Ich habe einen Artikel von Yahya Alaous über syrische Schriftsteller und YouTuber in der Süddeutschen Zeitung gelesen. In diesem Artikel kritisiert Herr Alaous nicht nur die jungen Syrer, die mit ihrem Talent in Deutschland angefangen haben, sondern er sagt auch, dass die Deutschen, wegen der neuen Schriftsteller, ein schlechtes Bild der syrischen Kunst- und Literaturszene haben.
Auf jeden Fall haben viele Syrer sich hier in Deutschland als Journalist oder Schriftsteller präsentiert, obwohl sie das zuvor nicht waren. Aber wir sollten uns die Frage stellen, warum und ob wir das mit einer neuen Perspektive sehen.
Die Zensur in Syrien
Die syrischen Intellektuellen (nicht alle jedoch eine Mehrheit) haben in Syrien sehr viel Kritik geübt, weil sie nicht Teil der Revolution waren. Sie haben die Revolution kritisiert, nicht nur weil sie draußen vor den Mocheen stattfand und das hatte für viele eine religiöse Bedeutung, sondern auch weil sie sehr überrascht waren von dieser Revolution und von den Jungen, die die Revolution initiiert haben. Zudem hatten sie keinen Bezug zu den jungen Menschen, da sie sie nicht kannten.
Sie waren entweder in ihrer linken Traumwelt, dass sie eine Revolution in den 60er Jahre gemacht haben, oder sie haben eine neue Absprache mit der Regierung getroffen, laut derer sie nichts gegen die Regierung schreiben und diese im Gegenzug sie, die Intellektuellen, unterstützt. Nur die Regierung darf in Syrien die kulturelle Berichterstattung unterstützen, da sie großen Respekt vor dem Einfluss der Literatur hat und dadurch die Kontrolle behält. Keine Berichterstattung ist erlaubt von Schriftstellern, die gegen die Regierung in Syrien schreiben. Einzig diejenigen, die für die Regierung schreiben oder die sie nicht kritisierten, dürfen veröffentlichen und Geld verdien. Vitamin B, hat hier einen großen Einfluss genauso wie Beziehungen innerhalb der eigenen Familie. Hat bereits der Vater in diesem Bereich gearbeitet, dann weiß er auch, wie es hier läuft und sagt das seinem Sohn oder seinen Verwandten.
Neue Möglichkeiten im Exil
Viele Leute jedoch haben auch gegen all das gekämpft. Und sie wurden bekannt, weil sie in ein arabisches Land oder nach Europa gegangen sind, wo sie die Möglichkeit hatten erfolgreich zu werden.
Viele junge Leute, die zur gleichen Generation gehören, die auch bei der Revolution mitgemacht haben sind nun nach Europa und Deutschland gekommen. Durch das vielfältige Angebot der Willkommenskultur haben sie die Chance, ihr Talent präsentieren und/oder im Kulturbereich arbeiten zu können.
Markt und Publikum bestimmen den Erfolg
Ich möchte mit meiner besonderen Geschichte anfangen. Ich bin in der Mittelschicht in Syrien aufgewacht. Die Chancen, die ich hier in Deutschland bekommen habe, hätte ich nicht in Syrien bekommen können.
Viele können diese Chance nutzen, weil sie entweder Englisch sprechen oder Deutsch schnell gelernt haben. Sie haben mit den Ehrenamtlichen zeitnah Kontakt geknüpft, und diese haben ihnen gezeigt, welche Möglichkeiten sie nutzen können hier in Deutschland zum Erfolg zu kommen, wie die deutsche Gesellschaft funktioniert und wo sie neue Kontakt knüpfen können. Ich sage nicht, dass all diese jungen Schriftsteller gut oder schlecht sind, weil diese Entscheidung muss der Markt treffen, nicht ich.
Viele Syrer haben Sachbücher geschrieben, die erfolgreich waren, weil sie nicht nur gut geschrieben waren, sondern auch, weil sie von Syrern geschrieben wurden und von 2015 bis 2017 die syrische Kultur einen großen Markt hatte. Aber die große Frage ist, ob diese Jungen Autorinnen und Autoren weiter machen können, ob diese Leute ihren Erfolg weiter nutzen. Die Antwort hängt davon ab, was der Markt sagt. In Deutschland hat die Nachfrage am Markt einen großen Einfluss. Die Verlage, die diese Bücher drucken, müssen mit den gedruckten Werken Geld verdienen, deswegen müssen es Bücher sein, die die Leute kaufen. Und Leser lesen nur gute Bücher von guten Autoren.
Zivilgesellschaftliche Institutionen,
Es gibt zivilgesellschaftliche Institutionen, die Syrer als Geflüchtete unterstützen, aber auch die Institutionen arbeiten am Markt und sie wählen aktuellen Themen. Und nicht immer möchten sie mit der Willkommenskultur oder Geflüchtete arbeiten, sondern auch mit anderen Themen wie Umwelt, Rechtsextremismus und so fort. Die Leute können nicht weiter machen, wenn sie schlecht sind oder wenn sie ihren Erfolg nicht gut benutzen können.
Aber wir dürfen nicht vergessen, was die sozialen Medien bewirken können. Viele geflüchetete junger Syrer haben die sozialen Medien stark genutzt und haben sich ihre eigene Communty aufgebaut. Und diese hat auch Einfluss.
Wer gehört zu den Intellektuellen?
Wer darf zu den Intellektuellen zählen und wer nicht, das ist große Frage. Jeder kann dazu seine Meinung sagen, aber das ist keine Herausforderung. Weil wir in einer persönlichen Gesellschaft leben, nicht in einer diktatorischen Gesellschaft, die der Gesellschaft und uns sagen darf, wer wir sind und welcher Gruppe wir angehören.
Genauso ist es das Publikum, welches bestimmt, ob es interessant ist, was der oder die Schriftsteller(in) geschrieben hat. Und in den sozialen Medien ist es nicht nur wichtig, was du schreibt, sondern wie du dich verkaufen kannst.
Jeder darf zur Stimme der eigenen Kultur werden
Und ich darf auch nicht sagen, wer die syrische Kultur präsentieren darf, weil wir leben jetzt in einer individuellen Gesellschaft, und alle dürfen ihre Geschichte und ihr Perspektive zu ihrer Kultur äußern.
Wer kann die syrische Kultur besser präsentieren? Die Leute, die in ihren Büchern leben und die den Schmerz der Menschen vergessen haben oder was die armen Leute beschäftigt oder diejenigen, die den Schmerz erlebt haben? Jeder darf seine Perspektive und sein Verständnis von der Kultur präsentieren.
Die Literatur entwickelt sich weiter im Exil
Ich spreche auch von dem menschlichen Teil der Kultur, Alltagskultur, die aus den Beziehungen mit den Deutschen entstanden ist. Diese hat auch einen Wert und hat unsere Literatur weiterentwickelt. Die Offenheit zu anderen ist ein großer Vorteil nach der Revolution, weil wir in Syrien uns selbst die Syrer nicht kennen, und auch wir kennen die anderen Kultur nur durch die Propaganda. Und jetzt können wir von anderen Kultur auch lernen und weiterentwickeln.
Der Autor vergisst die Zukunft und die syrischen Intellektuellen der Zukunft. Sie wachsen jetzt auf, im Exil. Sie folgen nicht den Beleidigungen oder den Regeln der alten Generationen. Sondern, sie leben ihre Freiheit und in ihrer Freiheit können sie ihre Talente und Gedanken entdecken.