Er hatte klare Ziele: eine eigene Familie, ein Haus, ein Auto vor der Tür. Das war seine Vorstellung von Glück. Jetzt mit 30 Jahren hätte er sich hochgearbeitet. In der Bank. Fünf Jahre war er bis zu seiner Flucht schon auf einem guten Weg bei der Bank of Damaskus. Hat gut verdient. Kein Wunder – hat er doch einen hervorragenden Abschluss in „Internationalem Bankwesen“.
Doch dann kam der Krieg und die Flucht. Jetzt – nach fast drei Jahren in Deutschland – hat sich ein Ziel von ihm erfüllt. Mohanad Sinjab hat tatsächlich wieder eine Festanstellung. Und das in seinem alten Beruf. Carola Schede hat den glücklichen Bankangestellten und seinen Chef getroffen und das Gespräch festgehalten.
Radio-Beitrag von Carola Schede
„Ich eröffne ihr Konto“ – Mohanad zurück im Bankgeschäft
Von seinem Bankschalter aus sieht Mohanad Sinjab auf einen der schönsten Plätze Wilhelmshavens. Die Springbrunnen und das alte Theater. Keiner seiner Kunden hört, wie tüchtig sein Herz hier am Bankschalter noch schlägt – vor Aufregung:
„Klar! Ich bin sehr, sehr, sehr, aufgeregt. Jedes Mal, man lernt dazu. Man trifft Menschen und man kommt ins Gespräch. Und ich versuche immer die gute Seite der Flüchtlinge zu zeigen. Ich bin ein Flüchtling, ich bin seit 2,5 Jahren hier und ich eröffne ihr Konto!“
Im Februar hat der junge Syrer den Vertrag bei der Volksbank Wilhelmshaven unterschrieben. Ein unbefristeter Vertrag. Vorstandssprecher Norbert Philipp suchte Fachkräfte, die in Wilhelmshaven arbeiten wollen. Er war offen für alles:
„Wir hatten das Vorstellungsgespräch – brauchten eigentlich jemanden für eine ganz andere Abteilung und waren von Anfang an begeistert. Nicht nur wegen seiner Anstellung bei der Bank of Damaskus. Seine ganze Art hat uns gefallen. Okay, wir wollen es versuchen, und wir würden es nie wieder zurückdrehen wollen!“
Mohanads Eltern in Syrien haben vor Freude geweint, als er berichtete, dass er nun in Lohn und Brot sei.
Vom Lernen der Sprache und der Suche nach Freunden
„Geduld und ich“, sagt er, „wir sind keine Freunde.” Er hat unglaublich schnell Deutsch gelernt. Sogar die C1 Prüfung bestanden – das ist das höchste Level. Und er hat eine frustrierende Odyssee der Arbeitssuche hinter sich.
„Okay dachte ich – ich möchte kein Geld mehr vom Jobcenter haben. Ich kann die Sprache und so hab ich gedacht, ich arbeite irgendwas. Aber ich hab nur Absagen bekommen. Das haben mir auch Deutsche gesagt: ‚Sag niemals, dass du Bänker bist, oder C1 Niveau hast. Sag einfach, du hast noch nicht gearbeitet, dann kriegst du die Stelle‘.“
Noch keine drei Jahre in Deutschland und eine Festanstellung. Damit ist Mohanad Sinjab ziemlich allein. Das macht ihn traurig und auch ein bisschen einsam. Noch pendelt er jeden Tag von Aurich nach Wilhelmshaven. Bald will er ganz umziehen. Und hofft, dann vielleicht auch Freunde zu finden. Freunde, die auch zu ihm passen.
„Ich brauch ja nicht viele – auch in Syrien hatte ich nur ein paar richtig gute Freunde. Hier versuche ich immer, mit jungen Leuten Kontakt aufzunehmen. Aber ich habe noch immer keinen Freund.“
Eine zweite Familie und die Wertschätzung des Chefs
Dafür hat er eine zweite Familie. Sie lebt in Aurich, dort wo für Mohanad das Leben in Deutschland angefangen hat. Die Familie ist in der Flüchtlingshilfe stark engagiert. Mohanad hatte ihnen als Übersetzer geholfen. Heute ist er Teil der Familie.
„Ja, ich habe Geschwister und Vater und Mutter in Deutschland. Und dann hat der Vater irgendwann gesagt: ‚Jetzt bist du Teil der Familie‘. Ja – das war ein schöner Moment!“
Seine echte Familie wird Mohanad auf unbestimmte Zeit nicht wiedersehen können.
„Wenn ich einen Schritt auf syrischen Boden mache. Dann schicken sie mich sofort in die Armee.“
In seiner Bank hat Mohanad als Mitarbeiter längst jeden für sich gewonnen. Sein Chef Norbert Philipp glaubt fest, dass das erst der Anfang einer weiteren Erfolgsgeschichte ist:
„Vielleicht geht die nächste Tür bald auf. Wir sind ein stark wachsendes Unternehmen, wir müssen viele davon überzeugen, überhaupt erst einmal nach Wilhelmshaven zu kommen. Was ich ihm wünsche ist, dass seine Familie, die er in Syrien lassen musste, dort bald in Frieden leben kann. Er wird hier seinen Weg machen. Und auch irgendwann sagen: Ja, das ist meine zweite Heimat geworden!“