Ich habe ein Soziologiestudium in Syrien absolviert und als Schulsozialarbeiterin bei Unrwa gearbeitet. Das ist das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten. Als Trainerin, Forscherin und freie Autorin engagierte ich mich für Frauen- und Kinderrechte.
Was hast du bis jetzt hier gemacht oder gearbeitet? Wo arbeitest du?
Seit fast 4 Jahren bin ich in Deutschland, wegen der Situation in meinem Land. Ich wohne und arbeite in Leipzig, wo ich mich als Ehrenamtliche bei der Diakonie engagiert habe. Dort habe ich geflüchtete Familien zu gewaltfreier Erziehung und häuslicher Gewalt beraten. Gleichzeitig habe ich mich ehrenamtlich bei DaMigra engagiert. Seit 3 Jahren bin ich Projektmitarbeiterin bei DaMigra. Das ist der Dachverband der Migrantinnenorganisationen.
Wir kämpfen für die Unterstützung von Migrantinnen und geflüchteten Frauen aus verschiedenen Herkunftsländern, damit sie ein selbstständiges Leben führen und sich in Deutschland integrieren können. So organisieren und führen wir z.B Veranstaltungen, Workshops, Trainings und Multiplikatoren-Schulungen zu Frauenrechten, interkulturellem Austausch und Gewalt gegen Frauen durch. Darüberhinaus koordinieren wir uns mit anderen Institutionen im gleichen Arbeitsbereich.
Du hast zwei Kinder und einen Mann und du hast Deutsch gelernt. In der selben Zeit hast du auch gearbeitet, wie hast du das alles geschafft?
Eigentlich war es schwierig, eine Balance zu finden. Und ich muss sagen, dass ich noch immer mehr Deutsch lernen muss. Aber ich nehme meine Kraft aus der Liebe. Ich habe große Unterstützung und Liebe bekommen von meiner Familie, von DaMigra meinem Arbeitgeber, von meinen Freundinnen, und auch von meinem Lehrer und meiner Lehrerin bei InterDaf Institut.
Unterstützung durch meine Familie
Mein Mann hat mir überall geholfen. Er hat die Kinder durch meinen Deutschkurs alleine betreut und den Haushalt gemacht. Die ganze Zeit über hat er mir die Liebe und die Treue gegeben. Auch meine kleinen Kinder haben mich immer mit Liebe und Verständnis unterstützt. Kaum hatte ich Zeit das Schlaflied zu singen, aber meine Kinder waren verständnisvoll dafür.
Unterstützung durch DaMigra, Freundinnen und Lehrer
DaMigra als Organisation, die die Frauen unterstützt, hat mir auch viel geholfen mit einer flexibleren Arbeitszeit. Ich erinnere mich, als ich Dr. Dalal die Geschäftsführerin bei DaMigra, informiert habe, dass ich richtig Deutsch lernen muss. Da hat sie zu mir gesagt: „Wir vertrauen dir, mach das!“ Es ist mir sehr wichtig, solches Vertrauen und Liebe zu haben.
Das gleiche kann ich über meine Freundinnen und meine Lehrer und Lehrerin sage. Von ihnen habe ich mehr als Sprache gelernt.
Ich glaube, dass ich viel Glück habe. Ich gebe mir Mühe, zwar gehe ich langsam, aber ich gehe nie zurück. Und ich bekomme auch viel Unterstützung. Das ist die richtige Atmosphäre für jeden Menschen, sich zu entwickeln.
Du hat 2014 das Buch „Die Realität der syrischen Frauen in der aktuellen Krise“ geschrieben. Welchen Einfluss hat die aktuelle Krise( Krieg oder Revolution und Flucht ) auf die syrischen Frauen?
Meiner Meinung nach ist die Situation der Frauen komplizierte als vorher. Die Krieg hat schmutziger Regeln, und die Frauen und die Kinder sind am schwächsten.
Man kann nicht sagen, dass die geflüchteten Frauen jetzt ihre Freiheit haben. Denn die Gegnerinnen und Gegnern des Fortschritts, Männer wie Frauen, setzen alles daran, um tradierte, patriarchale Strukturen, die in unserer „Mutter“-Gesellschaft vorherrschen, zu bewahren. In diesen Strukturen gibt es eine Kette der Bevormundung. Der Vater, der Ehemann, oder der Bruder werden zum Vormund erklärt, ganz ungeachtet ihrer Kompetenzen.
Der Mikrokosmos, in dem Geflüchtete leben, hält diese Strukturen aufrecht und verstärkt sie sogar noch. Deutsche Gesetze, die die Rechte der Frauen garantieren und sie vor wirtschaftlicher Ausbeutung, häuslicher Gewalt und anderen Einschränkungen ihrer Selbstbestimmung schützen, werden in diesem Kontext bedeutungslos. Mehr noch, einige Frauen werden in ihren Rechten sogar weiter eingeschränkt. Als Vorwand werden Religion und Tradition genutzt. Ein Identifizieren mit der Gastgesellschaft wird streng sanktioniert, denn diese Gesellschaft habe andere Werte, ganz besonders in Bezug auf die Frau, ihre persönliche Unabhängigkeit und körperliche Selbstbestimmung.
Am 8.3 ist Internationaler Frauentag, was bedeutet diese Tag für dich?
Es bedeutet für mich ein Symbol für Gleichberechtigung auf allen Ebenen: Für ein Ende der Zugangsbarrieren und Teilhabe für alle, für Power Sharing und Solidarität, für ein Ende der Gewalt an Frauen und für neue feministische Visionen in der Welt.
Was bedeutet Integration für dich? Bist du hier integriert?
Ich glaube, das Wort Integration ist ein großer Begriff, und jeder versteht es anders. Man muss mit seiner Familie, mit seiner Gesellschaft mit den neuen Situationen integriert sein. Integration kommt durch einen großen Prozess, und jeder muss eine Rolle in dem Prozess spielen, oder es wird fehlschlagen. Ich kann nicht sagen, dass ich integriert bin oder nicht, aber ich bin ein Teil dieses Prozesses. 4 Jahre sind sehr früh oder nicht genug zu entscheiden. Aber ich persönlich kann optimistisch sein.
Was ist deine Nachricht für die Deutschen?
Wir sind Partner auf diesem Planeten und zusammen können wir viel schaffen. Deutschland hat verschiedene internationale Übereinkommen unterschrieben und ratifiziert, welche die niedergeschriebenen humanitären Werte stärken; und der erste Absatz heisst: “Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.” Lass uns denn “Verantwortung vor Gott und den Menschen” übernehmen.