Das Team des Flüchtling Magazins hat im November selbst erfahren müssen, was es heißt, Opfer eines Shit Storms und von Fake News zu sein. Doch was können Betroffene tun? Wie sollten Sie sich verhalten? Welche juristischen Möglichkeiten haben Sie und wie erfolgreich ist beispielsweise eine Anzeige bei der Polizei? Um diese und weitere spannende Fragen zu klären, haben wir vom Flüchtling Magazin gestern zu der Veranstaltung Hass im Netz in die Räumlichkeiten des LeetHub St. Pauli eingeladen.
Kostenlose Beratung bei empower
Zunächst hat Anika N. (Name von der Redaktion geändert), von der Beratungsstelle empower, sich und ihre Arbeit vorgestellt. Empower ist eine Institution, die Opfer von rassistischer, rechter oder antisemitischer Gewalt berät, unterstützt und begleitet. Das Projekt gibt es seit Ende 2015. Die Beratung erfolgt kostenlos und selbstverständlich anonym.
„Es gibt Betroffene, die den oder die Täter unbedingt bei der Polizei anzeigen möchten. Sie wollen, dass der, der ihnen das angetan hat, bestraft wird, zur Rechenschaft gezogen wird. Selbstverständlich begleiten wir diesen Prozess von Anfang bis Ende. Es gibt aber auch Opfer, denen es ausreicht, einfach über das Geschehene zu sprechen“, so Anika N.
Persönliche Belastung durch Hetze im Netz
Und es ist ihr wichtig, zu betonen, dass es im Umgang mit solchen Gewalterfahrungen kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Denn: Jeder braucht etwas anderes, das ihm hilft, ein so einschneidendes und oftmals auch traumatisches Ereignis zu verarbeiten. „Natürlich vermitteln wir auch an Therapeuten weiter, wenn wir merken, dass es jemanden sehr schwer fällt, mit beispielsweise einer Hetze im Netz oder aber auch einem tätlichen Angriff umzugehen“, erklärt Anika N. weiter.
„Was macht diese Arbeit mit Ihnen selber, wie verarbeitet Sie, tagtäglich mit so viel Leid, Hass und Angst konfrontiert zu werden?“, will eine Zuschauerin aus unserem kleinen Publikum wissen. Durch Supervision und den Austausch mit ihren Arbeitskollegen: „Es ist gut, darüber zu sprechen, sich mitzuteilen. Aber natürlich nehme ich oft Fälle mit nach Hause, wenn sie mich sehr berührt oder betroffen gemacht haben. Sport hilft mir dann, den Kopf wieder frei zu bekommen“, fährt Anika N. fort.
Welche Motivation steckt hinter dem Hass im Netz?
Es ist ruhig im Raum, alle lauschen konzentriert und gespannt dem, was Anika N. berichtet.
„Welches Ziel verfolgen eigentlich Menschen, die einen Shit Storm oder auch Hass im Netz initiieren?“, will eine andere Frau wissen.
Der zweite Gast, den wir eingeladen haben, der Politologe Gerald Hensler, übernimmt das Wort:
„Es geht oft um Macht – um Macht und Kontrolle. Gerade die rechten Gruppierungen im Netz wollen sich überlegen fühlen.“
Gerald Hensler spricht aus Erfahrung. Er kommt ursprünglich aus dem Marketing, der Werbung. Und er hat große Labels darauf aufmerksam gemacht, wo sie eigentlich ihre Werbung schalten. Nämlich auf einschlägig rechten Seiten, die dadurch mitfinanziert werden. „Ich startete daraufhin die Initiative Kein Geld für Rechts. Dies hatte schlussendlich zur Folge, dass ich Opfer eines riesigen Shit Storms wurde, mit extremen Beleidigungen, gefakten und aus dem Zusammenhang gerissen Fotos, bis hin zu an die 50 Morddrohungen.“
Fearless Democrazy hilft Betroffenen bei einer Anzeige
Durchgestanden hat er diese schwere Zeit mit Hilfe seiner Freunde und seiner Familie. Anderen gibt er den Rat: „Bringen Sie so etwas immer zur Anzeige, melden Sie solche Vorkommnisse bei Facebook, Twitter & Co! Auch, wenn es schwer sein wird, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch Unterstützung bietet der von Gerald Hensler gegründete Verein Fearless Democracy.
„Ich habe selber festgestellt, dass es für Betroffene kaum Support, kaum Anlaufstellen gibt, die wirklich helfen. Das war für mich die Motivation, den Verein Fearless Democracy zu gründen.“
Wer also Hilfe und Unterstützung benötigt, findet hier die Kontaktdaten:
Empower: empower@hamburg.arbeitundleben.de
Fearless Democracy: hi@fearlessdemocracy.org