Ich habe dieses Magazin gegründet, damit Flüchtlinge über ihre Meinungen und Probleme sprechen können. Und ich wusste, dass Flüchtling eine negative Bedeutung auf Deutsch hat, wegen der Endung LING, die dieses Wort kleiner macht. Es gibt eine große Diskussion über die Verwendung von Flüchtling oder Geflüchtete. Der erste Begriff beschreibt diese Gruppe nicht nur im negativen Sinne, sondern auch weil dies nur den Weg der Flucht darstellt. Der Begriff Geflüchtete dagegen meint auch das Ankommen an einem bestimmten Ort.
Mit dem Magazin Vorurteile abbauen
Mit dieser Diskussion habe ich die Entscheidung getroffen, dass die Begriffe Flüchtlinge oder Geflüchtete für uns nicht unterschiedlich sind. Wir können auch dem Wort Flüchtling durch unser Magazin eine neue Bedeutung geben. Die Menschen könnten ihre Vorurteile gegenüber Geflüchteten abbauen.
Aber leider werden mein Magazin und ich von vielen kritisiert. Nicht nur von rechten Leuten, die die Geflüchteten als den Teufel sehen. Es kommt auch Kritik von links, von Menschen, die den Begriff „Flüchtlinge“ nicht mögen. Für sie ist das Wort Flüchtling wie ein Schimpfwort. Und es gibt auch ein paar Geflüchtete selbst, die diesen Begriff nicht akzeptieren. Denn er beschreibt eine bestimmte Gruppe, zu der sowohl gute als auch schlechte Menschen gehören.
Negative Bedeutungen
Die vielen Diskussionen haben die Vorurteile nur verstärkt. Die Medien beschreiben mehr als 1.600.000 Menschen als eine Gruppe mit geteilten Eigenschaften, die für viele Probleme hier in Deutschland verantwortlich sind. Deswegen wollen viele Geflüchtete nicht zu dieser Gruppe gehören. Sie finden, dass die Begriffe Ausländer oder Migrant besser passen.
Einige Geflüchtete akzeptieren die deutschen Gesetze nicht, sie möchten lieber ihre eigenen Gesetze hier in Deutschland umsetzen. Das sind oft diejenigen, die in den Medien als Geflüchtete präsentiert werden und somit auch die größere Mehrheit der Flüchtlinge mit beinhalten, die anders sind, die ein friedliches Leben suchen. Unsere Gesellschaft verdächtigt mit der Zeit alle Flüchtlinge. Normalerweise gilt: Der Angeklagte ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Bei Geflüchteten ist dies leider anders: Die Geflüchteten sind schuldig bis ihre Unschuld bewiesen ist.
Um zu einer anderen Gruppe zu gehören und um gegen diese Vorurteile zu kämpfen, haben einige Geflüchtete beschlossen, dass sie nicht mehr als Geflüchtete betitelt werden wollen.
Kategorisierungen in Deutschland
Unsere Gesellschaft kategorisiert Menschen nach ihrer Abstammung und ihrer Geschichte. Diese Kategorien sind zwar nicht fest, sondern eher flexibel, man kann sie nicht immer sehen oder fühlen. Aber es gibt fast jeden Tag neue Diskussionen über diese Gruppen, was sie machen dürfen und was nicht. Der Vergleich mit anderen Gruppen ist hoch. Deswegen wollen viele nicht zu diesen Gruppen gehören.
Viele Geflüchtete meinen, sie hätten verstanden, dass Geflüchtete keine gute Kategorie ist. Deswegen würden viele gerne zu einer anderen Gruppe gehören, zu einer Gruppe, die mehr Rechte hat. Die Gesetze, die für Deutsche gelten, gelten oft für Geflüchtete nicht.
Sich schämen oder stolz sein?
Was ist besser: Dass ich sage, ich bin nicht Geflüchteter, oder dass ich sage, ich bin ein anderer Geflüchteter und nicht so, wie sie in den Medien dargestellt werden? Oder ich erkläre, dass ich Geflüchteter aufgrund meiner Geschichte gewesen bin, es jetzt aber nicht mehr bin, weil ich in Deutschland angekommen bin? Klar ist, dass die Flucht Teil meiner Persönlichkeit, meiner Geschichte ist. Warum also sollte ich mich für meine Geschichte schämen oder sie vielleicht sogar leugnen? Nur weil die Menschen keine Geflüchteten mögen oder Vorurteile haben? Warum sollte ich hochnäsig gegenüber anderen Flüchtlingen sein, nur weil andere Leute mir gegenüber hochnäsig sind? Das ist genau das, was in Diktaturen passiert. Warum sollte es also auch hier passieren?
Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling
Eine Freundin hat mir über einen Syrer erzählt, der sich mit den Worten vorgestellt hat, er komme zwar aus Syrien, sei aber kein Flüchtling, weil er nicht illegal nach Deutschland eingereist sei. Obwohl er Syrien wegen des Krieges verlassen hat, sehe er sich nicht als Flüchtling und er möchte auch nicht zu der Gruppe gehören, die 2015 hier in Deutschland angekommen sind. Und obwohl er zu einem Volk gehört, dass den Krieg erlebt hat und deswegen geflohen ist, will er selbst nicht zu dieser Gruppe gehören. Vielleicht, weil er sich für etwas Besseres hält. Vielleicht aber auch, weil er weiß, dass die Deutschen diese Gruppe nicht mögen.
Meine Erfahrungen mit der Kunst
Ich habe selbst auch die Erfahrung mit ein paar Künstlern gemacht, mit denen ich Interviews machen wollte. Sie haben mir gesagt, dass sie sich nur als Künstler präsentieren, nicht aber als Geflüchtete. Also haben sie Interviews abgelehnt, weil sie nicht mit einem Beitrag im Flüchtling-Magazin erscheinen, also nicht als Flüchtlinge gesehen werden wollen. Es sind Menschen, die eben stolz auf ihre Kunst sind, nicht aber auf ihre Herkunft, ihre Geschichte.
Der Begriff Flüchtling hat eine sehr negative Konnotation, eben dadurch, was die Medien und Politiker so publizieren. Der Begriff beschreibt eine ganz bestimmte Gruppe, mit ihm werden oft arme oder sogar kriminelle Menschen assoziiert, nicht aber Menschen, die hier ein neues Leben beginnen wollen und einfach nur als Menschen gesehen werden wollen.
Vertriebene oder Flüchtlinge?
Während ich diesen Kommentar verfasse, erinnere ich mich an meine Zeit in Syrien. Meine Eltern kommen aus Golan, sie sind im Jahr 1967, als sie jung waren, nach Damaskus geflohen, wegen den Angriffen von Seiten Israels auf das Gebiet rund um Golan. Meine Vater war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt, meine Mutter sogar erst zehn. Sie haben dann sehr lange in Damaskus gelebt und dort neun Kinder bekommen. Meine Geschwister und ich sind alle in Damaskus aufgewachsen, haben an der dortigen Universität studiert und in der Stadt gearbeitet. Wir sind Vertriebene aus Golan. Ich bin also Vertriebener und gleichzeitig auch Flüchtling.
Für Flüchtling eine andere Bedeutung finden
Abschließend möchte ich sagen: Wir bleiben Flüchtlinge, vielleicht auch in unseren Gedanken, und vielleicht auch wegen der Gründe, wegen denen wir nach Deutschland gekommen sind. Und wir werden uns nicht wegen unserer Geschichte schämen. Wir werden stolz sein, weil wir uns hier eine neue Zukunft aufbauen. Wir werden also eine andere Bedeutung für das Wort Flüchtling finden, eine Bedeutung, die mehr unseren Erfolg damit assoziiert: Unseren Erfolg, dass wir eine neue Sprache gelernt haben. Dass wir neue Freunde gefunden haben und ein neues Zuhause. Dass wir erfolgreich arbeiten oder eine Ausbildung machen. Und selbstverständlich auch den Erfolg, dass wir der Gesellschaft, in der wir nun leben, das zurückgeben werden, was sie für uns getan hat.
Nur unserer Erfolg kann unsere Gedanken über dieses Wort, über diesen Begriff, ändern.