Einen Text zum Thema interkulturelle Freundschaft? Einen Text zu diesem Thema? – „Kein Problem“, dachte ich. „Kein Problem“, dachte ich. Ich bin eine Freundin, ich habe Freund*innen; ich bin quasi Expertin! Wenn da dieser Kulturbegriff nicht wäre, der mir sogleich ein Denkloch in meine Gedanken riss, für schlaflose Nächte und eine Schreibblockade sorgte. Prima.
Der Sinn von Freundschaft
Also tastete ich mich zunächst an den Freundschaftsbegriff heran: Denn Freundschaft kann ich im Gegensatz zum Kulturbegriff problemlos definieren. Durch Recherchen in den Untiefen des Internets fand ich heraus, dass Freundschaft eine freiwillige persönliche Beziehung zwischen Menschen ist. Sie kann unterschiedlich intensiv sein und ist geprägt von gegenseitiger Unterstützung, vertrauensvoller Zuneigung und gemeinsamen Aktivitäten. Schön.
Um sich überhaupt mit einem Menschen anfreunden zu können, ist es wichtig, dass Personen in räumlicher oder virtueller Nähe sind! Nur wenn ich von der Existenz einer Person weiß, kann ich mit ihr interagieren und entscheiden, ob ich sie mag und mehr Zeit mit ihr verbringen möchte. Logisch!
Interkulturelle Freundschaft – was sagt das aus?
So viel zum Freundschaftsbegriff. Doch interkulturelle Freundschaft? Was macht sie aus? Führe ich etwa eine andere Freundschaft, wenn ich eine „interkulturelle Freundschaft“ führe?
Um aus meinem gedanklichen Loch zu kommen, fragte ich meine besagte Freundin, durch die ich übrigens auch türkisch rappen kann, was unsere Freundschaft ausmacht: „Vertrauen, Respekt, gute und schlechte Erlebnisse und eine gemeinsame Vergangenheit“, sagte sie.
Unsere Beziehung besteht seit über 15 Jahren und hat uns mittlerweile so stark zusammengeschweißt, dass wir ohne täglichen Kontakt und nur ganz seltenen Treffen, dennoch immer wissen, dass wir füreinander da sind. Ohne lange nachzudenken, kann ich Freud und Leid mit ihr teilen und werde wissen, dass sie sich dafür interessiert. Diese Sicherheit verbinde ich mit unserer Freundschaft.
Für uns beide ist Kultur also kein Faktor, der unsere Freundschaft bewusst ausmacht. Und doch, wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich durch die Freundschaft mit ihr und ihrer Familie reicher geworden: Reicher an der türkischen Sprache, an leckeren Rezepten, an meinem Wissen über Religion und der kulturellen Realität ihrer Familie.
Eine Bereicherung in vielerlei Hinsicht
Ich werde zwar nicht noch einmal mit ihnen fasten und den roten Kopf riskieren, den ich damals nach mehrstündiger Essensabstinenz und dem darauffolgenden ersten leckeren Bissen in Pide bekommen habe (Trauma!). Aber ich weiß jetzt zumindest ansatzweise, wie es ist zu fasten. Das ist mir zum Beispiel noch nie fremd gewesen. Freundschaft verringert Fremdheit.
Ich bin also durch diese Freundschaft, die scheinbar den Zusatz „interkulturell“ trägt, reicher geworden. Nicht nur an der Beziehung zu einer Person, auch an der Kultur.
Das gilt sowohl für meine Freund*innen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben und zwei oder mehrere kulturelle Identitäten in sich tragen, als auch für all jene, die kürzlich nach Deutschland gekommen sind oder im Ausland leben.
Denn was all diese Menschen vorrangig eint: Ich achte sie für ihre guten Herzen, das Vertrauen, das sie mir entgegenbringen und das ich ihnen schenken kann.
Zwei Menschen plus zwei Kulturen gleiche eine „wundervolle Freundschaft“
Freund*innen erhellen den Alltag. Sie im Rücken und im Herzen zu wissen, verschafft einen inneren Frieden und Sicherheit. Und wie abgefahren ist es erst, wenn sich zwei Menschen, die in unterschiedlichen Ländern geboren und aufgewachsen sind, zufällig zur selben Zeit, am selben Ort begegnen und sich mögen? Diese Feststellung macht unglaublich reich.
Ich finde interkulturelle Freundschaften wundervoll, weil sie die Welt ein Stück zusammenrücken lassen. Sie zeigen, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit zum einen überhaupt nicht schwierig und der Rede wert sind, solange wir uns gegenüber dasselbe vertraute, wohlige Gefühl im Herzen entgegenbringen.
Und sie vermitteln zum anderen, dass wir voneinander lernen können: leckeres Essen, Wissen über Religion und Respekt gegenüber Vielfalt und Einzigartigkeit. Und natürlich einzelne Worte, die wir in der Bahn heimlich verstehen.