Ein Gespräch mit Hussam Al Zaher am Frauentag
Monatsthema Flüchtling-Magazin: Frauen
Bei unserer letzten Redaktionssitzung sprachen wir über die Artikel zu unserem „Frauen-Special“ im März. Erfolgsgeschichten und Kommentare von geflüchteten Frauen standen auf der Agenda. Mich interessierte aber auch die Sichtweise eines Mannes aus einem anderen Kulturkreis. Denn die Themen Frauenrechte und Gleichberechtigung werden mir immer wichtiger, merke ich. Ungerechte Behandlung und Machtdemonstrationen kann ich immer schlechter wegstecken. Und ich finde, das ist gut so.
Ich mache mir aber auch Gedanken, ob uns mit einem Teil der geflüchteten Männer, die patriarchalische Strukturen gewohnt sind, Konflikte bevor stehen. Hier in Deutschland durfte ich schon einige syrischen Frauen kennen lernen. Ich empfand sie alle als selbstbewußt und selbstständig. Aber ich weiß wenig darüber, wie die Frauen in Syrien leben. Am 8. März, dem internationalen Frauentag, habe ich mich deshalb mit Hussam getroffen – mit vielen Fragen im Gepäck.
Hussam, wie leben die Frauen in Syrien?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Frau hat einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft, je nachdem ob man sie als Mutter, als Schwester oder als Ehefrau betrachtet. Die Mutter bekommt in der syrischen Gesellschaft den allerhöchsten Respekt. Bei uns ist sie ein schönes Symbol für Liebe und Familie. Meine Mutter ist für mich die wichtigste Frau auf der Welt. Es gibt auch Unterschiede zwischen der Stadt- und Landbevölkerung, beziehungsweise ob die Menschen sehr religiös sind oder nicht. In der Stadt überwiegen sogar die weiblichen Studentinnen und es stellt kein Problem für die Familie dar, wenn die Frau danach arbeiten möchte. Seit einigen Jahren ist unser Leben auch teurer geworden und der Mann kann gar nicht mehr als einziger Ernährer für die Familie sorgen. Die jungen Menschen leben auch besser mit zwei Gehältern – aber die älteren Menschen haben noch Schwierigkeiten, diese Entwicklung zu akzeptieren.
Mein Vater hatte damit nie ein Problem. Wir sind eine sehr große Familie und alle meine acht Geschwister haben studiert und gearbeitet. Aber wir haben in Damaskus gelebt, dort ist es offener als in Nordsyrien auf dem Land zum Beispiel. Auch in den Dörfern ist es anders. Dort arbeiten die Menschen vor allem in der Landwirtschaft. Auch die Frauen werden als Arbeitskräfte gebraucht. Ausserdem heiraten die Frauen dort sehr jung. Dann müssen sie nicht mehr weiter lernen oder studieren.
Eine Frau kann in Syrien übrigens ohne Probleme bei einer Behörde oder für die Regierung arbeiten, das sind sichere Jobs. Aber die Arbeit in privaten Unternehmen ist nicht so angesehen, denn dort kommt es immer wieder zu sexuellen Belästigungen von Seiten der männlichen Arbeitgeber.
Die Familie ist bei uns wichtiger als alles andere. Familie heisst bei uns Mann, Frau und Kinder. Und es ist nötig, dass sich jemand zu Hause um die Kinder kümmert, denn es gibt keine Kinderbetreuung, wie beispielsweise Kindergärten. Das fängt erst bei der Vorschule an, ab fünf oder sechs Jahren. Bis dahin bleibt die Frau zuhause und kümmert sich um die Kinder, denn der Mann hat mehr Erfahrung im Berufsleben und kann mehr Geld verdienen.
Findest Du das gut? Oder ist das Modell in Deutschland besser?
Das kann ich nicht wirklich beurteilen. Es ist einfach unsere Kultur, dass die Frau sich um die Kinder und auch um den Mann kümmert. Sie ist dafür verantwortlich, dass zu Hause alles gut läuft. Und damit hat sie übrigens mehr Arbeit als der Mann in seinem Job. Aber wenn die Frau auch einem Beruf nachgeht und dann noch zu Hause arbeitet, dann ist das sehr viel. Hier in Deutschland ist das anders. Die Männer haben mehr Verständnis, denn sie haben meistens schon alleine gewohnt, bevor sie mit einer Frau zusammen ziehen. Sie wissen, wie es ist, alleine zu leben und wie viel Arbeit ein Haushalt macht.
In Syrien wohnen die Männer bei ihrer Mutter und dann bei ihrer Frau – daher sind sie nicht selbstständig. Aber die Geflüchteten machen jetzt andere Erfahrungen und werden ihren Frauen mehr helfen, glaube ich. Sie leben hier alleine und müssen sich um alles selbst kümmern, ihre Kleidung waschen und ihr Essen kochen. Als ich in Syrien war, hat das alles meine Mutter für mich gemacht.
Und wenn einige der Geflüchteten in ihre Heimat zurück gehen, was werden die Frauen dazu sagen, dass diese Männer selbstständig sind?
Ich glaube, sie finden das toll!
Es gibt ja hier auch Frauen die ohne Mann leben und keine Kinder möchten. Kannst du das verstehen?
Ich glaube nicht. Denn wie gesagt, Familie hat bei uns einen hohen Stellenwert. Hier in Deutschland ist man als Person wichtig, der Einzelne ist wichtig. Eine Frau ohne Mann und Kinder erscheint seltsam in unserer Gesellschaft – jeder fragt sich, warum das so ist. Eine Frau die verheiratet ist und nach einem Jahr noch keine Kinder hat, bekommt sehr viel Druck. Sie wird ständig von ihrer Familie gefragt, wann die Enkelkinder kommen. Die Entscheidung für Nachwuchs wird eigentlich nicht von dem Ehepaar, sondern den beiden Familien getroffen. Auch ihre Freunde fragen ständig, wann es endlich soweit sei.
Eine Frau hat eigentlich keine Wahl, sie muss eine Familie gründen.
Ja, sie hat sehr viel Druck.
Der Versuch eines Vergleichs: Frauen in Deutschland und Syrien
Wie siehst du die deutschen Frauen? Was ist anders?
Dazu muß ich etwas erklären: Ich bin der Jüngste in unserer Familie und daher muss ich alle meine älteren Geschwister – egal ob Schwestern oder Brüder – akzeptieren, so läuft das bei uns.
Seitdem sind für mich Frauen und Männer gleich und ich habe auch hier in Deutschland keine Probleme damit. Aber die Frauen (nicht alle) hier haben einen starken Charakter, die Frauen in Syrien dürfen keinen starken Charakter haben. Und wenn sie einen haben, spricht die Gesellschaft schlecht über sie.
Das Problem bei uns sind aber auch die Gesetze. Laut Gesetz sind die Frauen in Syrien nicht gleichberechtigt. Bei uns gibt es zwar Frauen in der Armee oder bei der Polizei, aber sie machen nur Büroarbeiten, sie können nicht rausgehen. Es gibt allerdings auch Anwältinnen, Buchhalterinnen oder sogar mehr Ärztinnen als Ärzte. Also in Berufen wo man keine körperliche Kraft braucht und nicht draußen unterwegs sein muss, sind die Frauen stark vertreten.
Wie sieht es denn mit der Bezahlung aus? Ist die gleichwertig?
Da Frauen meistens in Behörden arbeiten, ist die Bezahlung gesetzlich geregelt und daher gibt es da keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Man kann auch nicht in Teilzeit arbeiten, die Arbeitszeit beträgt immer 40 Stunden.
Frauen in Deutschland haben mehr Freiheiten als in Syrien.
Ja natürlich, aber das kommt daher, dass die Familien bei uns immer in Sorge um die Frauen sind. Für manche Dinge sind sie zu schwach, sie können nicht alles machen. Die Frau braucht einfach einen Mann der ihr manchmal hilft. So ist unsere Kultur.
Ich glaube schon, dass sie es können – nur man lässt sie vielleicht nicht?
Aber bei uns ist es einfach anders. Man kann ja auch keine Beziehung haben, ohne zu heiraten. Männer und Frauen sind immer getrennt, z.B. gibt es in der Schule getrennte Klassen. Und somit wachsen Männer in einer Männergesellschaft auf und Frauen in einer Frauengesellschaft.
Der Wechsel aus einer Kultur in die Andere
Wie war es für Dich hier in Deutschland mit Frauen zusammen zu arbeiten?
Das macht für mich keinen Unterschied. Nach meinem zweiten Jahr in Deutschland denke ich, alle Menschen sind unterschiedlich – aber das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Schön, dass Du so denkst! Aber ich glaube, für viele Geflüchtete ist es ein kultureller Schock, oder?
Man umarmt sich ja hier auch schnell oder lächelt mal jemanden an, den man noch nicht kennt, zum Beispiel. Ja, das kann zu vielen Missverständnissen führen. Ist das nur Freundschaft oder ist da mehr? Das ist mir auch ein paar Mal passiert. Aber man lernt daraus und mittlerweile gibt es damit keine Probleme mehr, glaube ich. Aber es braucht Zeit und man muss offen sein. Ich habe viel dazu gelernt, seitdem ich hier bin.
Aber natürlich gibt es hier auch Geflüchtete, die mit ihren Frauen nach Deutschland kommen und es nicht akzeptieren, dass diese mehr Rechte haben sollen als in der Heimat. Dass sie sich trennen können, wenn sie nicht mehr bei ihm bleiben wollen.
Wie ist das bei Euch zu Hause? Sind Deine Mutter und Dein Vater gleichberechtigt?
Nee! Mein Vater ist ein starker Mann. Ein Patriarch? Ja. Meine Mutter ist auch eine starke Frau, aber mein Vater ist dominanter.
Hat Dich das beeinflusst, wie Deine Eltern miteinander umgehen?
Nicht wirklich. Denn in unserer islamischen Geschichte gibt es viele starke Frauenfiguren. Ishtar ist die Göttin der Liebe in unserer alten Geschichte, alle kennen sie. Sie ist ein Symbol für die Frauen. Und auch Mohammeds Frauen wurden sehr respektiert, sie haben ihm viel geholfen und ihn unterstützt. Mohammad hatte nur Töchter, auch sie sind sehr wichtig bei uns.
Im Islam gibt es viele Geschichten über erfolgreiche Frauen, das hat mich sehr beeinflusst.
Und was ich auch denke: Nur Männer führen Kriege, die Frauen nicht. Aber die Frauen sind die Leidtragenden. Das ist auch ein Grund, warum die Gesellschaft in Syrien immer Angst um die Frauen hat, denn in unserer Geschichte gibt es viele Kriege. Und die Frauen mussten immer dafür bezahlen.
Gibt es den Frauentag in Syrien?
Ich glaube ja, aber er findet nur in den Medien statt. Ansonsten wird er nicht gefeiert. Die Regierung möchte nicht, dass die Frauen eine zu starke Stimme bekommen. Viele Gesetze bei uns sind frauenfeindlich. Es gibt z.B. ein schlimmes Gesetz in Syrien: Wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt, muss er sie danach heiraten. Und wenn er sie heiratet, kann er dafür nicht verurteilt werden. Die Gesellschaft sagt, dass die Frau sowieso keinen Ehemann mehr finden würde. Dieses Gesetz gibt es in Syrien, in Jordanien und vielen anderen arabischen Ländern. Aber es kommt auch vor, dass die Familie der Frau Selbstjustiz übt und den Mann tötet.
Gleichberechtigung – eine Aufgabe für beide Geschlechter
Du hast ja eine deutsche Freundin. Kommt es da manchmal zu schwierigen Situationen?
Ja, vor ein paar Tagen zum Beispiel. Sie lebt alleine in einer Wohnung und ich wohne auch manchmal da. Diese Woche hat sie zu mir gesagt: „Ich bin Deine Freundin, aber nicht Deine Hausfrau“. Ich habe „Aha“ gesagt und gelacht. Dann haben wir zwei Tage lang über dieses Thema diskutiert. Sie hat Recht, denn sie arbeitet und ich auch – aber wir müssen
auch gemeinsam zu Hause arbeiten. Ich habe auch kein Problem damit.
Wenn sie kocht, dann wasche ich ab. Aber wir diskutieren weiter, denn sie hat noch kein Vertrauen in mich, was das anbelangt. Sie hat Vorurteile gegenüber Männern, ich sage oft, Sie hat eine Allergie und viele Sorgen was das Verhältnis zwischen Männern und Frauen angeht.
Was hältst Du vom internationalen Frauentag?
Ich glaube, dass die #MeToo Bewegung sehr wichtig ist. Und das zeigt ja, dass dieses Thema – auch in Deutschland – von Bedeutung ist und die Frauen noch immer nicht gleichberechtigt sind. Und in der syrischen Gesellschaft hat die Frau nicht einmal halb so viel Rechte wie der Mann. Daher ist der Frauentag weiterhin enorm wichtig und braucht viel Aufmerksamkeit. Aber dafür reicht nicht ein Tag, sondern wir brauchen neue Gesetze und müssen weiterhin darüber sprechen.
Wie siehst Du Deine Rolle als Mann in Deutschland? Anders als in Syrien?
Es gibt ein arabisches Sprichwort, das heisst: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“. Aber ich glaube, das funktioniert genauso gut anders herum. Denn die
Menschen brauchen immer jemanden, der sie unterstützt. Und ich glaube, dass sich Mann und Frau gegenseitig unterstützen können. Aber meine Freundin beispielsweise ist jünger
als ich – und daher habe ich schon das Gefühl, dass ich mich manchmal um sie kümmern sollte, weil ich mehr Lebenserfahrung habe.
Herzensangelegenheit
Lass uns noch kurz über das Thema Vielehe sprechen. In Syrien kann ein Mann ja auch mehrere Frauen haben.
Ja, das gibt es. Vom Gesetz her darf ein Mann das machen. Gesellschaftlich wird es immer weniger akzeptiert.
Kannst Du das verstehen?
Nein, denn man heiratet aus Liebe und in ein Herz passt nur eine Frau oder ein Mann.
Ein Interview von Babette Hnup, ehrenamtliches Team-Mitglied beim Flüchtling-Magazin, mit Hussam Al Zaher, syrischer Journalist und Chefredakteur des Magazins.
Eine Antwort
Ich halte mich für keinen „Übermenschen“, aber ich danke Gott jeden Tag dafür, dass ich in Europa mit christlichen Kultur und Werten geboren bin – diese Dankbarkeit empfinde ich besonders wenn mir die Verhältnisse in moslemischen Ländern klar werden, und wundere mich darüber, dass die Kirchen hierzulande dummerweise immer leerer werden. Offensichtlich ist der jungen Generation nicht klar, was für ein Geschenk das Christentum ist. (Weg, Freiheit, Wahrheit, Leben). Dass das Christentum unser höchstes Gut ist, Ursprung jeglicher Kultur, Menschenrechte und demokratischen Gesetzwesens, auf dem humane Werte bis heute stehen. (die 10 Gebote). Ich bin Dankbar, dass man es nicht manipulieren kann (weil der Gott die Wahrheit ist) und dass es nicht möglich ist, diese Religion als Höflichkeitsfassade für schlechtes Handeln zu mißbrauchen. Kurz gesagt – dass hierzulande keine moslemische Verhältnisse möglich sind. Gott sei Dank.
Offesichtlich wird der jungen Generation nicht bewusst, was für Gottes Gabe und Gnade (die über 2000 Jahre alte) christliche Kultur ist, auf der unsere Menschenrechte/Geseztwesen und Demokratie stehen. Ich bin dankbar dafür, dass man die christliche Lehre nicht verfälschen und damit sich in eigene Tasche nicht lügen kann. Dass es nicht