Platz für Anzeige

Liebes Jobcenter, ich habe einen Traum…

Wael Alkadrw kommt aus Syrien, flüchtete aber aufgrund des Kriegs nach Deutschland. Trotz seines Masters in Bio- und Chemie-Ingenieurswesen bekommt er hier keinen Job in dieser Branche und macht derzeit eine Ausbildung zum Maler. Seine Hoffnung, irgendwann wieder in seinem Traumberuf zu arbeiten, formuliert er in diesem Brief.

Photo by Cytonn Photography on Unsplash

Liebes Jobcenter,

ich bin Wael Alkadrw, der Mann mit der Kundennummer 632. Ich schreibe dir, weil ich weiß, dass dir Papier wichtig ist. Und ich hoffe, dass du dieses Dokument aufmerksam liest. Ich möchte etwas über meine Träume und die Entscheidungen schreiben, die du über mich triffst.

Ich freute mich auf die Zukunft 

Der Krieg in Syrien hat über mich entschieden, dass ich meine Heimat verlassen musste. Ich habe nie davon geträumt, ein Flüchtling in deinem Land zu sein. An der Universität von Damaskus habe ich von einer Karriere als Chemiker geträumt. Eine Zeitlang sah alles gut aus. Meine Eltern waren stolz auf mich und ich freute mich auf die Zukunft, die mir bevorstand.

Im Krieg konnte ich über ein Stipendium an eine Universität in Spanien gehen. Ich dachte immer: Wenn das Stipendium ausläuft, kann ich zurückkehren, in ein Land in Frieden. Stattdessen musste ich einen neuen Ort finden, der mir Asyl gewährt. So kam ich nach Deutschland.

Jetzt bin ich also hier. Das haben wir uns beide nicht so vorgestellt. Aber zum Glück haben wir eines gemeinsam: Wir beide wollen Arbeit für mich finden!

Du ahnst nicht, wie sehr ich meine Träume und Ziele aus meiner Heimat vermisse! Sie bekommen hier einfach keine Aufenthaltsgenehmigung …

Nun übermale ich meine Träume

Zum Glück gehöre ich nicht zu den Menschen, die leicht aufgeben. Ich möchte so gerne etwas Gutes tun für dieses Land, Deutschland, das mir den Frieden und die Sicherheit gegeben hat. Ich möchte eine aktive Person in dieser Gesellschaft sein!

Weil Du, liebes Jobcenter, es so entschieden hast, besuche ich derzeit eine Maßnahme, um den Beruf des Malers zu erlernen. „Man kann jede Arbeit lernen!“, sagte einer deiner Mitarbeiter (etwas unfreundlich) zu mir. „Von UNS bekommen Sie Ihr Geld! Deshalb treffen WIR die Entscheidungen!“ Ja, das ist richtig.

Für die Unterstützung des Jobcenters, die mir mein Leben sichert, bin ich jeden Tag dankbar. Und obwohl es mir überhaupt keinen Spaß macht, lerne ich nun das Malern. Ich kenne nun die deutschen Begriffe für alle Werkzeuge, die man braucht, um eine Wohnung anzustreichen. Ich kenne die Farben und kann alles weiß oder bunt malen.

Aber gleichzeitig übermale ich damit auch meine Träume.

In Spanien habe ich einen Master in Bio- und Chemie-Ingenieurwesen gemacht, in Syrien habe ich als Assistenzprofessor an der Universität gearbeitet. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, auch hier in meinem Beruf arbeiten zu können. Chemische Prozesse laufen in Deutschland nicht anders, als in meiner Heimat.

Bitte, liebes Jobcenter, schau mir ins Gesicht und betrachte mich als einen Menschen, dessen Träume gerade dabei sind zu platzen. Ich bin keine Nummer. Sei bitte nicht so kalt wie das deutsche Wetter.

Mit freundlichem Gruß,

Dein Wael
Bochum, im Dezember 2017

Dieser Text von Wael Alkadrw erschien 2018 in der 10. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“

Share on facebook
Share on twitter
Share on google
Share on xing
Share on linkedin
Share on telegram
Share on email
Share on reddit
Share on whatsapp

Dir gefällt die Geschichte? Unterstütze das Magazin

Engagement ist unbezahlbar, aber ohne Geld geht es nicht. Damit wir weiter unabhängig arbeiten können, brauchen wir finanzielle Mittel. Mit deinem Beitrag machst du kohero möglich. Spende jetzt!

Ich bin verheiratet und habe vier Kinder. Meine älteste Tochter heißt Isra, sie ist 15 Jahre alt und geht…
Wie kann man die Gesellschaft eigentlich nachhaltig fördern? Man gründet ein Unternehmen? Nicht irgendein Unternehmen. Solidrinks eben. Das soziale…

Schreiben für ein Miteinander.

Wir freuen uns auf dich. Komm ins Team und werde ein Teil von kohero. Die Möglichkeiten der Mitarbeit sind vielfältig. Willkommen bei uns!

Kategorie & Format
Autorengruppe

Newsletter

Täglich. Aktuell. Mit Hintergrund. Bestelle jetzt unseren kostenlosen kohero-Newsletter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert



Abonniere unseren Newsletter

Erfahre zuerst von unseren Veranstaltungen und neuen Beiträgen. Kein Spam, versprochen!

Du möchtest eine Frage stellen?

Du möchtest uns untersützen?

Du möchtest Teil des Teams werden?

Du möchtest eine Frage stellen?

This website uses cookies to ensure you get the best experience on our website.