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Revolution bedeutet Frieden und Freiheit

Sanaa Al Nomeiry ist 27 Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Sie kommt ursprünglich aus dem Libanon. Seit 11 Jahren lebt sie in Berlin. Aktiv ist sie für und mit Frauen mit Migrationshintergrund (mit und ohne Fluchterfahrungen). Im Interview berichtet sie von dem, was sie antreibt.

Foto: Ruaa Al Issawi,

Sanaa Al Nomeiry, bitte erzähle uns zunächst etwas von dem, was du machst

Mein leidenschaftliches Interesse für die Gleichstellung von Frauen und Männer begleitet mich seit fünf Jahren. Ich lebe getrennt und habe mir im Zuge meiner persönlichen Situation umfassende Kenntnisse zu Frauenrechtsthemen angeeignet. Deswegen liegt mir das Thema Frauenrechte und Female Empowerment auf privater Ebene sehr am Herzen. Ich bin bereits seit 2016 ehrenamtlich im Bereich Begleitung und Beratung für Frauen mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung tätig. Gearbeitet habe ich außerdem als Empowerment-Trainerin , Workshopleiterin , Jobcoach und Kursleiterin zur positiven Erziehung.

Im Rahmen einer Weiterbildung zur Kulturvermittlerin konnte ich mir inhaltliche und methodische Kenntnisse zum Leiten von Workshops und anderen Gruppenveranstaltungen aneignen und habe diese bereits erfolgreich und mit sehr positiver Resonanz in der Praxis angewandt. Im September 2018 bis Oktober 2019 war ich Frauen-Mentorin bei Asdiqa-Mentoringprogramm. Ich habe eine Frauengruppe gegründet und dort einmal im Monat Workshops zu verschiedenen Themen (Frauenrechte, Integration, Identität, Rassismus; Arbeitsmarkt in Deutschland…) geleitet. Mein Ziel war es, Frauen zu stärken und zu empoweren.

Warum bist du so engagiert für diese Themen?

“Sei die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt” – das ist mein Lieblingssprichwort von Mahatma Gandhi, Jeder Mensch hinterlässt Eindruck in der Gesellschaft.  Wir müssen alle  Verantwortung übernehmen für die Gesellschaft, in der wir Leben, ob in Deutschland oder im Libanon. So verändern wir auch alle Menschen, die mit uns in Verbindung stehen. Ich glaube an Veränderung. Deshalb bin ich seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig.

Für mich gab es viele Argumente und Gründe, weshalb ich mich ehrenamtlich engagiere. Ich habe mich auch deshalb engagiert, weil eine demokratische Gesellschaft jede und jeden Bürger*in braucht. Meiner Meinung nach stärkt bürgerschaftliches Engagement von, mit und für Migrantinnen und Migranten gleichberechtigte Teilhabe. Es ermöglicht Mitgestaltung und Beteiligung. Wenn man sich in einer Gemeinschaft näher kommt, entsteht das Gefühl, dass man gemeinsam etwas bewegen kann in dieser Welt.

Was ist der Unterschied zwischen der syrischen Community und libanesischen Community in Deutschland oder in Berlin?

In der Tat gibt es in Berlin einen Unterschied zwischen der syrischen und der libanesischen Community. Hier möchte ich auf einen wichtigen Punkt eingehen, nämlich die libanesische Gemeinde in Berlin. Es wurde viel Unrecht getan, und das ist mir aufgefallen. Ich war eine von Tausenden, die zehn Jahre geduldet waren, ohne Papiere. Ihnen wurden ihre Rechte in diesem Land entzogen, und die Regierung trägt die Verantwortung, weil sie zuvor keinen Integrationsplan aufgestellt hat. Es wurden auch keine Initiativen oder Projekte zur Verbesserung ihrer Bedingungen gestartet. Bisher gibt es viele Libanes*innen ohne Aufenthaltstitel.

Du bist in der syrischen und libanesischen Bewegung (Revolution) aktiv. Warum? Was ist die Verbindung und auch der Unterschied zwischen beiden? Was bedeutet Revolution für dich?

Revolution bedeutet für mich Frieden und Freiheit. Jeder Aufstand und jede Revolution, die in unserer Region und in der Welt stattfindet,  ist für uns alle. Ich glaube an die Revolutionen und den Willen des Volkes.

Die syrische Revolution hat mich entführt, genau wie die meisten Syrer. Und die Weltrevolte gegen Ungerechtigkeit, Korruption, Mord und Diktatur bewegt mich persönlich. Die Mehrheit der Menschen in Syrien wollten nur Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und eine freies Land ohne den Diktator Al Assad. Unter der Herrschaft Assads gab es keine Freiheiten. Die Familie Assad nahm Menschen die Rede- und Versammlungsfreiheit und verbot jede politische Betätigung, angefangen mit der Gründung von Parteien. Sie unterdrückte die Pressefreiheit, verfolgte syrische Oppositionelle oder völlig unpolitische Menschen, nur weil sie den Staat kritisiert hatten. Sie brachte sie ins Gefängnis oder zwang sie ins Exil.

Und speziell im Libanon? Worum geht es in erster Linie?

Im Libanon wollen wir immer noch Freiheit. Wir haben keine öffentlichen Plätze. Alles ist zugebaut. Unsere Wirtschaft ist marode. Frauen haben keine Rechte. Auch gegen das politisch-konfessionelle System, das den Libanon paralysiert, waren sie losgezogen. 30 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs ist das Land noch immer gespalten. Grenzen verlaufen entlang ethnischer Gruppen und religiöser Konfessionen. Die libanesischen Demonstrationen haben die syrische Revolution nicht aus den Augen verloren, als die Revolutionäre auf der Straßen waren und Solidarität mit der syrischen Revolution gezeigt haben.

Alle arabischen Revolutionen sind dasselbe, mit unterschiedlichen Inhalten und Forderungen. Arabische Revolutionen sind eine Revolution von Völkern, die das Recht haben, in Freiheit und Würde zu leben. Für ein Leben in Freiheit und Würde.

Als kleine Kinder sind wir in Unfreiheit aufgewachsen. Die Revolution zeigt, dass wir Freiheit wollen. Die Revolution ist der Weg zur Freiheit.

In der Welt, wo wir gelebt haben, gibt es keine Menschenrechte. Nirgendwo auf der Welt. Es gibt keine Menschenrechte, keine Frauenrechte, keine Tierrechte. Alles ist eine Lüge. Sie bombardieren Frauen, Kinder und Krankenhäuser. Die Revolution hat uns das Gesicht der Welt gezeigt.

Was bedeute Freiheit für dich?

Freiheit ist Unteilbar. Sie muss für alle und überall in Europa und der Welt gelten.

Die ganze Menschheit braucht eine Revolution. Für mich selbst geht es bei Revolution nicht nur um politische Freiheit. Wir brauchen eine feministische, intellektuelle, soziale, religiöse und kulturelle Revolution. Eine friedliche Revolution. Vielleicht werde ich das nicht erleben. Aber  meine Kinder werden das erleben. Ich bin sehr optimistisch. Als Frauen brauchen wir keinen Vater, der uns unterdrückt. Wir wollen Freiheit und Gerechtigkeit haben.

Wir sind im Jahr 2020. Freiheiten und persönlicher Glauben sollten für jeden Menschen intuitiv zu finden sein. Homosexualität und Glaubensfreiheit sind persönlichen Dinge. Jeder Mensch hat das Recht zu leben, wie er möchte und wie er will, ohne gemobbt, beleidigt oder verflucht zu werden.

Warum bist du  sehr per Social Media (Facebook) aktiv? Welchen Einfluss haben soziale Medien bei der libanischen und syrischen Bewegung ?

Ich bin sehr aktiv auf sozialen Medien, weil ich an Veränderung glaube. Wenn wir schweigen würden, würde sich nichts verändert in der Welt. Facebook ist zu einem sehr kleinen Ort geworden, durch den wir unsere Ideen präsentieren. Wir dürfen nicht mehr schweigen, sondern müssen unsere Stimme erheben und andere dazu bringen, über viele Themen nachzudenken. Meiner Meinung folgt eine Gesellschaft keinem Naturgesetz, sondern wird von Menschen gemacht, und somit auch verändert.

Wie hast du in Deutschland mit zwei Kindern als alleinerziehende Mutter und als ehrenamtlich wie politisch Aktive all deine Arbeit geschafft?

Manchmal fragte ich mich, wie ich das alles alleine geschafft habe mit zwei Kindern. Dann  denke ich an meine Ziele, meinen Erfolg, und habe wieder Tränen in Augen. Ich musste mein Alltag komplett durchorganisieren. Nur so bekomme ich Job und Muttersein unter einen Hut. Viele Frauen machen interessante Jobs und sind gleichzeitig gute Mütter. Als alleinerziehende Mutter habe ich die ganze Verantwortung und sie Sorgen alleine getragen. Unsere Tage waren absolut durchgetaktet. Manchmal blieb keine Zeit, mal Luft zu holen und zu entspannen. Ich habe mich selbst manchmal vernachlässigt. Und manchmal dachte ich: Das wird auch immer so weitergehen und das schaffe ich vielleicht nicht. Aber irgendwie wird es schon klappen. Es muss. Und ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass meine Kleinen immer selbstständiger werden.

Jetzt bin ich sehr stolz auf mich! Diesen Satz sage ich mir jeden Tag aufs Neue vor. Ich habe viel durchmachen müssen. Trotzdem habe ich nie meinen Lebenswillen aufgegeben. Es gab immer einen Weg, falls ich es wirklich schaffen wollte.

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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