ich mache seit fast drei Monate beim Kochkurs mit. Auch in Zukunft möchte ich weiter als Koch arbeiten. Ich werde dann für die Menschen ein leckeres Essen zubereiten können. Hier gibt es viele Möglichkeiten bei der Refugee Canteen. Das war wie ein Hobby für mich und ich hoffe, dass es weiter gut geht.
– Was hast du hier gelernt?
Ich habe viele Rezepte gelernt. Zum Beispiel heute haben wir gelernt, wie man Kroketten macht. Oder Ciabatta, das ist ein Brot aus Italien, oder Osso Buco oder Sushi. Verschiedene Suppen haben wir auch zubereitet. Eierspeise, Fenchelbrot und noch mehr Sachen. Und wir werden noch mehr lernen.
– Was möchtest du in der Zukunft machen?
Koch werden und einen gutes Restaurant haben, gutes Essen machen.
– Internationales Essen oder afghanisches Essen?
Internationales Essen, aus vier verschiedenen Ländern: Iran, Afghanistan, Deutschland, Griechenland. Weil ich die Sprachen kenne, ich habe auch dort gelebt.
– Was ist deine Nachricht für die Deutschen und die Geflüchteten?
Dass die Menschen, egal wo sie herkommen, die Geflüchteten, versuchen, weiter zu machen: viel lernen und mit Herz lernen. Die deutsche Sprache erlernen. Und ihre Zukunft aufbauen. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten in vielen verschiedenen Bereichen. Zum Beispiel als KFZ-Mechaniker oder Koch. Es gibt viele Möglichkeiten, aber man muss es auch wissen. Miteinander sprechen, Kontakte knüpfen, in die Gesellschaft rein kommen, sich nicht zurückhalten. Einfach fragen. So geht es. Und die Leute helfen. Die Deutschen helfen. Flüchtlinge müssen sich auch überlegen, was sie hier machen können. Und Hoffnung haben. Das ist meine Nachricht.
Mit Eugenia Loginova hat diesen Artikel geschrieben.