„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Eine Zensur findet nicht statt“, so steht es in Artikel 5 des Grundgesetzes. Diese Pressefreiheit bezeichnet also das Recht von Medien – Zeitungen (auch netzbasierte Zeitungen und Blogs), Rundfunk und TV – auf eine ungehinderte Ausübung ihrer Tätigkeit. Vor allem ist es auch das Recht auf die staatlich unzensierte Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungen. Details zu Rechtsfragen regelt das deutsche Presserecht.
Die Idee dieser Presse- und Meinungsfreiheit wurde vor allem während der Zeit der Aufklärung ab dem 17. Jahrhundert entwickelt. Doch diese Rechte gelten leider in weiten Teilen der Welt nicht: In vielen Staaten gibt es eine systematische Hetze gegen Medienschaffende. Sie werden verfolgt und unterdrückt. Das führt dazu, dass sie zunehmend in einem Klima der Angst arbeiten müssen. Viele von ihnen werden inhaftiert und weggesperrt. Diktaturen und autoritäre Regime fürchten nichts so sehr wie das freie, kritische Wort.
Der „Tag des inhaftierten Schriftstellers“
Jedes Jahr ist am 15. November der „Tag des inhaftierten Schriftstellers“ . Man gedenkt denjenigen Medienschaffenden, die aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Dieser Tag soll weltweit auf das Schicksal von Schriftsteller*innen, Journalist*innen, Verleger*innen und Blogger`*innen aufmerksam machen, die zu Unrecht inhaftiert und verfolgt sind. Außerdem soll an diejenigen erinnert werden, die getötet wurden – getötet, weil sie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Auch in diesem Jahr ruft die internationale Schriftstellervereinigung PEN (Abkürzung für Poets, Essayists und Novelists) zur Solidarität mit den Inhaftierten auf. Der 15. November hat Tradition: Zum ersten Mal gedachte das Writers in Prison–Komitee der PEN den Gefangenen im Novembeer 1980.
Gründe für Inhaftierungen
Es gibt viele Gründe, warum Medienschaffende rund um den Globus in Haft sitzen. Manchmal werden sie direkt wegen Majestätsbeleidigung oder regierungskritischen Äußerungen, angeklagt. Sehr oft werden andere Tatbestände auch einfach nur erfunden. In den meisten Fällen verfolgen die Regierungen die Betroffenen, aber nicht nur. In Lateinamerika und Südosteuropa z.B. sind es auch Gruppierungen der organisierten Kriminalität, die Journaliste*innen, die zu deren Verbrechen recherchieren, zum Schweigen bringen wollen. Denn genau darum geht es: Kritiker*innen mundtot zu machen.
Die weltweite Liste der Pressefreiheit
Auch in diesem Jahr ist die Pressefreiheit in vielen Staaten gefährdet oder sie existiert schlichtweg nicht. Die Corona-Krise befördert das Handeln autoritärer Regimes. Nach wie vor ist der freie Journalismus durch Populismus und Machtstreben in Gefahr. Die NGO „Reporter ohne Grenzen“ vergleicht jährlich die Situation für Medienschaffende weltweit in ihrer „Liste der Pressefreiheit“. Auf den oberen Plätzen stehen Länder mit demokratischen Regierungen: Es sind Staaten, in denen es eine funktionierende Gewaltenteilung gibt. Zum vierten Mal in Folge führt Norwegen die Liste an, Finnland, Dänemark, Schweden und die Niederlanden folgen. Deutschland belegt Platz 11.
In Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea und China existiert die Pressefreiheit schlichtweg nicht. Deren diktatorischen Regierungen erlauben keine unabhängige und freie Berichterstattung. Journalist*innen werden offen verfolgt, inhaftiert und oft getötet. In fast ganz Asien hat sich die Situation für Medienschaffende negativ entwickelt. Zusammen mit dem Nahen Osten und Nordafrika bildet Asien das Schlusslicht der Rangliste. Auch die Türkei und Russland finden sich im unteren Drittel der Statistik wieder: In Russland wird kritische Berichterstattung massiv unterdrückt. In der Türkei ist die Zahl der inhaftierten Journalist*innen die höchste weltweit.
Die Caselist für das Jahr 2019 vom deutschen PEN-Zentrum
Am 7. Mai 2020 hat das deutsche PEN-Zentrum die Caselist für das letzten Jahr veröffentlicht. Diese Statistik verzeichnet insgesamt 212 Übergriffe auf Schriftsteller*innen, Journalist*innen und Blogger*innen. Zwei wurden aufgrund ihrer Arbeit ermordet, die anderen sitzen im Gefängnis – oft ohne Anlage und juristische Unterstützung. 2019 ermordete man den irakischen Schriftsteller Alaa Mashthob Abbaud sowie die nordirische Journalistin Lyra McKee wegen ihrer Publikationen und Recherche. Es gibt weitere Fälle, bei denen man den Verdacht hat, dass man die Betroffenen ermordet hat, weil sie dabei waren, Skandale aufzudecken. Allerdings konnte man hier das Motiv nicht eindeutig nachweisen.
Im Jahr 2019 wurden insgesamt 67 Autor*innen inhaftiert – mit dem Ziel, ihre kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Weitere 37 Schreiber standen 2019 vor Gericht und davon mindestens zehn in der Türkei.
Die Situation im Iran
Seit der Islamischen Revolution 1979 gehört der Iran zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Seitdem wurden Hunderte von ihnen verfolgt, inhaftiert oder getötet. Der Staat kontrolliert systematisch die iranischen Medien. Besonders das Internet unterliegt einer strengen Zensur und Überwachung. Kritik im Iran ist gefährlich. Man nimmt Journalist*innen willkürlich fest. Hinzu kommt ihre Verurteilung zu absurd langen Haftstrafen in einem sehr unfairen Verfahren. In den Gefängnissen selbst befinden sich die Betroffenen in Lebensgefahr. Man foltert sie und oft sterben sie an den Folgen. Auch Autor*innen, die im Exil leben, sind vor der Verfolgung durch die iranische Regierung nicht sicher. Oft wird auch ihre Verwandtschaft, die noch im Iran lebt, angefeindet und bedroht. Der Iran befindet sich auf Rang 173. Derzeit befinden sich dort 22 Medienschaffende im Gefängnis.
Der Fall Sedigeh Vasmaghi
Eine von ihnen ist die Theologin und Publizistin Sedigeh Vasmaghi. Die kritische Autorin soll für sechs Jahre im Gefängnis bleiben. Mittlerweile sind ihre Bücher und Schriften im Iran verboten. Vasmaghi schrieb unter anderem über religiöse, politische und gesellschaftskritische Themen. Sie stand lange Zeit unter der Beobachtung des iranischen Regimes, und auch unter ausländischer Observation. Grund hierfür waren ihre Kommentare über die islamische Rechtsprechung in ihrem Heimatland Iran. Im August 2020 verurteilte man Vasmaghi zunächst zu einem Jahr Gefängnis, weil sie eine Petition unterschrieben hatte, die heftig die Polizeigewalt während der Demonstrationen im November 2019 kritisierte.
Vasmaghi ist 1961 in Teheran geboren. Von 1999 bis 2003 war sie Mitglied des City Council of Teheran, außerdem unterstützte sie die iranische Reformationsbewegung. Vasmaghi war eine der wenigen Frauen im Iran, die islamisches Recht unterrichten durfte. 1989 veröffentlichte die Menschenrechtsaktivistin ihren ersten Gedichtband Praying for Rain. Bis heute hat sie fünf Gedichtbände sowie einige akademische Lehrbücher herausgebracht. Ihre Übersetzungen von Texten aus dem klassischen Arabisch in die Sprache Farsi vervollständigen ihr Werk.
Die Arbeit Vasmaghis wurde und wird weiterhin heftig zensiert. Man schüchtert sie ein. Derzeit sitzt sie unter menschenunwürdigen Bedingungen in Teheran im Gefängnis und wartet auf ihren Prozess.
Die Lage in der Türkei:
Auch in der Türkei ist die Situation für Journalist*innen nach wie vor bedenklich. Das Land belegt aktuell Platz 154 auf der Liste der Pressefreiheit. Die einst pluralistische Medienlandschaft steht so gut wie vollständig unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. Die Regierung unter Erdogan und die türkische Justiz gehen mit extremer Härte gegen Journalist*innen vor.
Dies musste auch Can Dündar erfahren. Dündar ist Journalist, Dokumentarfilmer, Buchautor und TV-Moderator und ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet. Dündar und die Cumhuriyet berichteten am 29. Mai 2015 unter der Überschrift „İşte Erdoğan’ın yok dediği silahlar“ (zu Deutsch: Hier sind die Waffen, die Erdogan leugnet) über Munition, die der türkische Geheimdienst MIT im Jahr 2014 per LKW an islamistische Milizen in Syrien geliefert hat. Präsident Erdogan bedrohte Dündar daraufhin öffentlich und stellte Strafanzeige gegen ihn wegen des Verdachts auf Spionage: Die Rede war von Beleidigung und übler Nachrede gegen den MIT sowie der Verbreitung von Staatsgeheimnissen.
Der Cumhuriyet-Prozess
Am 26. November nahm man dann Dündar zusammen mit dem Leiter des Hauptstadtbüros Erdem Gül fest und inhaftierte sie. Die Türkei geriet mit der Festnahme Güls und Dündars in die internationale Kritik. Beide Journalisten erfuhren Solidarität innerhalb der türkischen Zivilgesellschaft und in der ganzen Welt. Am 25. Februar 2016 erklärte das türkische Verfassungsgericht die Verhängung der Untersuchungshaft gegen Dündar und Gül für nicht rechtens. Einen Tag später kamen beide nach drei Monaten Haft aus dem Gefängnis. Das Verfahren geht unter dem Namen „Cumhuriyet-Prozess“ in die Geschichte ein.
Am 6. Mai 2016 war Dündar Ziel eines Schusswaffenattentats. Dündars Frau und sein Anwalt konnten den Attentäter jedoch überwältigen und Dündar wurde nicht verletzt. Wenige Tage später hob das Gericht das Ausreiseverbot gegen Dündar auf und er reiste aus der Türkei nach Deutschland aus. Dündar lebt und arbeitet derzeit in Deutschland. Er ist Chefredakteur des Webradios ÖZGÜRÜZ (zu Deutsch: Wir sind frei) und schreibt unter anderem für die Wochenzeitung „Die Zeit“.
Zensur in Uganda
Uganda befindet sich derzeit auf Platz 125 der Liste der Pressefreiheit. Diverse Gesetzte schränken die Pressefreiheit in dem afrikanischen Staat stark ein. Medien werden willkürlich zensiert oder sie werden für kürzere oder längere Zeit ganz geschlossen. Oft werden Journalist*innen wegen Hochverrats angeklagt – mit gravierenden Folgen, denn häufig greift in diesen Fällen die Todesstrafe. Immer wieder kommt es vor, dass Polizisten oder Soldaten Journalist*innen angreifen. Die Regierung billigt dies und trägt mit Drohungen zu diesem Klima der Angst entscheidend bei. Häufig werden Medienschaffende bei ihrer Arbeit schwer verletzt und viele tauchen nach Morddrohungen unter.
Kritik am ugandischen Staatspräsidenten
Am 18. September 2020 wurde der ugandische Schriftsteller und Journalist Kakwenza Rukirabashaija in seiner Wohnung in Kigulu verhaftet. Inzwischen inhaftierte man ihn in Mbuya, und wenig später transportierte man ihn in die Sonderuntersuchungseinheit nach Kireka. In Kireka hielt man ihn drei Tage ohne jegliche rechtliche Grundlage fest. Und das, obwohl das ugandische Recht vorsieht, dass nach einer Festnahme innerhalb von zwei Tagen vor Gericht Anklage erhoben werden muss. In Zusammenhang mit seiner Festnahme steht ein Schreiben, in dem er sich kritisch gegenüber Staatspräsident Museveni geäußert haben soll. Nun starten die Ermittlungen gegen Rukirabashaija wegen „Anstiftung zur Gewalt und Förderung von Sektierertum“.
Fazit
Nach wie vor leben einige Medienschaffende in weiten Teilen der Welt gefährlich. Sie riskieren ihre Sicherheit und ihr Leben, um kritischen, unabhängigen Journalismus zu betreiben, um aufzuklären und um zu informieren. Sie wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, aber man bringt sie zum Schweigen. Regierungen oder Gruppierungen der organisierten Kriminalität stecken sie ins Gefängnis, oft ohne Anklage, ohne Prozess und ohne juristische Unterstützung. Diese mutigen und couragierten Menschen müssen wir unterstützen. So ruft der PEN dazu auf, Briefe an die jeweiligen Regierungen zu schicken oder die Geschichten der Inhaftierten beispielsweise auf Social Media zu teilen und somit auf deren Schicksäle aufmerksam zu machen.
Quellen: echo-online.de / pen-international.de / pen-deutschland.de / neues-deutschland.de / reporter-ohne-grenzen.de / dejure.org