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Neue Nachbarn – in welchem Hamburg wollen wir leben?

Letzte Woche war das Flüchtling-Magazin zu einer Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft von 1765 in Hamburg eingeladen.

In den altehrwürdigen Räumen diskutierte man über ein brandaktuelles Thema: Neue Nachbarn – Wie leben wir gut zusammen? Die Diskussion bot spannende Einblicke und kontroverse Meinungen.

Sechs Podiumsgäste tauschten sich über große und wichtige Fragen aus: in welchem Hamburg wollen wir leben, wie können wir Begegnungsstätten schaffen und wie kann Integration funktionieren. Auch das Publikum wurde zur Diskussion aufgefordert und sollte sich am Meinungsaustausch beteiligen.

Nur ein Kinderarzt für 100.000 Menschen

Auf der Bühne saß unter anderem Falko Drossmann, Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte. Er beschrieb seinen Bezirk als „exemplarisch für die Herausforderungen in Hamburg“. Denn dieser umfasst – mit Wilhelmsburg oder Billstedt – nicht nur die ärmsten Stadteile, sondern mit Blankenese und Harvestehude auch die reichsten Wohngegenden. Daraus resultiert eine Benachteiligung auf vielen Ebenen, die er in einem unfassbarem Beispiel verdeutlicht: in Billstedt und Horn leben 100.000 Menschen. Für alle Anwohner in diesen beiden Stadtteilen gibt es nur einen Kinderarzt! Denn hier ist die Behandlung nicht lukrativ, es gibt kaum Privatpatienten.

In Hamburg-Mitte leben die meisten Zuwanderer, bei den unter 18-Jährigen beläuft sich der Migrationshintergrund auf 50%. Und hier- so wie in der ganzen Stadt- stellt sich täglich die Frage: wie können wir mehr aufeinander achten? Und zwar ohne Bewohner abzuklassifizieren und Brennpunkte zu stigmatisieren, so der Politiker.
In Sachen Statistik bringt Falko Drossmann auch einen interessanten Aspekt ein: die Kriminalitätsrate im viel zitierten Mümmelmannsberg liegt im Hamburger Durchschnitt. Berechnet man jedoch die Delikte durch Steuerhinterziehung, so führt der reiche Hamburger Westen die Zahlen an.

Integration durch Bildung


Ebenfalls eine inspirierende Impulsgeberin auf dem Podium ist Ortrud Schwirz, Geschäftsführerin des Kulturzentrums LoLa.
Sie plädiert für Integration durch Bildung. Leider bestimmt in Deutschland weitgehend die soziale Herkunft den Erfolgsfaktor im späteren Leben eines Kindes. Daher „muss darauf hingearbeitet werden, dass kulturelle Vielfalt im Alltag gelebt wird“.
„Am wichtigsten für den sozialen Bildungserfolg ist die Frühförderung. Wir brauchen dabei eine stärkere Durchmischung in den Schulen, diese sind weiterhin quartierbezogen“, so Ortrud Schirz. „Für gemeinsames Leben und Arbeiten müssten mehr modellhafte Projekte in der Stadt platziert werden.“

Der nächste Diskussionsbeitrag kommt von Klaus Schomacker. Der Unternehmensberater ist Teil der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“. Diese hat 2016, gemeinsam mit anderen Initiativen, Bürgerverträge mit der Stadt geschlossen. Ein sogenanntes „Monitorungsystem“ soll Transparenz in der Flüchtlingsunterbringung schaffen. Das Motto: „Aus Flüchtlingen müssen Nachbarn werden“. Er fordert eine dezentralisierte Unterbringung, damit diese Nachbarschaft entstehen kann. Der Stadt Hamburg wirft er mangelnde Unterstützung und Unflexibilität in Hinsicht auf die „besondere Situation“ vor.  Sie halte „Flüchtlinge in Hamburg vom Wohnungsmarkt fern“.

Immer mehr Geflüchtete suizidgefährdet


Aus dem Publikum meldet sich ein Integrationsbeauftragter der Stadt, der diese Kritik nicht akzeptieren kann. In Hamburg hat es „bereits vor der Flüchtlingskrise eine Krise auf dem Wohnungsmarkt gegeben.“ Um alle Geflüchteten aus den Erstaufnahmelagern in Wohnungen unterzubringen, fehlten leider die finanziellen Mittel und die Räumlichkeiten. Die Dringlichkeit des Problems wäre jedoch richtig- immer mehr Flüchtlinge, die weiterhin in den Lagern untergebracht sind, würden an psychischen Problemen leiden und seien suizidgefährdet.

Auch Annegrethe Stoltenberg, frühere Landespastorin, beklagt das Problem der Unterbringung. Vor zwei Monaten hat sie die Funktion der Ombudsfrau in der „Beschwerdestelle für Flüchtlinge und Ehrenamtliche“ übernommen. Die meisten Beschwerden drehen sich tatsächlich um das Thema Wohnen. Immer noch seien „3.500 Menschen ohne Privatsphäre in der Erstaufnahme untergebracht“, so Stoltenberg.

Die über zwei Stunden dauernde Diskussion warf viele Fragen auf und machte deutlich, wie viel in Hamburg noch getan werden muss, damit wir alle wie Nachbarn zusammen leben können. Schade, dass die Akteure aus der Politik und die privaten Initiativen keine bessere gemeinsame Basis finden.
Viel Energie geht somit in die Austragung von Konflikten und stadtpolitische Differenzen.
Hamburg könnte sie anderer Stelle gut gebrauchen!

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Babette arbeitet als Videojournalistin und TV-Autorin in Deutschland und Österreich. Nach einem 15-jährigen Umweg über Paris, ist sie vor acht Jahren in Hamburg gestrandet. Seitdem genießt die Wienerin hier Meeresluft, Elbsand sowie die Weltoffenheit der Stadt.

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Eine Antwort

  1. Danke für den Bericht. Ich wäre auch gern gekommen, war zu dem Zeitpunkt aber grad im Urlaub.
    Welche Fragen wurden denn noch aufgeworfen? Ich finde es interessant, wenn – wie geschildert – verschiedene Aspekt und Ansichten aufeinander treffen.

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