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Europa: Humanität trotz Angst

Ende Februar 2020: Die Situation in Idlib im Norden Syriens wird noch einmal komplizierter. Die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan versucht nicht mehr Geflüchtete auf ihrem Weg nach Europa zu stoppen. Und wie reagieren die Menschen in Europa?

Photo by Aarón Blanco Tejedor on Unsplash

Situation in Griechenland

Mit meiner Verlobten habe ich über die Situation an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei diskutiert. Sie hat mir gesagt, wir hätten von 2015 lernen sollen. Wir hätten die griechischen Inseln, auf der die Geflüchteten leben, unterstützen sollen. Wenn wir das gemacht hätten, könnten die Menschen da leben und die neuen Geflüchteten jetzt empfangen. Nun können sie nur ins Meer gucken und möchten ihnen nicht helfen. Die geflüchteten Kinder, die in Griechenland leben, hätten wir hierher nach Deutschland holen sollen. Wir hätten, wir hätten… aber am Ende wurde nichts gemacht, nur geguckt, was passiert.

2015 und seine Folgen

Niemand möchte 2015 wiederholen, das höre ich oft. Die meisten Politiker in Deutschland und Europa verhalten sich so, als wäre 2015 eine peinliche oder verbotene Geschichte passiert. Nein, 2015 darf sich nie wieder wiederholen. Obwohl 2015 für viele auch ein Moment der Hoffnung war und ein guter Moment für die berühmten europäischen Werte. Viele haben zu Europa „Chapeau“ gesagt! Endlich kann Europa auch ein paar seiner Werte für alle und nicht nur für die Europäer umsetzen.

Was wir jetzt erleben ist auch ein direktes Ergebnis von 2015. Ich habe das Gefühl, wir haben viel diskutiert und wenig gelernt. Welcher Politiker hat sich für die Verbesserung der Situation in Griechenland stark gemacht? Wir haben nichts gelernt, weil wir Angst haben. Vielleicht haben die Menschen Angst um ihre Familien, ihre Dörfer, ihre Wohnungen, ihre Stadt und er 0der sie möchten nichts machen.

Die Bilder von den Geflüchteten sind überall, aber die Angst ist stärker:

Weil sich die Rechtsextremen in vielen europäischen Ländern verbreitet haben und sie viele Europäer überzeugt haben, dass Europa nur mit geschlossenen Grenzen leben kann. Die Angst ist auch stärker, weil Europa viele terroristische Angriffe von Extremisten von allen Seiten erleben musste. Und weil viele traditionelle Parteien sehr viele Stimmen verloren haben und die Menschen unsicher sind, wie die Zukunft aussehen kann. Viele Politiker haben auch Angst um ihre Position. Sie haben nicht den Mut zu sagen:“Egal was passiert, diese Menschen brauchen Hilfe“.

Vielleicht ist die Gesellschaft auch müde von diesem Thema? Haben wir nicht alle genug geholfen? Ist es nicht mehr cool, am Hauptbahnhof zu warten und Menschen willkommen zu heißen? Für viele Fragen suchen wir die Antwort bei der Politik. Wir hoffen, dass die Politiker die Antworten kennen. Beim Thema Geflüchtete frage ich sie: was habt ihr davon gelernt?

Fragen an die Politiker

Was könnt ihr noch, außer nur zu diskutieren?:

Hat Frau Merkel die Grenze geöffnet oder war die Grenze immer offen?

Ist das Geld genug, um Europa und seine Werte zu unterstützen? So wie das Abkommen mit der Türkei, die mehr als 3 Millionen Geflüchtete  empfingen und 6 Milliarden Euro dafür bekommen haben, damit die Türkei Europa unterstützt?

Ist die Katastrophe, die die Geflüchteten in Griechenland erleben, groß genug, damit sie verstehen können, dass Europa nicht mehr Geflüchtete empfangen kann oder möchte?

Sollen sie mehr Schiffe auf das Mittelmeer schicken? Ist das Geld für Diktatoren (insbesondere die der nordafrikanischen Länder) genug, damit sie ihre Grenze schützen? Nach dem Motto: Wir dürfen unsere Humanität nur in Europa umsetzen, aber draußen ist es egal.

Europas Verantwortung

Was haben die europäischen Länder in Syrien gemacht? Versuchten sie eine Lösung zu finden? Haben sie versucht Russland zu unterdrücken oder  haben sie alle anderen Länder nach Berlin eingeladen, um ein Friedensabkommen zu schließen, wenn sie nichts direkt dagegen machen können?

Jetzt sehen wir alle was an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland passiert. Kinder, Frauen, und Männer leben im Winter unter freiem Himmel. Sie möchten nur die Grenze überqueren und sie bekommen Pfefferspray und Tränengas, weil  Europa seine Grenzen schützen will. Die armen Leute dürfen nicht reinkommen, weil Europa sich nicht nur vor den Geflüchteten, sondern auch vor Rechtsextremen, die hier leben, schützen will. Aber das ist keine Lösung.

Haben wir alle nach 5 Jahren „Willkommenskultur“ oder „Flüchtlingskrise“ akzeptiert, dass es kein europäisches Asylrecht gibt?

Gibt es keine europäische Lösung und sollen wir Griechenland, oder Italien alleine lassen?

Sollen die Kinder an der Grenze zu Europa keine Hilfe bekommen und sterben?

Fragen über Fragen

Wir sollten jetzt über die Realität nachdenken, nicht was wir machen sollen, sondern was wir machen können. Wie können wir die Geflüchteten unterstützen und ihnen helfen? Haben wir Angst?

Wie können wir zwischen Angst und Humanität einen Kompromiss finden? Nicht in der Utopie, sondern im richtigen Leben und in der Welt, in der wir jetzt leben. Einer Welt, in der es Krieg, Waffen, Diktatoren und schlechte Politiker, arme Leute und Kinder, die an der Grenze unserer Welt sterben, gibt.

Nicht nur Europa, sondern alle Menschen, die humanitär sind, befinden sich heute in einem großen Test.

Europa kann nicht alle Geflüchteten empfangen, aber kann es vielleicht viele Geflüchtete unterstützen? Es könnte den Geflüchteten helfen, auch wenn diese nicht vor der Tür von Europa stehen. Viele Organisationen, Akademiker und Journalisten haben diese Möglichkeiten bereits aufgezählt. Es könnte mehr getan werden, um die Situation in Syrien strategisch zu lösen. Die UN könnte endlich wieder die benötigte Finanzierung bekommen. Oder die UN könnte überzeugt werden, ihre Hilfsgelder in Syrien nicht direkt an die von Assad kontrollierten Organisationen weiterzugeben.

Können wir doch bereit sein, vielen Geflüchteten zu helfen, weil wir Mut dafür haben?

Ist es möglich zu sagen, dass 2015 nicht eine Mutation oder ein Moment war, sondern ein Ergebnis unserer europäischen Werte, die wir nach dem zweiten Weltkrieg gelernt haben?

Können wir sagen, dass wir nach 2015 sehr viele neue Projekte und Initiativen gegründet haben? Auch als Ehrenamtliche arbeiten wir und wir waren mehr als 6 Millionen. Wir haben  sehr viel Erfahrung damit gesammelt und wir möchten und können miteinander unter einem Dach arbeiten, wenn sie ein bisschen das bürokratische System vermeiden.

Oder wir können einfach  ein paar Tweets oder Facebook Beiträge dagegen posten, und uns mit dem gutem Gefühl der Humanität einschlafen.

Mit meinem Artikel möchte ich nur Fragen stellen. Fragen, die du vielleicht auch hast. Aber wer kann anfangen sie zu beantworten?

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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