Flüchtling-Magazin: „Sehnsucht neue Heimat- Ankommen im Nordwesten“ – unter diesem Thema habt ihr euch künstlerisch gemeinsam auf den Weg gemacht. Kannst Du an einem Beispiel sagen, was Dich dabei besonders überrascht hat? Was sich vielleicht ganz anders gezeigt hat, als anfangs erwartet?
Editha: Alle Projektteilnehmer haben angefangen, zum Thema zu arbeiten, ohne dass wir vorab ein bestimmtes Konzept besprochen hatten. Jeder wollte einfach loslegen! Nicht lange reden. Arbeiten. Endlich. Als wir dann die erste Ausstellung gehängt hatten, fiel uns auf, dass wir uns alle mit der Wahrnehmung der neuen Heimat und nicht dem Aufarbeiten der Vergangenheit beschäftigt hatten. Keiner von den Zugereisten wollte die Vergangenheit oder die alte Heimat widerkäuen. Alle schauten nur nach vorne. Ein Projektteilnehmer sagte ganz treffend: “ Ich kann 2 Sachen nicht mehr hören: 1. Flüchtlingspolitik und 2. Trump!“
„Intensive Gespräche über Religion, Tradition und Lebensphilosophie“
Flüchtling-Magazin: Eure gemeinsame Arbeit als Kunstschaffende im Künstleratelier kam und kommt ja nicht allein durch die entstandenen Werke zum Ausdruck. Wenn Du an die Begegnungen, an Gespräche mit Menschen aus ganz verschiedenen Ländern denkst – was hast Du dabei für Dich gelernt, vielleicht für Deine Kunst, vielleicht auch für Dein Verständnis von Heimat?
Editha: Die Anfrage, die Leitung des Künstlerateliers- zusammen mit Manuela Milenkovic-Todorovic – zu übernehmen, kam für mich etwas überraschend. Bis dahin hatte ich nie über solch eine Projektarbeit nachgedacht. Ja, gelernt habe ich eine Menge. Wir alle. Die meisten Teilnehmer die deutsche Sprache, ich selber ungeheuer viel über die verschiedenen Kulturen und ganz andere Lebensweisen. Da wir alle künstlerischen Hintergrund hatten, war natürlich das Interesse an den Arbeiten der anderen groß und schnell sind auch Gemeinschaftsarbeiten und Verabredungen zu Malwochenenden entstanden.
„In punkto Kunst war da Projekt hochinspirierend“
Daneben sind intensive Gespräche über Religion, Tradition und Lebensphilosophie entstanden – von japanischen und niederländischen Trachten über gelebten Islam, dem 30-jährigen Krieg, bis hin zu Martin Luther und der Reformation – um nur Beispiele zu nennen. Und ich habe hautnah die deutsche Bürokratie in Hochform erlebt…. Habe erlebt, was es heißt, wenn die ganze Familie über halb Europa, oder sogar über die ganze Welt verteilt lebt und wie kompliziert es ist, wenn plötzlich weit entfernte Familienmitglieder erkranken…. Ich habe gelernt, dass der jetzige Wohnort, die jetzige „neue Heimat“ auch nur eine Option von vielen ist. Für mich haben sich durch diese Projekt die Perspektiven verschoben.
„Mein Blick, mein Denken ist weiter geworden. Wesentlich weiter“
Flüchtling-Magazin: Ein Blick in die Zukunft: Auch jetzt, nach dem offiziellen Abschluss des Projekts, treffen sich einige von euch weiterhin als internationale Künstlergruppe. Was ist euch bei der Zusammenarbeit besonders wichtig geworden? Gibt es Wünsche und Ideen, die ihr auch gern anderen mitteilen möchtet?
Editha: Wir haben uns kennengelernt. Einige Künstler und Künstlerinnen kannte ich oberflächlich durch die Kunstschule Zinnober. Die meisten Projektteilnehmer kannte ich zu Anfang gar nicht. Wir alle waren so froh, endlich künstlerisch arbeiten zu können. Einfach loslegen. Wir alle haben ja die selben Interessen, haben uns gemeinsam Ausstellungen angeschaut und über die Werke diskutiert, haben die selben Künstlersorgen, können stundenlang über Material und Technik diskutieren. Einen solchen Rahmen zu bekommen, das war genau das, was uns fehlte. Daraus sind schnell weitere gemeinsame Projekte entstanden, die nichts oder nur am Rande etwas mit der Kunstschule Zinnober zu tun haben.
„Einige Künstler*innen konnten nun endlich eigene Ideen umsetzten“
Wir haben uns gegenseitig beraten und unterstützt. Ein Netzwerk aufgebaut. Wir haben uns als Gruppe für die ParkArt in Sögel im Sommer ein riesiges Zelt reservieren lassen und auch schon für 2019 einen Ausstellungstermin festgemacht. Auch weiterhin treffen wir uns und versuchen gemeinsam zu wachsen. Genau das ist es, was uns allen fehlte: die Möglichkeit zu wachsen.
Dokumentation zum Projekt:
Infos zum Projekt: