Teil I: Der Verein Herzliches Lokstedt e. V.
Ende 2014 entstand die Idee, einen Begegnungsort im Stadtteil Lokstedt für Menschen zu schaffen.
Den Ursprung hat sie in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe seit Ende 2013 in einer Unterkunft vor Ort. Seitdem wird im Verein zusammen Sport getrieben, gelernt, gekocht und geputzt. Unsere Redakteurin war vor Ort und hat sich den Verein angeschaut.
Die Entstehungsgeschichte
Noch vor der Flüchtlingswelle hat sich der Kern des heutigen Vereins Herzliches Lokstedt e. V. gebildet. Als Gruppe waren die Initiatoren bis Mitte 2015 regelmäßig in der Unterkunft Lokstedter Höhe und haben vor Ort Freizeitaktivitäten angeboten. Mit der Zeit sind ihre Erfahrungen in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe gewachsen. Unter dem Motto „für Flüchtlinge, MigrantInnen und Einheimische“ bietet der Verein Freizeitaktivitäten an, um jeder Gesellschaftsgruppe in der Integration gerecht zu werden. So zum Beispiel durch das Projekt „TreffenKochenEssen“.
Das Projekt TreffenKochenEssen: Integration auf Augenhöhe
Donnerstags beleben Kindergelächter und hitzige Diskussionen die Räume des Bürgerhauses Lenzsiedlung. Das Küchenteam zaubert ein Festmahl für mehr als 35 Personen – mit einem Budget von nur 40 Euro. Zur gleichen Zeit wird in den Nebenräumen Deutsch gelernt. Heute geht es um das Thema Arbeitsverträge und die Besucher durchlöchern die freiwilligen Lehrkräfte mit Fragen. Die Neugier und Lust, eigenes Wissen weiterzugeben, machen auch bei den kleinen Besuchern keinen Halt. Während Naila* ihre Lieblingsblumen zeichnet, erläutert der 7-jährige Niko* seine künstlerische Interpretation vom Reformationstag. Nebenbei erklärt er Erwachsenen den Ablasshandel. Hier fällt auf: Im Verein wird Integration auf Augenhöhe vorgelebt – und zwar über alle Generationen und Kulturen hinweg.
Passende Angebote für unterschiedliche Zielgruppen
Damit sich Menschen mit ähnlichen Interessensgebieten begegnen, hat der Verein verschiedene Projekte ins Leben gerufen. So gibt es für Jugendliche Basketball, Fußball und Turnangebote. Bei „Come Together“ können Klein und Groß, Single oder Familienbanden zusammen Billard oder Tischtennis spielen und die Kletterwand bezwingen. Zusätzlich gibt es den Women’s Club, bei dem für die Herren der Schöpfung die Türen geschlossen bleiben. Freitags werden im „Kreativcafé“ zusammen einzigartige Nähstücke hergestellt. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Im Gegensatz zu Snapchat, Instagramm oder Facebok knüpft man hier Kontakte in „Real Life“. Das prägt und schafft Anerkennung für das bloße Dasein des Gegenübers. So werden Vorurteile abgebaut und man merkt, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind. Mit Bedürfnissen, Träumen, schlechten und guten Seiten. Zusätzlich bringen sie Lebensweisen mit, die für den deutschen Durchschnittsbürger fremd sind**. Durch jahrelanges Engagement in diesem Bereich hat sich der Verein zu einem Experten gemacht, was Integration betrifft.
Realistische Integration funktioniert wie eine gesunde Beziehung
Seit mehr als zwei Jahren ist die Frage omnipräsent: Wie kann Integration funktionieren? Antworten gibt der Verein in dem kleinen Heftchen „Empfehlungen & Erfahrungen“. Darin bietet die Vereinsvorsitzende Anne Thaker hilfreiche Tipps im Umgang, in der Arbeit und in der Begegnung mit Flüchtlingen. Ratschläge wie „man muss nicht jeden mögen“, „hinterfragen, ob sie Sachen / Dinge wirklich brauchen“ oder „Geld / Leistungen / Mehrbedarfe“ sind Themen, die jedem ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer begegnen. Weiterhin zeigt sie kulturelle Unterschiede auf. Viele Erdenbewohner müssen erst lernen, dass Sportvereine, kostenlose Veranstaltungen oder Museumsbesuche gängige Freizeitgestaltungen sein können. Letztendlich erinnert Anne Thakers Appell – in einer Patenschaft auch eigene Wünsche zu äußern – an die Regel einer gesunden Partnerschaft. Ähnlich wie in einer Beziehung sollte man sich zuerst kennenlernen, Erwartungen äußern und gemeinsam wachsen. Erfreulicherweise erhält der Verein noch finanzielle Mittel und kann weiterhin wertvolle Beziehungsratschläge für die Integration geben. Das Redaktionsteam hofft, dass der Verein noch über viele Jahre hinweg diese wichtige Aufgabe weiterführen kann.
Im Teil II gibt es ein Interview von Anne Thaker, Vereinvorsitzende von Herzliches Lokstedt e. V.
* Name geändert.
** Viele Beispiele hierfür hält beispielsweise das Buch „Unter einem Dach“ von Amir Baitar und Henning Sußebach bereit. Selbst erleben kann man das aber im Herzlichen Lokstedt e. V.